Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Owen Pallett auf dem Week-End-Festival: „Depression kann kreativ …
> Er machte den Soundtrack für Spike Jonzes Film „Her“. Der Violinist Owen
> Pallett über Pleiten dank Pop, queere Instrumentalmusik und gute Freunde
> nachts um drei.
Bild: Über Queerness: „Die schwulste Band der Musikgeschichte war zweifellos…
taz: Herr Pallett, Sie haben eine klassische Ausbildung als Musiker,
[1][Ihr Soundtrack] [2][http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE][3][für
Spike] [4][http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE][5][Jonzes Film
„Her“] war sogar für den Oscar nominiert. Bekannt geworden sind Sie aber
als Popmusiker, etwa bei The Arcade Fire. Was ist schwieriger: einen
Popsong zu komponieren oder einen Soundtrack?
Owen Pallett: Schwierig ist das falsche Wort, die Erwartungen sind
unterschiedlich. Songs zu schreiben ist manischer, kreativer. Wenn ich
einen Song geschrieben habe, spiele ich ihn meinen Freunden sofort am
Telefon vor. Von Soundtracks erzähle ich meistens nicht mal meinen Eltern
etwas. Finanziell gesehen sind Soundtracks aber eine sichere Bank, bei
Popsongs weiß man oft nicht, ob man am Ende dafür bezahlt wird. Ich arbeite
mittlerweile mehr an Soundtracks als an Popsongs. Es mag zynisch klingen,
aber ich war wegen meiner Popmusik zu viele Jahre lang entweder pleite,
krank oder hungrig, um damit wie bisher weiterzumachen.
Welche Herausforderungen bietet ein Soundtrack?
Das kommt drauf an, meistens geht es ums Geld. Man bekommt ein festes
Budget, und immer, wenn man die Musik häufig überarbeiten muss, bleibt
weniger davon übrig. Ich habe schon an Soundtracks gearbeitet, mit denen
ich am Ende kein Geld verdient habe. Das zu ändern ist eine Herausforderung
für mich. Musikalisch wäre es mir lieber, wenn ein Score mehr für sich
stehen könnte, so als wäre er ebenso wichtig wie ein Schauspieler. Meistens
soll ein Soundtrack nur die Lücken im Plot füllen und so den Cuttern und
dem Regisseur die Arbeit abnehmen. Oder er soll Emotionen transportieren.
Als Musiker mit klassischer Ausbildung haben Sie ein analytisches
Verhältnis zur Musik. Letztes Jahr haben Sie [6][Songs von Daft Punk und
Lady Gaga für das Onlinemagazin] [7][Slate] [8][musikwissenschaftlich
erklärt]. Wie fühlt es sich denn an, wenn Menschen Ihnen von den Emotionen
erzählen, die sie in Ihrer Musik zu hören meinen?
Das ist kompliziert. Wenn ich meine eigenen Alben anhöre, verstehe ich
einfach nicht, wie Leute meine Musik überhaupt mögen können. Die Musik, die
ich mache, ist ganz anders als die Musik, die ich am liebsten höre. Im
Moment höre ich viel elektro-akustische Musik, aber um diese zu
produzieren, fehlen mir einfach die nötigen Fähigkeiten. Ich lese aber
jeden Artikel, höre jeden Podcast und jede Radiosendung über mich, weil
mich interessiert, wie meine Musik wahrgenommen wird. Es gibt eine Menge
fast schon akademischer Artikel über meine Musik, in denen Autoren den
Zusammenhang von Texten und Harmonien herausarbeiten. Wenn sich mein
Publikum so viel Mühe macht, dann war meine Arbeit wohl ganz okay. Aber
manchmal ist es auch frustrierend, zum Beispiel wenn Autoren meine Musik
mit Musicals vergleichen.
Warum ärgert Sie dieser Vergleich?
Ich hasse Musicals, ich verachte sie. Ich finde es schrecklich, wenn Leute
finden, dass sie meine Musik nicht hören wollen, weil sie aus einer queeren
Perspektive geschrieben ist und sie sich nicht damit identifizieren wollen
oder können. Aber das ist natürlich ein Problem, das Frauen wohl schon seit
Jahrhunderten kennen. Ich würde mich einfach freuen, wenn die Leute sich
mehr hinterfragen würden.
Sie haben mal gesagt, Sie mögen es nicht, wenn Ihre Homosexualität mit
Ihrer Musik in Verbindung gebracht wird. Warum eigentlich nicht?
Ich bezeichne mich nicht mehr als schwul, sondern als queer. Das Zitat ist
auch aus einem alten Interview von 2005 und man muss es im Kontext sehen.
Damals musste man von Homosexualität singen, um als schwuler Musiker zu
gelten. Ich habe aber überwiegend instrumentelle Alben mit Elektronik und
Violine gemacht und wurde nicht so häufig zu Events der Gay-Community
eingeladen wie etwa die Hidden Cameras. Letztlich ging es mir darum, zu
zeigen, dass es auch queere Instrumentalmusik geben kann. Arca hat zum
Beispiel die queerste Platte der letzten Monate gemacht, ohne dass es
darauf einen Hinweis gäbe. Total Freedom oder Terre Thaemlitz machen
ebenfalls queere Musik, die elektronisch experimentiert und rein
instrumental ist.
Woher kommt diese Verbindung von experimenteller Musik und Queerness?
Auch 2014 werden queere Menschen noch mit bestimmten Erwartungen
konfrontiert, die sie zurückweisen müssen: Erwartungen an ein bestimmtes
Familienleben, an Partnerschaft und dergleichen. Das führt dazu, dass es
für sie naheliegend ist, viele Traditionen zurückzuweisen, auch
künstlerische. Aber es wäre natürlich lächerlich zu behaupten, dass
straighte Menschen keine experimentelle, queere Musik machen können. Die
schwulste Band der Musikgeschichte waren zweifellos Kraftwerk – und da war
kein einziger Schwuler dabei.
Auf Ihren eigenen Alben haben Sie immer codiert über Homosexualität
geredet, zum Beispiel mithilfe der Videospielserie „Final Fantasy“. Auf
Ihrem letzten Album, „In Conflict“, finden sich aber sehr persönliche
Texte. Warum?
Eigentlich wollte ich nur ein paar simple Songs schreiben, für die ich
nicht so lange brauche wie sonst. Also habe ich gedacht, ich erzähle aus
meinem Leben, was keine gute Idee war. Ein paar Tage nach Fertigstellung
eines Songs habe ich die Person aus diesem Song nicht mehr wiedererkannt.
Ich hatte heftige psychische Probleme, gleichzeitig wurde in den Medien
viel über Selbstmord unter queeren Jugendlichen geredet. Also habe ich mich
entschieden, ein Album zu komponieren über psychische Krankheiten und die
Schwierigkeit, in binären Oppositionen wie „queer/straight“ existieren zu
müssen.
Hat Ihnen die Musik bei der Bewältigung Ihrer Probleme geholfen?
Nein, überhaupt nicht. Musik zu komponieren ist nicht kathartisch für mich,
sondern eine Arbeit, die ihren Tribut von mir fordert. Ich leide unter
einer bipolaren Störung. Wenn ich manisch bin, schreibe ich viele Songs,
wenn ich depressiv bin, kann ich nicht arbeiten.
Was hat Ihnen denn dann geholfen? Medikamente?
Ich versuche Medikamente zu vermeiden, weil sie meine Kreativität
einschränken. Ich mache auch keine Therapie. Stattdessen habe ich mich mit
ein paar Freunden zusammengetan, die auch in Kreativjobs arbeiten. Wir
verstehen uns so gut, dass wir uns selbst nachts um drei anrufen können, um
uns gegenseitig zu beruhigen. Einige dieser Freunde haben mir schon mehrere
Male das Leben gerettet und sie haben mir versichert, dass ich das Gleiche
für sie getan hätte.
In einem Song reden Sie auch vom „Geschenk der Depression“. Was meinen Sie
damit?
Ich versuche mir deutlich zu machen, dass Depressionen auch ein Geschenk
sein können. Die tollsten Menschen, die ich kenne, haben meistens eine
unglaublich traumatische Erfahrung hinter sich. Das meine ich nicht
verherrlichend und wünsche es auch niemandem. Aber diese Traumata können
Menschen empathisch werden lassen oder sie produzieren deshalb Kunst, die
unglaublich schön ist. So etwas kann kreativ machen und deshalb würde ich
meine Depression auch am ehesten als Geschenk beschreiben wollen.
Am morgigen Samstag spielen Sie auf dem Week-End-Festival in Köln – einmal
mit Ihrer eigenen Band und dann als Teil eines Tributs an Brian Eno, mit
dem Sie auch schon zusammengearbeitet haben. Was bedeutet Ihnen die Musik
des britischen Künstlers?
Als ich zwölf war, habe ich sein Album „Taking Tiger Mountain (By
Strategy)“ in meiner Schulbibliothek gehört und war total angefixt. Eno ist
unglaublich, er hat das Genre Ambient erfunden, er hat den Harmonizer in
die Popmusik eingeführt, er hat viele tolle Alben produziert. Mir gefällt
aber seine Stimme am besten. Sie klingt sehr dünn, sehr unaufgeregt. Manche
Leute malen ein Gemälde mit ihrer Stimme, er füllt eine Tabelle damit aus.
Das hat mir sehr geholfen, weil ich ähnlich singe. Enos Stimme war für mich
eine Art Talisman, die mir geholfen hat, meine eigenen Songs zu singen.
Und worum geht es bei Ihrem Brian-Eno-Tribut?
Das verrate ich nicht. Aber ich habe einen neuen Drummer in der Band. Sein
Timing ist perfekt, er spielt fast wie ein Computer und er sieht aus wie
ein Muppet. Ich denke, meine deutschen Fans werden ihn mögen.
27 Nov 2014
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE
[2] http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE
[3] http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE
[4] http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE
[5] http://www.youtube.com/watch?v=RR2CgqdGSjE
[6] http://www.slate.com/articles/arts/culturebox/2014/03/lady_gaga_s_bad_roman…
[7] http://www.slate.com/articles/arts/culturebox/2014/03/lady_gaga_s_bad_roman…
[8] http://www.slate.com/articles/arts/culturebox/2014/03/lady_gaga_s_bad_roman…
## AUTOREN
Christian Werthschulte
## TAGS
Musik
Queer
Los Angeles
psychische Gesundheit
Dokumentarfilm
Arcade Fire
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Dream Pop“ von Hope Sandoval: Die Zeit anhalten
Tief einatmen, abtauchen, und dann erfrischt wieder hochkommen – eine
Annäherung an die Band Mazzy Star und ihre Sängerin Hope Sandoval.
Bahn-Managerin sucht Führungskräfte: Schön gestört
Eine Personalmanagerin der Deutschen Bahn findet, „zwanghafte“ Mitarbeiter
seien gut fürs Unternehmen. Geht’s noch?
Dokufilm über Zwangsstörung: „Das Zahlensystem ist wie ein Käfig“
Oliver Sechting muss ständig Zahlen, Farben und Formen kombinieren. In
seinem Film „Wie ich lernte, die Zahlen zu lieben“ thematisiert er diese
Zwänge.
Neue Pop-Alben aus Kanada: Wahnsinn und Gesellschaft
Kanada, Land der unbegrenzten Möglichkeiten: neue Pop-Alben von Owen
Pallett (Montréal), Kevin Drew und Fucked Up (beide aus Toronto).
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.