# taz.de -- 25. Jahrestag Gründung der Ost-Grünen: „Stasi-Spitzel waren mir… | |
> Vor einem Vierteljahrhundert enstand die erste Grüne Partei der DDR. | |
> Ernst Paul Dörfler schrieb einen Progammentwurf auf seiner | |
> Schreibmaschine. | |
Bild: Die Grüne Partei der DDR thematisierte, was es im Osten offiziell nicht … | |
taz: Herr Dörfler, vor genau 25 Jahren hat sich die Grüne Partei der DDR | |
gegründet. Sie waren Gründungsmitglied. Welche Erinnerungen haben Sie an | |
diesen Tag? | |
Ernst Paul Dörfler: Seit den achtziger Jahren habe ich mich im Umweltschutz | |
engagiert, also kam die Nachricht, dass sich in Berlin eine Umweltpartei | |
gründen will, auch bei mir in Steckby im heutigen Sachsen-Anhalt an. Am | |
Gründungstag lag in meinem Briefkasten ein Schreiben mit der eindringlichen | |
Aufforderung, dem Treffen fernzubleiben. Meine damalige Frau und | |
Mitstreiterin und ich fuhren trotzdem hin. Wir fuhren mit gemischten | |
Gefühlen. | |
Warum? | |
Mir war klar: Es muss eine Partei werden. Obwohl ich ganz tief in mir | |
sitzende Aversionen gegen Parteien und Parteistrukturen hegte. Aber die | |
Grünen im Westen, über die ich mich im Westfernsehen informiert hatte, | |
strahlten Sympathie aus. Ihr Anspruch an den Umweltschutz kam mir als | |
Ökologe entgegen. Diese Themen konnten die Grünen nur als Partei auf die | |
politische Bühne bringen. Die Flügelkämpfe zwischen Fundis und Realos | |
allerdings konnte ich schon damals nicht nachvollziehen. | |
So ganz einig waren sich die Ost-Aktivisten aber auch nicht. | |
Es gab eine lange Debatte darüber, ob überhaupt eine Partei gegründet | |
werden sollte. Matthias Platzeck zum Beispiel ... | |
... der spätere Umweltminister und Ministerpräsident Brandenburgs, heute | |
SPD-Mitglied, 1990 aber noch Bündnis 90/Die Grünen ... | |
... plädierte gegen eine Partei und für ein ökologisches Netzwerk. Das | |
wurde am selben Tag in einem anderen Raum auch gegründet. Die Grüne Liga | |
gibt es heute noch. | |
Die Ost-Grünen waren damals ein bunter Haufen aus Umwelt- und | |
DemokratieaktivistInnen, FrauenrechtlerInnen, FriedenskämpferInnen. | |
Die Umwelt- und Demokratiebewegung in der DDR kannte sich untereinander, | |
oft aber nur regional. Am Gründungstag sah ich plötzlich jede Menge | |
unbekannter Gesichter. Ob Stasi-Spitzel darunter waren, war mir egal. Die | |
Angst vor dem übermächtigen Staatsapparat war abgefallen und wir taten | |
etwas, was noch Monate zuvor undenkbar war: Wir gründeten einfach eine | |
Partei, und zwar eine, die das aufgriff, was in der DDR totgeschwiegen | |
wurde: Waldsterben, verdreckte Flüsse, Raubbau an der Natur. | |
Spielten über die Umweltthemen hinaus Demokratie- und Menschenrechtsthemen | |
eine Rolle? | |
Selbstverständlich. Trotzdem fand ich es wichtig, dass das Parteiprogramm | |
vor allem Umweltthemen aufgegriff. In Sachen Demokratie und Menscherechte | |
habe ich mich nicht als Meinungsführer verstanden. Da gab es Kompetentere | |
in den Reihen der Grünen. | |
Wollten Sie eine Vereinigung mit den Westgrünen? | |
Die Frage ist eher: Ab wann wurde darüber nachgedacht. Der erste | |
Programmentwurf vom Dezember 1989 stammte aus meiner Schreibmaschine, mit | |
zehn Durchschlägen, die ich mit der Post verschickt habe. Das Programm | |
hatte eine klare ostdeutsche Perspektive. Aber bald wurde deutlich, dass | |
das nicht so bleiben wird. Die gesamte gesellschaftliche Entwicklung ging | |
in Richtung Wiedervereinigung. Dafür musste man die politischen Spielregeln | |
kennen. Ich war immer dankbar für den Rat von Gleichgesinnten aus dem | |
Westen. | |
Schon bevor sich Ost- und Westgrüne 1993 vereinigten, befürchteten | |
Ostgrüne, in einer gemeinsamen Partei eine untergeordnete Rolle zu spielen. | |
Darüber habe ich mich nie beklagt. Es lag ja auch immer an uns, inwieweit | |
wir das Wort ergriffen haben. | |
Was haben Ostgrüne in die Gesamtpartei eingebracht? | |
Das ist schwer zu messen. Neben der Erfahrung des Scheiterns eines gesamten | |
gesellschaftlichen Systems haben wir vor allem Naturschutzkompetenzen | |
eingebracht. Das Tafelsilber der Deutschen Einheit, die Nationalparke und | |
Biosphärenreservate zwischen Elbe, Oder und Ostsee sind jetzt | |
gesamtdeutsches Naturerbe. Dieses Erbe haben wir vor allem der ostdeutschen | |
Umweltbewegung zu verdanken. | |
Am vergangenen Wochenende haben die Grünen einen Parteitag abgehalten. Wie | |
blicken Sie heute auf die Grünen? | |
Die Flügelkämpfe sind nicht mehr so abstoßend wie früher. Man geht | |
gesitteter miteinander um. | |
Die Grünen sind im Mainstream angekommen? | |
Im Mainstream lassen sich bei Wahlen mehr Prozente gewinnen. Derjenige | |
gewinnt, der den meisten Wohlstand verspricht. Das ist aber eine Täuschung, | |
die in einer Enttäuschung münden wird. Der große ökologische Umbau liegt | |
noch vor uns. Und der geht nur mit den Grünen. | |
Die Energiewende hat aber die CDU eingeleitet. | |
Nachdem die Grünen jahrzehntelang die Vorarbeit geleistet und Druck | |
aufgebaut haben. Sie sind nach wie vor die besten Ansprechpartner für | |
Umwelt- und Verbraucherschutzverbände, auf Landes- und Bundesebene. | |
Jedenfalls für mich und meine umweltpolitischen Aktivitäten. | |
25 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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