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# taz.de -- Tiere in Gefangenschaft: Eingepfercht hinter Glas oder Gittern
> In Zoos und Aquarien ist eine artgerechte Haltung nicht möglich. Viele
> Tiere sind traumatisiert, da auch ihre Sozialverbände aufgelöst wurden.
Bild: Ein Leben in Gefangenschaft: Elefanten im Zoo.
MÜNCHEN taz | Befreit die gefangenen Elefanten und Orcas! Das ist nicht nur
die Forderung von Tierschützern, sondern die Überschrift eines im Frühjahr
erschienenen [1][Leitartikels in der Zeitschrift Scientific American.] Die
Argumentation der Redakteure: Diese Tiere haben einen so komplexen
Sozialverband, dass sie in Zoos und Delfinarien erheblich litten.
Eine Orca-Mutter bleibt etwa mit ihren Jungen ein ganzes Leben zusammen,
begleitet oft bis zu vier nachfolgende Generationen. Diese sogenannten
Delfinschulen haben ihren eigenen Dialekt, vereinen sich in Clans und
bilden ganze Stämme und Nationen. Bei der Jagd kooperieren die Schwertwale.
Sie machen etwa gemeinsam Wellen, um Robben von ihren Eisschollen
herunterzuschubsen.
Auch bei Elefanten gibt es solche Sozialverbände. Stirbt ein Mitglied der
Herde, trauern die Tiere sogar: So hat der britische Zoologe und
Dokumentarfilmer Iain Douglas-Hamilton in [2][Kenias Samburu National
Reserve] beobachtet, wie Elefanten eine verstorbene Matriarchin immer
wieder besuchten, ihren Körper berührten und mit Zweigen bedeckten.
Elefanten empfinden zudem Empathie, sie trösten Artgenossen, wenn sie Angst
haben.
Durch Gefangenschaft werden diese Familienbande jedoch zerstört. In den
vergangenen Jahren sind immer wieder Vorfälle wie Orca tötet seinen Trainer
bekannt geworden.
Auch Elefanten zeigen immer häufiger aggressives Verhalten, wie man es
bislang nicht von den Dickhäutern kannte. So sterben rund 500 Menschen pro
Jahr durch eine Elefantenattacke. In einem afrikanischen Nationalpark haben
Elefanten sogar mehrere Nashörner ohne Grund angefallen. Es kam vor, dass
Zoo-Elefanten ihre Jungen oder den Wärter töteten.
## Zunehmende Wilderei
Verhaltensbiologen um [3][Gay A. Bradshaw] von der Oregon State University
haben bereits 2005 in einem in der [4][Fachzeitschrift Nature] erschienenen
Artikel vermutet, dass dies einerseits Folge der brutalen und anhaltenden
Jagd auf Elfenbein ist. Laut der Welt-Naturstiftung (WWF) wird Afrika
derzeit von einer Wildereikrise gebeutelt, die Elefanten und Nashörner
massiv bedroht. Jährlich werden rund 22.000 Elefanten wegen ihrer Stoßzähne
erlegt, vor allem ältere Tiere, die den jüngeren als Vorbild dienen.
Anfang des 20. Jahrhunderts lebten noch drei bis fünf Millionen Elefanten
in Afrika, derzeit sind es nur noch 500.000 Tiere. In der ostasiatischen
Kultur gilt Elfenbein als Statussymbol, auf dem Schwarzmarkt werden hohe
Preise erzielt. George Wittmyer, Naturschutzbiologe an der Colorado State
University, legte kürzlich eine Studie vor, laut der viele
Elefantenpopulationen auf dem afrikanischen Kontinent in 10 Jahren
ausgelöscht sein könnten.
## Aggressive Tiere
Aber auch die Unterwerfungsrituale, die für Zoos bestimmte Elefanten vor
allem früher über sich ergehen lassen mussten, sind verstörend. Tiere seien
durch diese Gewalt traumatisiert und zeigten regelrechte Posttraumatische
Belastungsstörungen, so schreibt Bradshaw. Das alles mag reichlich
anthropozentrisch klingen, doch bislang gibt es keine andere plausible
Erklärung für die derzeit beobachtete Aggression der Tiere.
Tiere in Gefangenschaft sind dann nicht nur von ihrer Herde getrennt, sie
sind auch in ihrem Radius extrem beschnitten und werden oft übergewichtig
oder unfruchtbar. Viele zeigen Stressreaktionen wie ruckartige
Kopfbewegungen oder laufen rastlos in ihrem Käfig auf und ab. Schwertwale
beginnen an ihrem Pool zu knabbern.
Tierschützer fordern darum, die jüngeren Tiere freizulassen, den älteren
Orcas sollte man eine Art betreutes Wohnen in Lagunen ermöglichen, also mit
Fütterung, wenn sie nicht mehr jagen können. Ebenso sollten zumindest die
Elefanten freigelassen werden, die noch eine Chance auf Überleben in der
Natur haben, finden die Redakteure des Scientific American. In den USA, in
Kanada und Indien haben große Zoos bereits ihre Elefantenhäuser
geschlossen.
## Fragwürdige Wiederaussiedlungsprojekte
Das Argument, dass Zoos und Aquarien einen Bildungsauftrag haben und dazu
beitragen, dass Menschen Empathie für die Tiere und die Umwelt entwickeln,
wiege nicht so viel wie das Leiden der Tiere. Die Wissenschaftsjournalisten
plädieren auch dafür, dass Captive Breeding Programs beendet werden, die
viele Zoobefürworter für notwendig halten, um vom Aussterben bedrohte Arten
zu erhalten. Bei solchen Programmen wachsen Tiere einige Jahre im Zoo auf
und werden dann freigelassen.
Auch beim [5][Internationalen Tierschutz-Fonds (IFAW)] sieht man die
Zoohaltung von Elefanten wegen ihres hohen Bedarfs an sozialem Austausch,
an Bewegung und Beschäftigung mit Artgenossen und der Umgebung kritisch:
„So wie Elefanten in der Mehrheit der Zoos heute noch gehalten werden,
lehnen wir es ab. In manchen Zoos werden Elefanten beispielsweise nachts
noch angekettet“, sagt Kampagnenleiter Robert Kless. Delfinarien lehnen die
Tierschützer dagegen rundweg ab. „Man kann in diesem Fall die
Gefangenschaft nicht so gestalten, dass es artgerecht ist“, sagt Kless.
Die neue angelsächsische Tierrechtsbewegung Animal Rights, der auch die
Wissenschaftlerin Bradshaw angehört, lehnt auch Zoos ab. Tiere seien
fühlende Wesen und dürften gar nicht vom Menschen genutzt werden, egal ob
als Zooattraktion, Milchkuh oder Versuchstier. Auch artgerechte Haltung
spiele dabei keine Rolle.
14 Dec 2014
## LINKS
[1] http://www.scientificamerican.com/article/free-elephants-orcas-captivity/
[2] http://samburucouncil.com/reserves.htm
[3] http://releasechimps.org/about/bio/bradshaw-gay
[4] http://www.nature.com/nature/journal/v433/n7028/index.html
[5] http://www.ifaw.org/deutschland/frontpage
## AUTOREN
Kathrin Burger
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