# taz.de -- Studie zur Identität der Bevölkerung: Alle lieben Deutschland, fa… | |
> Die meisten Einwanderer fühlen sich heute „deutsch“. Aber wer geht als | |
> Deutscher durch? Laut einer Umfrage: Wer die Sprache spricht – aber nicht | |
> Muslim ist. | |
Bild: Alle lieben Schland. Fußballfans beim Public Viewing in Berlin. | |
BERLIN taz | Eine große Mehrheit von 85 Prozent der deutschen Bevölkerung | |
sagt: „Ich liebe Deutschland“. Betrachtet man mur die Deutschen mit | |
Migrationshintergrund, sind es immerhin 81 Prozent. Und 77 Prozent der | |
Einwanderer und ihrer Nachfahren sagt heute von sich, sie fühle sich | |
„deutsch“. Das ist das [1][Ergebnis einer repräsentativen Studie], die am | |
Mittwoch vom neu gegründeten Berliner Institut für empirische Integrations- | |
und Migrationsforschung (BIM) vorgestellt wurde. | |
„Immer mehr Menschen nehmen für sich in Anspruch, deutsch zu sein, auch | |
wenn ihre Namen anders klingen und ihre Vorfahren nicht immer hier lebten“, | |
fasst Naika Foroutan, stellvertretende Direktorin des BIM, diesen Befund | |
zusammen. Über 8.200 Menschen wurden telefonisch befragt, per Handy oder zu | |
Hause, gefördert wurde die Untersuchung von der Stiftung Mercator. Die | |
Studie mit dem Titel "Deutschland postmigrantisch" gibt Auskunft über das | |
Selbstbild der Deutschen und darüber, wen sie zur eigenen Nation dazu | |
zählen und wen nicht. | |
Wer aber ist Deutscher? Eine Mehrheit sagt: Wer die deutsche Sprache | |
spricht (97 Prozent) sowie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (79 | |
Prozent). Deutscher kann man also werden, die Herkunft spielt eine | |
geringere Rolle als früher. Aber nicht für alle: Eine nicht unerhebliche | |
Minderheit von 37 Prozent findet weiterhin, dass deutsche Vorfahren wichtig | |
seien. Über 40 Prozent sind der Meinung, man müsse akzentfrei deutsch | |
spreche können, und 38 Prozent schränken ein: Wer ein Kopftuch trage, könne | |
nicht deutsch sein. | |
Ein positives Nationalgefühl ist in allen politischen Lagern zu finden, bei | |
Anhängern der Linkspartei noch am wenigsten. Grundlage dafür ist die | |
Wiedervereinigung. Den Mauerfall nennen 49 Prozent der Befragten als das | |
historische Ereignis, welches das heutige Deutschland am stärksten prägt. | |
Den Zweiten Weltkrieg dagegen halten nur noch 16 Prozent, den Holocaust | |
sogar nur noch 0,5 Prozent für so zentral. | |
Das widerspricht der konservativen Klage, in Deutschland herrsche ein | |
negatives Verhältnis zum eigenen Land und dessen Geschichte vor. Glaubt man | |
der Umfrage, ist das Gegenteil richtig: von „deutschem Selbsthass“ findet | |
sich da keine Spur. Doch je ausgeprägter das Nationalgefühl desto mehr | |
Vorurteile gegenüber Muslimen findet man auch: Mehr als ein Viertel (27 | |
Prozent) der Befragten hält sie für aggressiver, ein Drittel (30 Prozent) | |
für weniger bildungsorientiert. | |
## Kein Teil des „deutschen Wir“ | |
Die Redewendung „Wir Deutschen“ oder „die deutsche Bevölkerung“ wird v… | |
Prozent als Gegensatz zu „muslimisch“ oder „Muslimen“ verstanden. Die | |
größte religiöse Minderheit in der BRD wird damit aus dem „deutschen Wir“ | |
ausgeschlossen, sagt Naika Foroutan. Dabei schätzen zwei Drittel aller | |
Befragten ihr Wissen über Muslime als eher bis sehr gering ein. 44 Prozent | |
beziehen es aus dem Fernsehen, 39 Prozent aus Zeitungen und Zeitschriften, | |
43 Prozent allerdings auch aus Gesprächen mit Muslimen. | |
Je mehr und häufigere Kontakte die Befragten mit Muslimen haben desto | |
weniger Vorurteile besitzen sie. Je weniger sie wissen, umso bedrohlicher | |
empfinden sie Muslime und überschätzen ihren Anteil an der Bevölkerung, der | |
real bei rund vier Prozent liegt. | |
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, die im | |
Kuratorium des BIM sitzt, nennt die verbreiteten Vorurteile gegen Muslime | |
eine Gefahr. Aus solchen „falschen wie einfachen Bildern“ versuchten | |
rechtspopulistische Parteien Kapital zu schlagen. „Deshalb müssen wir alle | |
– auch und insbesondere die Politik – den falschen Bildern, den Vorurteilen | |
und Stereotypen entschieden entgegentreten“, so Özoguz. | |
3 Dec 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://junited.hu-berlin.de/deutschland-postmigrantisch-1/ | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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