# taz.de -- Sicher im Netz für Jugendliche: Facebook vergisst nichts | |
> Der Verein Digitale Gesellschaft redet mit Jugendlichen über Datenschutz | |
> und erntet Erstaunen. Denn die jungen Leute wollen mit Likes berühmt | |
> werden. | |
Bild: Haben alle den Durchblick bei Facebook? | |
BERLIN taz | Wer nutzt Snapchat, WhatsApp, Facebook? Die Jugendlichen heben | |
die Hand. Sie sind zwischen 12 und 17 Jahren alt. Im Café Via vom Weddinger | |
Jugendmigrationsdienst treffen sie sich fast täglich nach der Schule, | |
machen Hausaufgaben. Doch heute gibt es Programm. Das Thema: Privatsphäre | |
im Internet, organisiert vom netzpolitischen Verein Digitale Gesellschaft. | |
Handyanwendungen, mit denen man Nachrichten, Fotos oder Videos verschicken | |
kann, benutzt jeder der rund 15 Jugendlichen. Die Funktionsweisen der Apps | |
unterscheiden sich im Detail. Gemein ist ihnen jedoch, dass sie Daten | |
abgreifen. Den Jungen und Mädchen soll vermittelt werden, dass das auch | |
gefährlich für sie sein kann. | |
Es ist die erste Beratung der Digitalen Gesellschaft im Rahmen des Projekts | |
„Sicher und bewusst im Netz“, das vom Senat gefördert wird. Ziel ist es, | |
bei den Jugendlichen im Wedding „den bewussten und verantwortungsvollen | |
Umgang mit neuen Medien und sozialen Netzwerken zu fördern“, so der | |
Auftrag. | |
Partyfotos auf Facebook, die öffentlich sind, könnten schließlich spätere | |
Arbeitgeber sehen. Auch wenn man einstellt, dass nur Freunde die | |
hochgeladenen Fotos anschauen können, sind die Daten noch lange nicht | |
privat. Freunde können die Fotos teilen oder speichern und woanders | |
veröffentlichen – oder sie Eltern oder Lehrern zeigen. | |
## Hunderte Freunde auf Facebook | |
„Mit Lehrern sollte man niemals auf Facebook befreundet sein“, sagt Samuel, | |
der in der ersten Reihe sitzt, „aber meinen Kumpels vertraue ich, die kenne | |
ich doch“. „Wie viele Freunde hast du denn auf Facebook?“, fragt Alexander | |
Sander von der Digitalen Gesellschaft zurück. Alle lachen – es ist üblich, | |
mit mehreren Hundert Menschen befreundet zu sein. Samuel schätzt, nur so 15 | |
Prozent sind seine engen Freunde. Sander und seine Kollegin machen klar: | |
Darauf zu vertrauen, dass alle anderen heikle Fotos nicht auch mal gegen | |
einen verwenden, ist leichtsinnig. | |
Die Digitale Gesellschaft, die das Projekt organisiert, ist ein Verein mit | |
Sitz in Mitte, der sich für „verbraucherfreundliche Netzpolitik“ einsetzt, | |
also für Datenschutz und Privatsphäre im Internet. Neben den zwei | |
hauptamtlichen Mitarbeitern hat der Verein rund 40 Mitglieder. Zu tun gibt | |
es genug: 27 Millionen Deutsche nutzen Facebook, über 32 Millionen | |
WhatsApp. | |
Insgesamt soll das Projekt im Wedding drei Jahre laufen. Alexander Sander | |
und seine Kollegen wollen dabei herausfinden, was den Jugendlichen wichtig | |
ist. Darauf haben Samuel und die anderen im Café Via eine klare Antwort: | |
Likes sammeln – sie wollen bekannt werden mit ihren Fotos. | |
Die eigenen Bilder im Netz verbreiten und gleichzeitig die Privatsphäre | |
schützen funktioniert bei den Jugendlichen bislang eher nicht. Immerhin: | |
Wenn sie sich schreiben, machen sie das vor allem via Privatnachricht oder | |
WhatsApp, damit die anderen nicht mitlesen können, erzählen die | |
Jugendlichen. „Aber wenn ihr eine Nachricht löscht, ist die nicht | |
gelöscht“, wendet Susanne Eiswirt von der Digitalen Gesellschaft ein, | |
„Facebook hat die immer noch.“ Die Reaktion: Erstaunen. | |
## Vermittlung von Medienkompetenz | |
„[1][Sicher und bewusst im Netz]“ ist nur eines von vielen Projekten zum | |
Thema Medienkompetenz in Berlin. Einige davon sind unter | |
[2][jugendnetz-berlin.de] zusammengefasst. In jedem der zwölf Bezirke ist | |
beispielsweise eine Jugendeinrichtung als Medienkopetenzzentrum | |
ausgewiesen. | |
Sie alle werden von der Senatsverwaltung für Jugend gefördert und sollen | |
mit Kitas und Schulen zusammenarbeiten. Zwar wird die Vermittlung von | |
Medienkompetenz auch in den Schulen immer wichtiger, doch angesichts der | |
schnellen Entwicklungen, welche App gerade populär ist und wie Facebooks | |
Nutzungsbedingungen aktuell aussehen, ist die Vermittlung vor allem vom | |
Engagement der Lehrer abhängig. | |
Im Café Via erzählen die Dozierenden von der Digitalen Gesellschaft, dass | |
Facebook 2013 insgesamt 1,5 Milliarden Dollar Gewinn gemacht hat. Sie | |
fragen in die Runde, woher Facebookgründer Marc Zuckerberg das ganze Geld | |
bekomme, wenn doch keiner der Nutzer für Facebook zahlt? „Die machen das | |
Geld mit euren Daten – alles was ihr auf Facebook tut, wird ausgewertet“, | |
so die Aktivisten. Alle reden durcheinander. | |
„Ist Marc Zuckerberg einverstanden, dass die das machen?“, will einer der | |
Jugendlichen wissen. „Ja.“ Ungläubig fragt er nach: „Sicher?“ Ein ande… | |
fragt: „Woher wisst ihr das?“ Eiswirt und ihr Kollege erklären, dass das in | |
den Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehe, die nur keiner lese. Und das | |
machten nicht nur Facebook und Google, sondern auch alle anderen so. 71 | |
Prozent der kostenlosen Android-Apps und 32 Prozent der kostenlosen | |
iPhone-Apps übertragen laut einer Studie des österreichischen | |
Forschungsinstituts „Cracked Labs“ persönliche Daten für Werbung. Mehr als | |
die Hälfte speichere den Standort. Die Jugendlichen sind platt. Sie ziehen | |
ihre Handys aus der Tasche, um die Privatsphäreeinstellungen bei Facebook | |
zu ändern. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde die Digitale | |
Gesellschaft mit folgender Aussage über Facebook zitiert: „Die verkaufen | |
eure Daten an jeden, der sie will.“ Auf Wunsch der Digitalen Gesellschaft | |
wurde dieses unautorisierte Zitat geändert. | |
15 Dec 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://dein-netz.org/ | |
[2] http://jugendnetz-berlin.de | |
## AUTOREN | |
Svenja Bednarczyk | |
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