# taz.de -- Antifaschistischer Protest in Wunsiedel: Nazis sammeln unfreiwillig… | |
> Im oberfränkischen Wunsiedel haben am Samstag rund 400 Menschen Flagge | |
> gegen 250 Neonazis gezeigt – auf sehr kreative Art und Weise. | |
Bild: Nazis in Wunsiedel, Archivbild aus dem Jahr 2013. | |
WUNSIEDEL epd | Es war ein Protest mit Witz und Hintersinn: Bei ihrem | |
alljährlichen sogenannten „Heldengedenken“ im oberfränkischen Wunsiedel | |
wurden gut 250 Neonazis auf den „unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands“ | |
geschickt. Denn mit jedem Meter, den die Rechtsradikalen am Samstag auf | |
ihrem Marsch durch die Fichtelgebirgsstadt zurücklegten, flossen finanziert | |
durch Förderer zehn Euro auf ein Spendenkonto zugunsten der Initiative | |
Exit-Deutschland, die sich um Aussteiger aus der Neonazi-Szene bemüht. | |
Dabei passierte der „Trauermarsch“, zu dem die rechtsextremistische Partei | |
„Der Dritte Weg“ aufgerufen hatte, zahlreiche Transparente mit ironischen | |
Kommentaren wie „Im Spendenschritt Abmarsch“ und „Endspurt statt Endsieg�… | |
Angeboten wurde auch „Marschverpflegung“: Bananen, eingewickelt in eine | |
Banderole mit der Aufschrift „Mein Mampf“. | |
Am Ende der Aktion stand eine Summe von 10.000 Euro, für die sich die | |
Initiatoren nicht nur bei den tatsächlichen, sondern auch bei den | |
„unfreiwilligen Spendern“ brav bedankten: „Danke, liebe Neonazis“, hie�… | |
noch während der laufenden Veranstaltung auf der eigens eingerichteten | |
Homepage [1][www.rechts-gegen-rechts.de]. | |
Die Aktion war unter anderem vom Bündnis „Wunsiedel ist bunt nicht braun“ | |
und dem Zentrum Demokratische Kultur aus Berlin vorbereitet worden. „Damit | |
wird das Anliegen der Neonazis konterkariert“, sagte der evangelische | |
Wunsiedler Pfarrer Jürgen Schödel als einer der Mitveranstalter: „Denn bei | |
ihrem Marsch merken die Rechtsextremisten, dass sie damit eigentlich Geld | |
für die Aussteigerhilfe sammeln.“ | |
Allerdings verweist Schödel auch auf den ernsthaften Hintergrund des | |
Protests: Bei der angeblichen „Heldenverehrung“ gehe es tatsächlich um | |
Kriegstreiber und Massenmörder aus der Geschichte. „Und es sind | |
menschenverachtende geistige Brandstifter aus der Gegenwart, die durch ihre | |
Umtriebe für reale Brandstiftung, Mord und Totschlag bis hin zum | |
rechtsextremen NSU-Terrorismus verantwortlich sind.“ | |
## Protest seit 2004 | |
Der kreative Protest gegen Neonazis hat in Wunsiedel durchaus Tradition. | |
Über Jahre hinweg hatte die rechtsradikale Szene die kleine Stadt | |
regelmäßig in eine Art Geiselhaft genommen, wenn dort mit Kundgebungen und | |
Aufmärschen mit bis zu 4.000 angereisten Teilnehmern der | |
Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (1894-1987) gefeiert wurde. Nach seinem | |
Tod im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau war Heß im Familiengrab auf | |
dem Friedhof der Fichtelgebirgsstadt beigesetzt worden. | |
Im Jahr 2004 formierte sich auf Initiative der damaligen Wunsiedler | |
Jugenddiakonin Andrea Heußner ein zivilgesellschaftliches Bündnis gegen | |
Neonazis, das auf den Straßen einen symbolischen „Kehraus“ veranstaltete | |
und später den Todestag von Rudolf Heß zu einem bunten „Fest der | |
Demokratie“ umwidmete. Der Widerstand der Wunsiedler Bürger gegen die | |
Rechtsextremisten gilt inzwischen bundesweit als beispielhaftes Modell für | |
zivilgesellschaftliches Engagement. | |
Die Heß-Gedenkmärsche wurden 2008 durch ein höchstrichterliches Urteil des | |
Bundesverwaltungsgerichts gestoppt, das eine vom damaligen Wunsiedler | |
Landrat und Vizepräsident der bayerischen evangelischen Landessynode Peter | |
Seißer (SPD) angestoßene Gesetzesverschärfung wegen Volksverhetzung für | |
rechtmäßig erklärte. Beim alljährlichen „Heldengedenken“ gehört es des… | |
ausdrücklich zu den Auflagen, dass die Namen von Kriegsverbrechern wie | |
Rudolf Heß und Erich Priebke nicht genannt werden dürfen. | |
16 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.rechts-gegen-rechts.de/ | |
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