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# taz.de -- Erinnerung an der East Side Gallery: "Die Mauer muss bleiben"
> Eine Initiative und Techno-DJs demonstrieren an der East Side Gallery
> gegen deren weitere Demontage. Wer will, kann dort sogar auf die Mauer
> klettern.
Bild: Hätte es 1989 auch schon Trampoline an der Mauer gegeben, wäre sie wohl…
Punkt 14 Uhr gegenüber der East Side Gallery in Friedrichshain: Technobeats
beschallen den Ort, der auch 25 Jahre nach dem Mauerfall noch ein großes
Stück der Vergangenheit in sich trägt. Sie kommen von einem DJ-Pult, an dem
sich an diesem Sonntag Urgesteine der Berliner Clubszene wie Dr. Motte oder
Mary Jane eingefunden haben. Sie wollen die besondere Stimmung, die gerade
an diesem 25. Jahrenstag des Mauerfalls an diesem Ort herrscht, musikalisch
einfangen. Nach und nach werden die Bässe lauter und ziehen die
Aufmerksamkeit vorbeilaufender Menschen auf sich.
Neben dem DJ-Pult weht ein Banner im Wind. Auf ihm ist in in dicken roten
Buchstaben zu lesen: „Kein Abriss der East Side Gallery für Hotels und
Wohnungen. Die Mauer muss bleiben!“ „Wir sind heute hier, um die Menschen
darauf aufmerksam zu machen, dass die Mauer in Gefahr ist", erzählt Sascha
Disselkamp von der Berliner Clubcommission. "Gleichzeitig möchten wir eine
alternative Veranstaltung zu all den anderen Mauerfeierlichkeiten bieten.“
Gemeinsam mit der Initiative „East Side Gallery retten“ ist die
Clubcommission an die Mauer gekommen, um sich für den Erhalt der East Side
Gallery einzusetzen. Nach Recherchen des Bündnisses „East Side Gallery
retten“ erfordern der Brandschutz sowie das an den beiden dortigen
Bauprojekten, dem Hotelneubau „Waterfront Living“ und dem Luxuswohnturm
„Living Levels“, zu erwartende Verkehrsaufkommen einen weiteren Abriss der
Mauer an drei Stellen. So sollen laut der Initiative der Durchbruch links
und rechts des Luxuswohnturms verbreitert und ein neuer Durchbruch im
vorderen Bereich des Hotelneubaus durchgeführt werden.
Die Baupläne stellten eine unmittelbare Existenzbedrohung für den Erhalt
dieses Stücks Geschichte dar. „Wir sehen die East Side Gallery als das
Denkmal des friedlichen Mauerfalls vor 25 Jahren, und in dieser Form muss
es unbedingt erhalten bleiben. Darum sind wir heute hier, um weitere
Unterstützer für den Erhalt der Mauer zu gewinnen“, verdeutlicht Disselkamp
die gemeinsame Position der beteiligten Initiativen. Suse Hammer verteilt
Info-Flyer der Initiativen. „Wir nutzen den heutigen Tag, um die Masse
darauf aufmerksam zu machen, dass die Mauerkunst, die für den Erhalt der
Vergangenheit so wichtig ist, wirklich in Gefahr ist. Die Ballons, die
heute in die Luft steigen werden, sind ein guter Showeffekt, der aber
morgen schon wieder in Vergessenheit geraten kann. Dann könnten schon die
Bagger vorfahren.“
„Heute feiern, morgen abreißen“, steht auf dem Flyer, den sie den Besuchern
in die Hand drückt. Dieser Slogan stehe sinnbildlich für das drohende
Schicksal der East Side Gallery, so Hammer.
Auch Karin Kaper und Dirk Szuszies sind gekommen. Sie haben einen
Dokumentarfilm über die East Side Gallery gedreht, der Anfang 2015 in die
Kinos kommt und die Geschichte des Mauerrests nacherzählt. Dirk Szuszies
will die Menschen wachrütteln: „Viele Leute feiern den heutigen Tag. Ich
sehe das ganze mit einem skeptischen Blick. Wissen sie eigentlich, was sie
feiern? In der Realität sieht es doch so aus, dass die Kunst verloren geht.
Die Ballonaktion ist eine gute Imagewerbung für Berlin. Die Bilder gehen um
die Welt. Das allein hilft aber der East Side Gallery nicht“, erzählt der
Dokumentarfilmer. Er wolle die Menschen mit seinem Film wachrütteln, der
auch die aktuellen Konflikte um den Fortbestand der East Side Gallery
aufgreift. Diese sei ein Symbol der friedlichen Revolution, dass unbedingt
erhalten werden muss, findet Szuszies.
Die Musik zeigt ihre Wirkung, viele Menschen werden aufmerksam. Sandra
Garcia steht in der Nähe des DJ-Pults und wippt bei jedem Beat mit. Sie ist
nicht umsonst an diesem Ort: „Ich finde diese Veranstaltung viel
interessanter als die Feier am Brandenburger Tor. Ich möchte auch ein
persönliches Statement setzen, in dem ich heute hier bin und den Erhalt der
East Side Gallery unterstütze.“ Auf der gegenüberliegenden Seite, an der
Mauer selbst, sind viele Touristen anzutreffen, die extra für diesen Tag
angereist sind. Durch ein Baugerüst und Turnmatten kann die Mauer sogar
erklommen werden. „Papa, mach' mal ein Foto“, ruft Simon seinem Vater von
der Mauer aus zu. Uwe Staab drückt auf den Auslöser seiner Kamera.
Der Familienvater ist mit seinen beiden Söhnen Simon (12) und Paul (14) aus
Falkenberg angereist, um ihnen heute die Bedeutsamkeit des Mauerfalls näher
zu bringen. Auch er sieht die Pläne an der East Side Gallery kritisch: „Ich
finde es schade, wenn weitere Mauerteile abgerissen werden sollten. Damit
verschwindet ein Relikt aus der Zeit, ein Stück Geschichte würde verloren
gehen.“ Simon klettert wieder runter und macht Platz für seinen Bruder
Paul, der nun hoch auf die Mauer klettert. Auch er bekommt sein
persönliches Erinnerungsfoto. „Ich kenne die Mauer nur aus Büchern und
Filmen in der Schule. Deswegen finde ich es cool, dass ich da heute sogar
mal draufklettern darf“, erzählt er stolz.
So wie die beiden nutzen an diesem Sonntag viele Menschen die Gelegenheit
und klettern auf die Mauer, um das Gefühl, das damals herrschte, einmal
nachzuempfinden und der Vergangenheit für einen Tag ganz nah zu sein.
9 Nov 2014
## AUTOREN
Jasmin Rostam
## TAGS
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