| # taz.de -- Rot-Schwarz in Berlin: SPD präsentiert die Überläufer | |
| > Sind die zwei CDU-Bezirksabgeordneten, die zur SPD wechselten, Vorboten | |
| > einer Regierungskrise? Durchaus – wenn stimmt, was sie über die CDU | |
| > sagen. | |
| Bild: Lässt so ein bisschen die Muskeln spielen - und lacht dazu: SPD-Fraktion… | |
| Das Ende der Großen Koaltion könnte in Spandau beginnen. Vergangene Woche | |
| sind dort zwei Bezirksabgeordnete von der CDU zur SPD gewechselt. Nun | |
| präsentiert SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der Kreisvorsitzender in Spandau | |
| ist, die Überläufer der taz. Wie Trophäen – die allerdings nicht zu stark | |
| glänzen dürfen. Schließlich ist die SPD auf Landesebene weiter auf die CDU | |
| angewiesen. | |
| Das Treffen findet in Salehs Spandauer Bürgerbüro statt. Der | |
| Kreisvorsitzende hat Weihnachtskekse aufgetischt. Wie zwei artige | |
| Schulbuben sitzen Jochen Anders (59) und Andreas Hehn (49) auf dem grünen | |
| Sofa in dem holzgetäfelten Raum unter einem Bild von Willy Brandt. Saleh | |
| ist mit dabei, angeblich, weil Anders und Hehn keine Presseerfahrung haben, | |
| damit sie sich also nicht selbst reinreiten. In Wirklichkeit macht der | |
| SPD-Fraktionschef den Aufpasser. | |
| Mit dem Wechsel der beiden Bezirksverordneten ist die SPD in Spandau nun | |
| mit 23 Mandaten stärkste Partei. Doch es geht um mehr, das haben die | |
| Erklärungen der vergangenen Woche gezeigt. Hehn und Anders sind Polizisten. | |
| In seinem Schreiben an Saleh begründete Anders, der seit 41 Jahren | |
| Polizeiangehöriger ist, seinen Wechsel mit einem Wunsch nach einer | |
| „rechtsstaatlichen und zeitgemäßen Innenpolitik“. Eine Ohrfeige für | |
| Innensenator Frank Henkel, seinen ehemaligen Parteifreund. Noch deutlicher | |
| wird Andreas Hehn, der an der Landespolizeischule die Themen Integration | |
| und Migration verantwortet. „Ich wünsche mir eine andere, ehrliche | |
| Willkommenskultur“, schrieb er. | |
| ## Stimmung bei Polizei kippt | |
| Dass die Kritik von zwei Polizisten geübt wird, macht die Sache für die CDU | |
| brisant. Bei der Polizei verorten die Konservativen ihre Stammwähler. Doch | |
| die Stimmung bei der Polizei ist im Begriff zu kippen. Die Unzufriedenheit | |
| mit Henkel und dem von ihm eingesetzten Polizeipräsidenten Klaus Kandt | |
| wächst, so Recherchen der taz. | |
| CDU-Generalsekretär Kai Wegner, auch Kreischef in Spandau, reagiert | |
| dünnhäutig. Er bezweifelt, dass die Austritte etwas mit Innenpolitik zu tun | |
| haben. „Das sind vorgeschobene und scheinheilige Argumente.“ Gegenüber der | |
| Bild-Zeitung legte er noch eins drauf: „Aufgrund der rechtsgerichteten | |
| Ansichten [der beiden Abtrünnigen, d. Red.] gingen wir eher von einem | |
| Wechsel zur AfD aus.“ Ins selbe Horn stößt Arndt Meißner, Vorsitzender der | |
| CDU-Fraktion Spandau. Anders und Hehn hätten stets gegen die SPD gewettert. | |
| Was Anders und Hehn im Bürgerbüro erzählen, geht damit nicht zusammen. | |
| Anders war sozialpolitischer Sprecher der CDU, Hehn integrationspolitischer | |
| Sprecher. Hätte Wegner recht, hieße das, dass die CDU-Spandau | |
| Rechtspopulisten mit diesen Sprecherposten betraut hat. | |
| Hehn und Anders sind vorsichtig geworden, sie befürchten berufliche | |
| Nachteile. Die in den Austrittserklärungen formulierte Kritik an der | |
| Innenpolitik wollen sie nicht präzisieren. Auch die Kritik an der Spandauer | |
| CDU bleibt allgemein: Die Partei gehe nicht in die Kieze zu den Menschen, | |
| der Umgang untereinander sei grenzwertig. | |
| Ausschlaggebend für den Wechsel sei gewesen, dass die SPD eine bessere | |
| Sozial- und Integrationspolitik mache, sind sich die beiden einig. | |
| „Integrationspolitik muss mit Herzblut betrieben werden“, sagt Jochen | |
| Anders. „Raed Saleh lebt das vor.“ | |
| Der Erwähnte räkelt sich entspannt in seinem Stuhl und wirkt so, als freue | |
| ihn der Parteiwechsel diebisch. Ob er sich geschmeichelt fühle? Saleh lacht | |
| und antwortet typisch Saleh: „Ich freue mich sehr über die Neuzugänge, die | |
| beiden sind eine Bereicherung für die Spandauer SPD.“ Ob das der Anfang | |
| einer Erosion bei der CDU sei? „Wir machen in der Koalition mit der CDU | |
| gute linke Politik“, so seine Antwort. „Das Regierungsbündnis hält bis | |
| 2016, denn wir arbeiten auf Landesebene gemeinsam erfolgreich für die | |
| Stadt.“ | |
| In der Spandauer CDU sieht man das nicht so entspannt. Am Dienstag trifft | |
| sich die Fraktion zu einer Sondersitzung. Der Vorgang sei ein „Schlag ins | |
| Gesicht“ gewesen, so CDU-Fraktionschef Thorsten Schatz. Er vermutet: Saleh | |
| habe den Wechsel eingefädelt. Der dementiert – und lächelt. | |
| 22 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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