# taz.de -- Frieden mit M23-Rebellen: Stillgestanden im Kongo | |
> Die Friedensvereinbarung zwischen Regierung und M23-Rebellen jährt sich. | |
> Doch das Schicksal der geflohenen Tutsi-Aufständischen ist völlig offen. | |
Bild: M23-Rebellen im Ostkongo, im November 2012. | |
KAMPALA taz | Mit seiner sechsjährigen Tochter sitzt Bertrand Bisimwa in | |
einem Gartenrestaurant in Ugandas Hauptstadt Kampala. Genau ein Jahr, | |
nachdem der Präsident der kongolesischen Rebellengruppe M23 (Bewegung des | |
23. März) seine Unterschrift unter die „Erklärung von Nairobi“ setzte, die | |
den Krieg in seiner Heimat Ostkongo beenden sollte, sagt er: „Wir sind | |
immer noch am Nullpunkt.“ | |
Achtzehn Monate lang hatte die M23 im Ostkongo die Regierung bekämpft, | |
zeitweise sogar die Provinzhauptstadt Goma besetzt. Schließlich zog eine | |
neue UN-Eingreiftruppe mit Kampfhubschraubern und Scharfschützen gegen sie | |
ins Feld, Schulter an Schulter mit Kongos Armee. Im November 2013 gab sich | |
die M23 geschlagen. Sie zog sich ins Nachbarland Uganda zurück. Seitdem | |
leben Bisimwa und der Militärführer der M23, General Sultani Makenga, in | |
Kampala in einem Mittelklassewohnviertel auf einem Hügel. | |
Am 12. Dezember 2013 mündeten zähe Verhandlungen zwischen M23 und Kongos | |
Regierung in der Unterzeichnung mehrerer „Erklärungen“ in Kenias Hauptstadt | |
Nairobi. Keine der beiden Seiten wollte von „Abkommen“ oder gar | |
„Friedensvertrag“ sprechen – das Misstrauen war zu groß. In ihrer Erklä… | |
sicherte die M23 zu, den bewaffneten Kampf aufzugeben und eine politische | |
Partei zu gründen. | |
Sie versprach, dass sich die rund 1.600 M23-Kämpfer unter einem | |
Amnestiegesetz ins zivile Leben des Kongo integrieren würden. Auf ihrem | |
Papier sagte Kongos Regierung zu, gefangene M23-Kämpfer freizulassen, ein | |
Amnestiegesetz zu verabschieden sowie ein Demobilisierungsprogramm | |
einzurichten. | |
## Gerüchte von verschwundenen Kämpfern | |
Ein Jahr später ziehen alle Seiten Bilanz, und die sieht nicht gut aus. | |
Kongos Regierung hat eine Delegation nach Kampala entsandt, um die M23 nach | |
Hause zurückzuholen, wie Delegationsleiter François Muamba verkündete. Die | |
Delegation besichtigte die Waffen, die die M23 bei ihrem Rückzug aus dem | |
Kongo nach Uganda mitgenommen hatte. | |
Sie besuchten die 1.430 M23-Kämpfer, die seit über einem Jahr in einer | |
ugandischen Militärkaserne im Ort Bihanga im Westen des Landes | |
untergebracht sind. Immer wieder gab es Gerüchte, Kämpfer würden von dort | |
verschwinden, eventuell sogar für den nächsten Krieg rekrutiert. M23-Chef | |
Bisimwa streitet dies ab: „Ich hoffe, die Delegation wird unsere Männer | |
zählen. Sie werden sehen: Sie sind alle da!“ | |
Auch Ugandas Regierung hat angekündigt, man wolle die M23 bis Jahresende | |
nach Hause schicken. Zumindest diejenigen, die Straffreiheit bekommen | |
haben. Kongos Justizminister hat rund 400 M23-Kämpfern und zivilen Kadern | |
Amnestie erteilt. | |
Und der Rest? „Man sagte uns, die Übrigen würden nicht als Kongolesen | |
betrachtet, sie dürften nicht zurück“, sagt Bisimwa und zuckt ratlos mit | |
den Schultern. Er hat mit Kongos Regierungsdelegation keinen direkten | |
Kontakt. Die beiden kongolesischen Parteien sprechen nur mit den | |
ugandischen Vermittlern. | |
## Viele studieren bereits | |
Was jetzt mit den M23-Kämpfern in Uganda passiert, ist also unklar. Ugandas | |
Außen- und Verteidigungsminister sagen, sie müssten gehen. Ugandas | |
Präsident Museveni hat aber jüngst den M23-Mitgliedern offiziellen | |
Flüchtlingsstatus versprochen. Damit wären sie vor Zwangsrückführung in den | |
Kongo geschützt. Mit Asylstatus könnten die M23 auch die Militärkaserne | |
verlassen und sich frei in Uganda niederlassen, sogar arbeiten. Viele der | |
jüngeren Kämpfer studieren bereits in Kampala. „Ich hoffe, Museveni wird | |
uns die Wahl überlassen, ob wir zurückkehren“, sagt Bisimwa. | |
Kongos Regierungsdelegation wird dieser Tage auch Ruanda besuchen. Dorthin | |
hatten sich im Frühjahr 2013 bei einer Spaltung der M23 rund 700 Rebellen | |
zurückgezogen. Sie hausen seitdem in einer alten Kaserne unter Aufsicht von | |
Ruandas Armee. | |
Sollten die M23-Kämpfer tatsächlich in den Kongo zurückgebracht werden, | |
könnten sie sich nicht frei bewegen. Sie wären demobilisierte Rebellen und | |
würden zunächst in den Kasernen von Kamina in Katanga landen. Eine | |
UN-Delegation hat die Einrichtung bereits begutachtet. In anderen Kasernen | |
Kongos sind in den vergangenen Monaten demobilisierte Milizionäre | |
verhungert. Auch eine Sorge, die Bisimwa umtreibt: „Wollen sie uns dort | |
einfach sterben lassen?“, fragt er. Dann bestellt er seiner Tochter noch | |
eine Limo. | |
11 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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