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# taz.de -- Bahn-Managerin sucht Führungskräfte: Schön gestört
> Eine Personalmanagerin der Deutschen Bahn findet, „zwanghafte“
> Mitarbeiter seien gut fürs Unternehmen. Geht’s noch?
Bild: Job bei der Bahn gefällig?
Die Personalmanagerin der Deutschen Bahn, Ursula Schütze-Kreilkamp, soll
dem Spiegel zufolge auf einer Schulungskonferenz einer Schweizer
Unternehmensberatung gesagt haben, dass sie für die Bereiche Finanzen und
Controlling „gerne Zwanghafte“ einstelle, „gerne mit einer schönen
Angststörung“, denn die seien „super pedantisch“. Außerdem könnten sie…
ganze Nacht nicht schlafen, weil die Zahlen nicht stimmen“.
Und wenn diese Mitarbeiter dann noch ethische Grundsätze einhielten, dann
wären ihre Arbeitgeber – „King Louie. Sie haben immer tolle Budgets und es
gibt wenig Ärger“, so zitiert der Spiegel Schütze-Kreilkamp weiter. King
Louie – zur Erinnerung – ist der Affenkönig aus dem Dschungelbuch.
Ursula Schütze-Kreilkamp ist seit zwei Jahren für die Rekrutierung von
Managern bei der Deutschen Bahn zuständig und Vizepräsidentin des
Bundesverbandes der Personalmanager. Auf Anfrage bei der Deutschen Bahn
heißt es, dass Schütze-Kreilkamp hier eine Publikumsfrage beantwortet habe.
Die Antwort sei beschreibend, aber nicht wertend gewesen, näher wolle sich
die Betroffene dazu nicht äußern. Auch die Bahn sehe keinen Anlass zu einer
detaillierten Stellungnahme, denn es handle sich hierbei nicht um ein
Rekrutierungskonzept des Unternehmens. Für die Konferenz aus dem Jahr 2013
sei sie außerdem nicht in ihrer Rolle als DB-Personalmanagerin angefragt
worden.
Ein Blick in ihren Lebenslauf verrät, dass die Personalmanagerin früher
unter anderem Fachärztin für Psychotherapie und psychosomatische Medizin
war. Dass sie von Unternehmensberatern eine Angststörung als
Wunschkriterium bei der Rekrutierung darstellt, irritiert umso mehr. Man
könnte jetzt wohlwollend annehmen, sie hätte das ironisch gemeint. Oder
überspitzt. Oder sie hätte eine Art Inklusionsversuch gestartet – so wie in
der IT-Branche, wo gerne auf die Talente von Autisten für anspruchsvolle
Programmierarbeiten zurückgegriffen wird.
## Von Spinnenphobie bis Panikattacke
Der Unterschied ist allerdings, dass Autismus eine angeborene Störung ist,
die nicht heilbar ist. Autisten kennen die Welt nur so. Menschen, die unter
einer Angststörung leiden, kennen die Welt auch ohne Angst.
Dass Angst kein schönes Gefühl ist, das eher lähmt, als hilft, das müsste
Ursula Schütze-Kreilkamp wissen. Dass Angststörung nur ein Oberbegriff ist
– von einer Spinnenphobie bis zur Panikattacke, kann man alles darunter
verstehen –, müsste sie auch wissen. Und dass eine Angststörung heilbar
ist, müsste sie ebenfalls wissen.
Ein Personalmanagement, das auf das Fortbestehen der Erkrankung eines
Mitarbeiters baut, ist alles andere als ethisch vertretbar. Es wäre ähnlich
verwerflich, unfruchtbare Mitarbeiter zu suchen, Magersüchtige in
Restaurants einzustellen, weil weniger Essen verschwindet, oder zu
versuchen, Menschen mit Schlafstörungen für die Nachtschichten zu gewinnen.
Wie genau Schütze-Kreilkamp ihre Äußerungen gemeint hat, kann sie nur
selbst beantworten. Dass sie sich dazu nicht äußern möchte und dass die
Videoaufzeichnung, aus der die Zitate stammen, aus dem Netz verschwunden
ist, trägt zur Klärung nicht bei.
Fakt ist, dass dem Spiegel keine falsche Zitierung vorgeworfen wird, das
bestätigte die Sprecherin der Deutschen Bahn. Und selbst wenn die Suche
nach psychisch Kranken zumindest bei der Deutschen Bahn nicht zur
Rekrutierungspraxis gehört, wirft die Angelegenheit nicht nur ein
schlechtes Licht auf Schütze-Kreilkamp, sondern stellt auch die Frage,
welche Geschmacklosigkeiten auf solchen Unternehmensberaterkonferenzen
sonst noch ausgetauscht werden.
15 Dec 2014
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
psychische Gesundheit
Deutsche Bahn
Angst
Personalpolitik
Deutsche Bahn
Musik
Psychotherapie
Psychische Erkrankungen
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