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# taz.de -- Mafia-Strukturen in Rom: Gut geschmierte Politiker
> Kreditwucher, Geldwäsche, Bestechung. In Rom wurde ein Kartell
> zerschlagen, dem auch Gianni Alemanno angehörte. Er ist Ex-Bürgermeister
> und Ex-Faschist.
Bild: Mit Schärpe: 2009 war Gianni Alemanno noch Stadtoberhaupt.
ROM taz | Mit einer Großaktion zerschlug Roms Staatsanwaltschaft am
Dienstag ein Kartell von Berufsverbrechern, Politikern und Unternehmern. 37
Haftbefehle, dazu weitere 67 Ermittlungsbescheide: Die Staatsanwälte
ermitteln wegen Bildung einer mafiösen Vereinigung, wegen systematischer
Korruption, Kreditwucher, Geldwäsche.
Massimo Carminati heißt der Boss der Bosse am Tiber. Mit den
süditalienischen Mafia-Organisationen allerdings hat er nichts zu tun.
Stattdessen zog der 56-Jährige, der in den späten 70er Jahren erst als
Rechtsterrorist, dann als führendes Mitglied einer damals in Rom aktiven
Verbrecherbande Karriere gemacht hatte, genuin römische Mafia-Strukturen
auf. Und sein Clan war in den Jahren bis 2008-2013, als der Ex-Faschist
Gianni Alemanno den Bürgermeisterposten bekleidete, bestens mit der
Stadtspitze vernetzt. Der Chef der städtischen Müllabfuhr ebenso wie der
Chef einer kommunalen Gesellschaft, die einen großen Immobilienbesitz
verwaltet, standen auf seiner Payroll.
Aber auch engste Mitarbeiter des Bürgermeisters erhielten regelmäßig
„Zusatzeinkommen“ von bis zu 10.000 Euro monatlich. Im Gegenzug sorgten sie
dafür, dass städtische Großaufträge – bei der Müllabfuhr genauso wie für
das Management von Roma- oder Flüchtlingslagern – an Genossenschaften
gingen, die zu Carminatis Netzwerk gehörten. Neben dem Geld half auch immer
wieder die gemeinsame faschistische Vergangenheit. Die Folge: Jetzt wird
gegen Ex-Bürgermeister Alemanno ebenso wie gegen zahlreiche seiner
Gefolgsleute ermittelt.
Doch Carminati war durchaus in der Lage, über seinen ideologischen Schatten
zu springen. Sein wichtigster Kumpan heißt Salvatore Buzzi. Vorbestraft
wegen Totschlags, gründete Buzzi noch im Knapst seine erste Genossenschaft.
Mittlerweile kontrolliert er ein Genossenschaftsimperium von 1.000
Beschäftigten. „Mit Zigeuner- und Flüchtlingslagern lässt sich mehr Geld
verdienen als mit Drogen“, prahlte er in einem von den Staatsanwälten
abgehörten Telefongespräch.
## Für 150.000 Euro gekauft
Buzzis Image als „Linker“ erwies sich als sehr nützlich, als Alemanno im
Jahr 2013 die Wahlen verlor. Sofort knüpfte der Clan Kontakte in die neue
Stadtregierung unter dem linken Bürgermeister Ignazio Marino. Über Mirko
Coratti, Präsident des Stadtrats, weiß Buzzi in einem abgehörten Telefonat
zu berichten, „den hab ich gekauft, 150.000 Euro habe ich ihm versprochen“.
Die Schmiergelder flossen munter weiter, auch wenn Buzzi in einem anderen
Telefongespräch bilanzierte, „die Linken sind weniger diebisch als die
Rechten“. Und weiterhin erhielten die Genossenschaften die lukrative
städtischen Aufträge. Sorgen machten sie sich nicht: Auch der kommunale
Beauftragte für Korruptionsbekämpfung – er soll in den nächsten Tagen sein
Amt entzogen bekommen – war „Freund“ der mafiösen Seilschaft.
Vorerst sind weder Bürgermeister Marino selbst oder sein engsten
Gefolgsleute noch erst recht auf nationaler Ebene aktive Politiker in den
Skandal verwickelt. Doch dass in Italiens Hauptstadt wichtige Vertreter
nicht bloß der Rechten, sondern auch der Partei des Ministerpräsidenten
Matteo Renzi keine Scheu hatten, mit großkalibrigen Kriminellen
Korruptionsdeals zu schließen, dürfte Schockwellen in die gesamte
italienische Politik aussenden.
Schon heute ist die übergroße Mehrheit der Bürger überzeugt, dass sie von
einer ebenso unfähigen wie korrupten politischen Klasse regiert wird. Für
diese Überzeugung gibt es nun weiteres Anschauungsmaterial.
3 Dec 2014
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Rom
Mafia
Bürgermeister
Schwerpunkt Korruption
Matteo Renzi
Italien
Matteo Renzi
Mafia
Schwerpunkt Rassismus
Italien
Rom
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