# taz.de -- WhatsApp mit Lesebestätigung: Wir Nutzersklaven | |
> WhatsApp macht die Häkchen blau. Und alle drehen durch. Wie sehr wollen | |
> wir uns eigentlich noch der Technik unterwerfen? | |
Bild: Hat sie meine Nachricht schon gelesen? Jetzt vielleicht? Und jetzt? | |
Seit fünf Minuten schon ist der Haken blau. Noch immer keine Antwort. | |
Nervös daddeln die Finger auf dem Smartphone rum: Nachrichtenseite | |
geupdatet, Mails gecheckt, Wetter wird morgen so lala. Aber der Dings hat | |
noch immer nicht geantwortet... | |
Es ist eine winzige Designentscheidung, die der Messaging-Dienst WhatsApp | |
getroffen hat: Wenn der Gesprächspartner eine Nachricht nicht nur | |
empfangen, sondern auch gelesen hat, färben sich zwei gräuliche Häkchen | |
neuerdings blau. | |
Eine banale Veränderung. Aber eine, die erwachsene Menschen in den | |
Souveränitätsstatus pickliger Teenager zurückversetzt: Antwortet der jetzt | |
nicht, weil er nichts mehr mit mir zu tun haben will? Sechs Stunden ohne | |
Antwort? Ein Affront. Oder die Angetextete liegt tot im Straßengraben. | |
Wir haben uns versklavt. Apps und Dienste diktieren, wir folgen. | |
Freiwillig. Dabei ist die Idee doch, dass das eigentlich genau umgekehrt | |
läuft. | |
## Der Geiz und die Bequemlichkeit | |
Am Anfang war der Geiz. Diese ein bis fünf Euro, die man jeden Monat für | |
SMS rauswirft, kann man doch ganz einfach sparen, wenn man WhatsApp | |
runterläd. Und im Gegenzug darf WhatsApp unser Adressbuch vom Handy ziehen. | |
Tschüss Diskretion: Damit haben wir nicht nur irgendsoeinem, inzwischen zu | |
Facebook gehörenden, Dienst unsere gesamten sozialen Kontakte verpetzt. | |
Sondern auch noch die direkte Durchwahl zu allen Freunden. Ob diese das | |
wollten oder nicht. | |
Nach dem Geiz kommt die Bequemlichkeit. WhatsApp ist total praktisch, weil: | |
tot transparent. Kollege Y hat meine Nachricht erst gestern Nacht um 3 | |
runtergeladen? Kein Wunder, dass der solche Augenringe hat! Die Tochter | |
ignoriert mich seit Stunden? Die kriegt was zu hören, wenn sie nach Hause | |
kommt! | |
WhatsApp bedient unseren Kontrollfimmel, diese finstere Stasi-Seite in uns. | |
Natürlich, Überwachung ist total schlimm. Aber wer ist schon in der Lage, | |
die Metadaten, die WhatsApp über Gesprächspartner ausplaudert, zu | |
ignorieren? Da sind wir wie die NSA: gibt es die Information, wird sie auch | |
gelesen. Und fürs eigene Sozialleben interpretiert. | |
## Brrt. Nachricht. Speichelfluss | |
Und so sind wir zu Pawlowschen Hunden geworden. Brrt. Nachricht. | |
Speichelfluss. Muss. Sofort. Antworten. Was soll der andere denn sonst | |
denken? Man hat ja schließlich selbst keine Lust auf das Gefühl von | |
Zurückweisung, wenn das Gegenüber stundenlang nicht antwortet. Subtext: Du | |
bist mir nicht so wichtig. Autsch. | |
Binnen weniger Monate sind solche Etiketten uns in Fleisch und Blut | |
übergegangen. WhatsApp hat das erkannt - und versucht mit Funktionen wie | |
dem blauen Haken unseren kommunikativen Speichelfluss anzuregen. Antworte | |
schneller, Nutzersklave. Schreib mehr. Mehr Traffic für What's App. | |
Unverzichtbarer werden. Profitabler. | |
Böse App? Dumme Nutzer! Technik liefert den Rahmen dafür, wie wir | |
miteinander sprechen. Und Dauererreichbarkeit entsteht nur dann, wenn wir | |
uns untereinander nicht mehr sicher genug sind, um Stille auch einmal | |
auszuhalten. | |
7 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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