# taz.de -- Seelische Gesundheit: Verrückte Versorgung | |
> Der Bundesgesundheitsminister plant eine bessere Arztversorgung. In | |
> Bremen würden dafür Praxen abgebaut, vor allem bei den | |
> PsychotherapeutInnen. | |
Bild: Wer professionelle Hilfe von Psychotherapeuten braucht, muss darauf oft l… | |
Wochen, ja Monate muss man warten, für einen Termin bei eineR | |
PsychotherapeutIn. Das weiß, wer sich umhört oder selbst mal einen | |
Therapieplatz suchte. Die Psychotherapeutenkammer kann das mit Zahlen | |
bestätigen: In Bremen gibt es eine durchschnittliche Wartezeit von neun | |
Wochen für einen Ersttermin, sagt Präsident Karl-Heinz Schrömmgens. Dabei | |
wächst der Bedarf, auch durch eine zunehmende öffentliche Diskussion über | |
psychische Erkrankungen. Nun plant Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe | |
(CDU) ein „Versorgungsstärkungsgesetz“ – und die Bremer | |
Psychotherapeutenkammer schlägt deshalb Alarm: Bis zu 130 Praxen könnten | |
wegfallen. | |
Denn verbessern soll das Gesetz vor allem die Versorgung mit ÄrztInnen und | |
TherapeutInnen auf dem Land. In Städten wie Bremen aber gibt es offiziell | |
eine Überversorgung mit ÄrztInnen und zumindest auf dem Papier noch viel | |
mehr TherapeutInnen. Das Gesetz will das ausgleichen: Eine Praxis, die | |
schließt, soll künftig nicht neu ausgeschrieben werden. | |
Therapeutenkammer-Präsident Schrömmgens warnt schon jetzt vor einem „einen | |
schrittweisen Abbau“ von Kapazitäten. Es gebe 362 TherapeutInnen in der | |
Stadt, offiziell eine Überversorgung von 200 Prozent – aber eben nur auf | |
dem Papier, genauso wie in Verden, Delmenhorst, Diepholz oder der | |
Wesermarsch. | |
Dabei ergaben Studien, dass jeder dritte Deutsche innerhalb eines Jahres an | |
einer psychischen Störung leidet, aber davon nur etwa ein Drittel behandelt | |
wird. Für die Diskrepanz zwischen offizieller Versorgungsquote und realem | |
Bedarf hat die Bundespsychotherapeutenkammer eine Erklärung: Bei der | |
Bedarfsermittlung sei 1999 die Anzahl der vorhandenen Praxen zugrunde | |
gelegt und – anders als bei ÄrztInnen – auch die in den neuen Bundeslände… | |
eingerechnet worden. „In der DDR gab es praktisch keine Einzelpraxen, erst | |
recht keine Psychotherapiepraxen“, erklärt Rainer Richter, Präsident der | |
Bundestherapeutenkammer. Zudem hätten gut 5.000 TherapeutInnen ihre | |
Zulassung erst nach Festlegung der Bedarfszahlen erhalten. Das habe | |
statistisch zu einer Überversorgung geführt, der Bedarf sei „systematisch | |
heruntergerechnet“ worden, so Richter. „Völlig irrational“ sei es, nun m… | |
diesen Zahlen einen Abbau von Praxen zu begründen. Patienten wegschicken zu | |
müssen, gehöre „zu den unangenehmsten Dingen, die Sie zu erledigen haben“. | |
Ann Marini, Sprecherin des Spitzenverbands gesetzlicher | |
Krankenversicherungen hingegen sagt: Einfach mehr Therapeuten und Ärzte | |
zuzulassen, ginge zu Lasten der Beitragszahler, weil diese „ihre eigene | |
Nachfrage kreieren“ würden. „Real bräuchten wir eine bessere Verteilung. | |
Psychotherapeuten lassen sich nur in aus ihrer Sicht in attraktiven | |
Gebieten nieder.“ | |
„Blanker Unsinn“ ist das aus Sicht des Bremer Kammerchefs Schrömmgens. Zwar | |
säßen viele Bremer TherapeutInnen in Mitte, der Östlichen Vorstadt und | |
Schwachhausen – aber nur, „weil sie gern in dem Milieu arbeiten, aus dem | |
sie stammen“. Dass Therapeuten Privatpatienten stark bevorzugen, sei ein | |
Gerücht: Diese spielten in der psychotherapeutischen Praxis „eine geringe | |
Rolle“. | |
Ob die Zahl der Ärzte und TherapeutInnen in Bremen angemessen ist, will man | |
im Gesundheitsressort nicht kommentieren. Dies sei Sache der | |
Selbstverwaltungsgremien, also der Kammern und Krankenkassen, sagt der | |
Ressortsprecher. Allerdings: „Gerade im Bereich der Kinder und | |
Jugendpsychotherapeuten hören wir häufig, dass es in Bremen zu langen | |
Wartezeiten kommt. Inwiefern das ein Problem der Versorgung oder der | |
Inanspruchnahme ist, ist im Einzelfall schwer abzugrenzen.“ Grundsätzlich | |
aber begrüße Gesundheitssenator Schulte-Sasse (parteilos) das Bundesgesetz. | |
24 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Psychotherapie | |
Hermann Gröhe | |
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