# taz.de -- Studie zu Messengerdienst WhatsApp: Gläsern chatten | |
> Forscher sammeln unbemerkt Daten von WhatsApp-Nutzern und zeigen, wer wie | |
> oft online ist. Das zeigt auch, wie leicht man beobachtet werden kann. | |
Bild: Heut schon online gewesen bei WhatsApp? Im Zweifel liest jemand mit. | |
BERLIN taz | Knapp 41 Minuten sind die durchschnittlichen Nutzer der | |
Nachrichtenapp WhatsApp in Deutschland am Tag online. Diese Informationen | |
kommen aber nicht etwa von der Facebook-Tochter selbst, auch nicht von | |
Testpersonen, die für die Forschung gewonnen werden konnten, sondern von | |
zufällig generierten Mobilfunknummern deutscher WhatsApp-Nutzer. Ein Team | |
von Wissenschaftlern hat die Daten neun Monate lang unbemerkt gesammelt. | |
„Unser Programm erfasst die Onlinezeiten für beliebige Nummern, rund um die | |
Uhr, und erstellt Statistiken, ohne dass die überwachten Nutzer davon etwas | |
mitbekommen“, sagt Andreas Kurtz vom Lehrstuhl für Informatik an der | |
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Wissenschaftler | |
wollen mit dem Projekt darauf aufmerksam machen, dass Dritte unbemerkt | |
beobachten können, wann jemand online ist und wann nicht. | |
Denn der Nutzer hat keine Möglichkeit, den Status „online“ oder „offline… | |
abzustellen. Daraus lassen sich viele Informationen über Lebensgewohnheiten | |
ableiten: zum Beispiel, wann jemand zu Bett geht, aufsteht oder wie oft er | |
oder sie WhatsApp während der Arbeitszeit nutzt. | |
Kurtz und sein Team haben 1.000 zufällig ausgewählte Nutzer aus zehn | |
Ländern rund um die Uhr beobachtet. Sie wollten herausfinden, welche | |
Informationen sich über den Onlinestatus ablesen lassen und ob WhatsApp | |
gegen diese Form des Ausspähens vorgeht. | |
## 30 Millionen Nutzer in Deutschland | |
Das 2009 gegründete Unternehmen WhatsApp Inc. hat nach eigenen Angaben 600 | |
Millionen aktive Nutzer. In Deutschland waren es im Januar 30 Millionen. | |
Die App der Firma stand schon oft aufgrund von Sicherheitslücken in der | |
Kritik. So machte zum Beispiel die Berliner Sicherheitsfirma Curesec im | |
Juli 2013 eine Sicherheitslücke öffentlich, die es ermöglichte, an | |
Zahlungsdaten für Google Wallet und PayPal zu gelangen. | |
Im Februar 2014 bemängelte die Stiftung Warentest, dass bei der | |
Nachrichtenübermittlung keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eingesetzt wird | |
– das Unternehmen also mitlesen kann, was sich Nutzer schreiben. Dies wurde | |
nun offenbar geändert, denn WhatsApp nutzt seit November eine | |
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Den Onlinestatus kann man aber immer noch | |
nicht selbst regeln. | |
## Italiener 38-mal online | |
Und laut dem Wissenschaftler Kurtz kann dieser auch automatisiert und für | |
viele Nutzer gleichzeitig erfasst werden. Die Forscher konnten so sogar | |
Statistiken über die allgemeine Nutzung von WhatsApp erstellen. „Selbst die | |
spanische Siesta lässt sich in den gesammelten Daten zu den Onlinezeiten | |
spanischer Nutzer erkennen“, sagt Kurtz. Deutsche Nutzer öffnen die App | |
nach den Untersuchungen durchschnittlich 26-mal am Tag, Italiener 38-mal | |
und Thailänder nur 4-mal. | |
Das Unternehmen ging in den neun Monaten nach Angaben von Kurtz nicht gegen | |
das Ausspähprogramm der Wissenschaftler vor. „Obwohl es einfach zu erkennen | |
gewesen sein müsste“, kritisiert der Forscher. „Wir waren rund um die Uhr | |
online, stetig mit 1.000 Nutzern in Kontakt, ohne dabei aber selbst | |
Nachrichten zu empfangen oder zu versenden.“ | |
Als Alternativen zu WhatsApp empfiehlt Kurtz Threema TextSecure oder | |
Signal. Diese Nachrichtenapps wurden schon mit einem Fokus auf den Schutz | |
der Privatsphäre entwickelt: „Nutzerkonten sind hier nicht zwingend mit der | |
Rufnummer verknüpft, und so etwas wie einen Onlinestatus gibt es hier erst | |
gar nicht.“ | |
18 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Stefanie Mnich | |
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