# taz.de -- Joanna Hoggs neuer Film „Exhibition“: „Das konnte ich spüren… | |
> Die Hauptfigur des Films „Exhibition“ ist ein Wohnhaus. Ein Gespräch mit | |
> der Regisseurin Joanna Hogg über Liebe in Wänden. | |
Bild: Ein Mann, eine Frau, ein Haus: Liam Gillik und Viv Albertine kämpfen fü… | |
taz: Frau Hogg, wie in Ihren Filmen „Unrelated“ und „Archipelago“ | |
beschäftigen Sie sich in „Exhibition“ mit den persönlichen Beziehungen und | |
Problemen eines bestimmten Bürgertums. Was interessiert Sie an der Analyse | |
dieser Spezies? | |
Joanna Hogg: Mir geht es nicht vorrangig um das Porträt einer bestimmten | |
Klasse, sondern vielmehr darum, wie bestimmte Menschen – oder Spezies, wie | |
Sie sagen – leben und handeln. Meine Filme sind zwar nicht autobiografisch, | |
aber ich bin nun mal auf eine bestimmte Art und Weise aufgewachsen. Es | |
interessiert mich, wie bestimmte Familien oder Paare funktionieren und mit | |
welchen Codes und Geheimnissen sie operieren. Meine filmischen Porträts | |
begreife ich dabei aber weniger als sozialen Kommentar oder eine Form von | |
sozialem Realismus, sondern vielmehr als persönliche Beobachtungen. | |
Ich war als Kind sehr schüchtern und habe an der Welt es Bürgertums wenig | |
teilgenommen und sie stattdessen beobachtet. „Unrelated“ entstand aus | |
meinem Interesse, eine bürgerliche Großfamilie zu porträtieren. Schon beim | |
Schreiben des Buchs war mir damals klar, dass ich für meine Art, auf diese | |
Menschen zu gucken, viel Kritik einstecken würde. Ich hatte aber das | |
Gefühl, dass dieses Bürgertum im Kino entweder nicht vorkam oder aber nicht | |
realistisch dargestellt würde. Die Menschen waren entweder Karikaturen oder | |
vollkommen missverstandene Figuren. | |
Ich wollte mich ihnen mit mehr Anteilnahme nähern, weil ich mich sehr für | |
die Menschen und weniger für ihre Klasse interessiere. Bei „Exhibition“ | |
geht es um die Beziehung vom einem Künstler und einer Künstlerin, die für | |
mich auf eine bestimmte Art klassenlos sind. Sie gehören gewissermaßen | |
einer anderen Spezies an. Ich wollte mich bei diesem Film vom Label der | |
Klasse befreien, aber natürlich bringt das Haus, in dem ein Großteil des | |
Films spielt, diese Kategorie zurück ins Spiel. | |
Die Hauptfigur in „Exhibition“ ist das Haus des Architekten James Melvin, | |
gegen das die Figuren anspielen, aber auch ankämpfen müssen. Nur durch das | |
Zerstören einer Miniatur gelingt ihnen am Ende dieser Kampf. Wie castet man | |
so ein Haus und wie sehr hat es die Geschichte des Films bestimmt? | |
Das Haus hat den kompletten Film bestimmt, und alle Ideen des Films gehen | |
auf das Haus zurück. Ich habe das Haus und seinen Architekten zum ersten | |
Mal Anfang der 90er Jahre getroffen, und so wurden wir – der Architekt, das | |
Haus und ich – Freunde. Für mich strahlt das Haus sehr viel Wärme aus, | |
obwohl viele, die den Film gesehen haben, ihm eine große Kälte attestieren. | |
Viele sehen das Haus als Symbol der Entfremdung, aber das ist ein Klischee | |
modernistischer Architektur. | |
So wie „D“, die Figur aus dem Film, es einmal ausdrückt, war es für mich | |
auch – von diesen Wänden geht etwas aus. Ich will nicht wie ein Hippie | |
klingen, aber für mich geht von diesen Wänden ein Gefühl von Liebe aus. | |
James Melvin hatte das Haus damals für sich und seine Frau gebaut, und das | |
konnte ich gewissermaßen spüren. | |
Ihre Filme weisen auf unterschiedliche Art über das Medium Film hinaus und | |
haben oft Anleihen an anderen Kunstformen. Bei „Exhibition“ spielt neben | |
Architektur auch Performance Art eine Rolle – sowohl in alltäglichen | |
Bewegungen als auch in der filmischen Orchestrierung der Sexszenen. Geht es | |
Ihnen immer auch darum, andere Kunstformen in Ihre Filme zu integrieren? | |
Zum Filmemachen kam ich über die Fotografie und habe zudem nach der | |
Hochschule mit Malerei begonnen. Obwohl das für die Entstehung von | |
„Exhibition“ für mich keine bewusste Rolle gespielt hat, haben mich andere | |
Kunstformen immer auch interessiert. Das Haus in „Exhibition“ wurde für | |
mich aber schnell zu einer Theaterbühne, auf der die beiden Figuren | |
spielen. | |
Ich wollte die Choreografie zweier Menschen in einem Haus darstellen – eine | |
Art Liebesgedicht an das Haus, erzählt durch die Bewegungen einer Ehe. Es | |
war klar, dass Performance Art die beste Verbindung sein würde, nicht | |
zuletzt um die Grenzen zwischen Arbeit und Leben innerhalb des Hauses | |
durchlässig zu machen. Teil des Problems mit dem Haus ist, dass man nicht | |
weiß, was man darin machen soll. Man kann schwer darin arbeiten und schwer | |
darin leben – alles ist eine Herausforderung. | |
Die Handlung des Films wird immer wieder von solchen performativen und oft | |
surrealen Szenen unterbrochen, etwa wenn das Paar in einem Londoner Theater | |
eine Podiumsdiskussion zu ihrer Beziehung führt. Stehen solche Momente | |
schon vorher im Drehbuch fest? | |
Beim Schreiben gibt es für mich immer verschiedene Phasen, an deren Ende | |
aber nie ein konventionelles Drehbuch herauskommt. Viele dieser Szenen habe | |
ich schon vorher im Kopf, ohne genau bestimmen zu können, wo im Film ich | |
sie einsetzen möchte. | |
Daneben gibt es allerdings auch bestimmte Handlungsstränge, die eine | |
fortlaufende Geschichte beschreiben. Manchmal habe ich am Vortag Szenen | |
bereits ausgeschrieben, aber im Endeffekt war es mir wichtig, dass der Film | |
fragmentarisch bleibt und keine zu lineare Form erhält. | |
13 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Toby Ashraf | |
## TAGS | |
Filmkritik | |
Drama | |
Film | |
Spielfilm | |
Spielfilm | |
Filmfestival | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„The Souvenir – Part II“ im Kino: Der Film als Film im Film | |
Mit „The Souvenir – Part II“ setzt Regisseurin Joanna Hogg ihre | |
autobiografische Erinnerung an die Achtziger fort. Sie tut es in | |
verschachtelter Form. | |
Spielfilm „The Souvenir“ im Kino: Wahrer geht es nicht | |
Der Spielfilm „The Souvenir“ fragt auf unangestrengte Weise nach der | |
Wirklichkeit von Erinnerung. Fiktion und Realität treten darin in einen | |
Dialog. | |
Filmfestival von Locarno: Casanova in den Karpaten | |
Das Festival von Locarno hat einen neuen Leiter, Carlo Chatrian. An der | |
Offenheit für Filme experimentelleren Zuschnitts hat sich nichts geändert. |