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# taz.de -- Gerd Müllers Zukunftscharta: Langer Weg zur Fairtrade-Feuerwehr
> Das BMZ legt einen Plan gegen weltweite Armut und Umweltzerstörung vor.
> Wunsch und Wirklichkeit widersprechen sich.
Bild: Bundeskanzlerin Angela Merkel bekommt von Ihrem Entwicklungshilfeminister…
BERLIN taz | Vier Kabinettsmitglieder sind da, Bill Gates klinkt sich mit
einer Videobotschaft ein: Als Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am
Montag in Berlin ein blaues Buch an die Bundeskanzlerin Angela Merkel
überreicht, mithilfe dessen er bis 2030 die Armut bekämpfen will, hagelt es
Komplimente. Die sogenannte Zukunftcharta soll auch als Blaupause für die
neuen Entwicklungsziele der UN dienen.
In dem Papier geht es um grundlegende Fragen: Wie soll eine nachhaltige und
gerechte Welt aussehen? Aber auch: Welche Verantwortung trägt Deutschland
in der Zukunft? Die Forderungen sind dort in acht Handlungsfelder
unterteilt. Doch an vielen Stellen klaffen Wunsch und Wirklichkeit noch
weit auseinander.
„Ein Leben in Würde weltweit sichern“, heißt es in dem Papier. Dabei geht
es vor allem um Armutsbekämpfung. Doch unter diesem Deckmantel unterstützt
das BMZ immer noch Konzerne wie Bayer und BASF dabei, sich neue Märkte für
Saatgut und Pestizide zu erschließen – anstatt Kleinbauern zu stärken, die
in Afrika laut Oxfam 80 Prozent des Lebensbedarfs decken. Oxfam hatte
bereit vor einem Jahr gefordert, die Verträge offenzulegen. Doch auf eine
erneute Anfrage vom 30. September 2014 antwortete das BMZ, die Bearbeitung
der Anfrage nehme noch Zeit in Anspruch.
„Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und menschenwürdiger Beschäftigung
verbinden.“ Hier steht es vorsichtshalber im Konjunktiv: „Nationale und
internationale Politik sollte gemeinsam mit Unternehmen darauf abzielen,
für alle Produktionsstandorte und entlang vollständiger
Wertschöpfungsketten die Einhaltung verbindlicher Regeln und Standards zu
gewähren.“
Denn in der Textilindustrie hatte das BMZ damit bisher keinen Erfolg: Ein
kürzlich gegründetes Bündnis aus Unternehmen, Gewerkschaften und
Nichtregierungsorganisationen sollte ein Siegel schaffen, das den
Verbrauchern zeigt, unter welchen Bedingungen Kleidung hergestellt wurde.
Doch bisher sind nur kleinere Textilfirmen dabei, die bereit auf Sozial-
und Umweltstandards achten.
Die wichtigsten Branchenverbände wollten nicht mitmachen. Bund, Länder und
Gemeinden könnten aber sogar selbst Druck machen, indem sie Feuerwehranzüge
oder Uniformen nicht nur nach Preis und Qualität auswählen, sondern auch
ökologische und soziale Kriterien einbeziehen.
„Menschenrechte und gute Regierungsführung fordern und fördern.“ Hier geht
es um „politische Entscheidungen mit Auswirkungen auf Entwicklungsländer.“
In Kolumbien führt der Abbau von Kohle zu Umweltzerstörung, Vertreibung und
Mord. Denn das südamerikanische Land ist der zweitgrößte Lieferant für
Steinkohle in Deutschland: Jede fünfte Tonne, die hierzulande in
Kraftwerken verfeuert wird, stammt von dort.
Die Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen haben die
Verletzung der Rechte der indigenen Bevölkerung dokumentiert, genauso wie
die Angriffe auf Gewerkschafter durch Milizen, die von Kohlekonzernen
finanziert werden.
Frieden schaffen, menschliche Sicherheit stärken. Zu den Forderungen zählt
auch, die deutsche Politik müsse sich dafür einsetzen, dass
„Rüstungsexporte in Dritt- und Entwicklungsländer besonders restriktiv
gehandhabt und bei Kriegs- und Kleinwaffen nur noch in Ausnahmefällen
genehmigt werden“.
Zwar hatte sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mehrmals gegen den
Export von Kampfpanzern nach Saudi-Arabien ausgesprochen, doch die CDU/CSU
hält nach wie vor an dem Deal fest – das steht zumindest in ihrem aktuellen
Forderungskatalog „Die Rüstungs- und Rüstungsexportpolitik den
Herausforderungen anpassen“.
Innovationen, Technologien und Digitalisierung für transformativen Wandel
nutzen. Weltweit verbesserten die Informations- und
Kommunikationstechnologien die „Beteiligung an politischer
Entscheidungsfindung“ und „Transparenz“, heißt es in dem Papier. Aber der
in den Produkten enthaltene Rohstoff Coltan wird vor allem im Kongo
abgebaut, wo bewaffnete Banden die Bevölkerung terrorisieren.
25 Nov 2014
## AUTOREN
Julia Maria Amberger
## TAGS
Entwicklungsministerium
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Gerd Müller
Oxfam
Ressourcen
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Energiewende
Entwicklungshilfe
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Nigeria
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