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# taz.de -- Gaza-Gouverneur über Fatah und Hamas: „Ein Gefühl der Ohnmacht�…
> Die Differenzen zwischen Hamas und Fatah sind zurzeit noch sehr groß,
> aber nicht unüberwindbar, sagt Abdallah Frangi, Gouverneur von Gaza-City.
Bild: Juli 2014: Gaza-City wird bombardiert.
taz: Herr Frangi, offener Konkurrenzkampf herrscht seit Juni 2007 zwischen
der Fatah von Palästinenserpräsident Abbas und der islamistischen Hamas,
als diese die Macht im Gazastreifen an sich riss. Erst im April letzten
Jahres einigte man sich in Kairo auf eine neue Einheitsregierung, und
Präsident Abbas ernannte fünf Gouverneure für den Gazastreifen – für
Gaza-Stadt Abdallah Frangi. Kaum waren Sie ernannt, begann aber ein neuer
Krieg, der alles übertraf, was man in Gaza bisher erlebt hatte. Sie hatten
sich Ihre neue Aufgabe ja sicher auch anders vorgestellt?
Abdallah Frangi: Das Wichtigste war, überhaupt in dieser Zeit in Gaza
gewesen zu sein und diesen Krieg erlebt und überlebt zu haben. Der
Gazastreifen ist winzig klein, sodass durch die Bombardierungen der
israelischen Armee kein Gebiet heil geblieben ist. Ich kann sagen: es war
ein Krieg, den ich nie in meinem Leben vergessen werde – dieses große
Ausmaß an Zerstörung der Gebäude, die Ängste der Menschen, die verzweifelt
auf der Straße um ihr Leben gelaufen sind – es waren Kinder, Frauen oder
alte Männer – einfach erschreckend. Die Zahl der Zivilisten, die in diesen
51 Tagen umgekommen sind, übersteigt zweitausendfünfhundert, und die Zahl
der Verletzten ist doppelt oder dreifach so groß wie die der Toten.
Haben Sie in dieser Situation überhaupt etwas tun können? Fühlt man sich da
nicht machtlos?
Natürlich, total. Und das ist es auch, worunter ich gelitten habe. Diese
Unfähigkeit, den Menschen helfen zu können, ein Gefühl der Ohnmacht. Mit
der Zeit spürst du, dass du zwar mittendrin, aber im Grunde genommen
hilflos bist. Natürlich: Hier und da konnte ich helfen. So habe ich kleine
Komitees mit jungen Leuten gebildet, die freiwillig Hilfe geleistet,
Matratzen und Kleidung gesammelt und verteilt haben. Aber das war ein
Tropfen auf dem heißen Stein. Aber es war die unglaubliche Solidarität
unter der palästinensischen Bevölkerung, diese Hilfsbereitschaft, die ich
in diesen 51 Tagen Krieg und danach bewundert habe.
Die Einsetzung von Gouverneuren in Gaza und in anderen Orten des
Gazastreifens durch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte aber doch
wohl politische Gründe – zumal dieser Schritt kurz nach der Vereinbarung
zwischen Hamas und PLO über eine Einheitsregierung kam. Wie hat sich das
auf die Vereinbarung ausgewirkt?
Das trifft zu, wurde aber seitens der Hamas nicht eingehalten. Denn die
Gouverneure vom Gazastreifen – außer mir gibt es noch vier weitere – die
durften eigentlich nicht offiziell auftreten und arbeiten. Das heißt: Wir
konnten unsere Aufgaben nicht wahrnehmen. Zwar wurde in Kairo vereinbart,
dass beide Seiten – Fatah und Hamas – diese Einheitsregierung tragen, auch
die Institutionen dieser Regierung stützen, doch kann ich sagen: Es gab
(bisher) keine richtige Zusammenarbeit zwischen der Regierung und Hamas.
Die Sicherheitsorgane der Hamas haben alles unter ihre Kontrolle im
gesamten Gazastreifen gebracht.
Und die ideologischen Differenzen zwischen Hamas und Fatah, beziehungsweise
der PLO, erscheinen unverändert groß?
Die Differenzen sind zurzeit noch sehr groß, aber nicht unüberwindbar. So
gab es während des Krieges Waffenstillstandsverhandlungen, die von beiden
Seiten (Fatah und Hamas) akzeptiert wurden. Das zeigt: die bestehenden
Differenzen können überwunden werden.
Gleichzeitig lässt sich der Hamas-Chef Khaled Maschal aber in der Türkei
feiern.
Die Türkei wird nicht mehr die gleiche Rolle übernehmen können, die sie vor
dem Krieg im Irak und Syrien innehatte. Diese Veränderung wird auch durch
den Einfluss der neu gewählten Regierung in Ägypten gefördert. Das heißt,
die Karten werden neu gemischt. Und das betrifft auch die Entwicklung in
Israel: Die Neuwahlen werden wahrscheinlich nicht mehr die bisherige
Koalition, sondern eher eine radikalere Regierung mit sich bringen. Diese
Entwicklung ist ungünstig für uns Palästinenser und sie schadet den
Friedensbemühungen.
Vor allem europäische Parlamente in Europa haben die Anerkennung des
Staates Palästina gefordert, aber nichts geschieht. Werden hier nur
Hoffnungen geweckt, ist das nur Wunschdenken?
Nein, Wunschdenken ist das nicht, sondern die Mehrheit der Weltgemeinschaft
hat den Staat Palästina bereits anerkannt und es kann auch keine politische
Lösung des Konflikts ohne diese Anerkennung geben. Die Weltgemeinschaft ist
in der Pflicht, diesen Schritt zu unterstützen, um weitere Kriege zu
verhindern und eine friedliche Lösung herbeiführen zu können.
Was bezweckt Präsident Abbas mit seinem Vorstoß in der UNO – dass auch die
Weltorganisation Palästina als Staat anerkennt?
Wir plädieren beide – Hamas und Fatah – für einen Palästinenserstaat in …
Grenzen von 1967, mit Ostjerusalem als Hauptstadt. Für diese international
anerkannte Zweistaatenlösung werden wir die Unterstützung der Vereinten
Nationen und des Weltsicherheitsrates einfordern.
Die Regierung in Washington hat aber bereits ein Veto im Sicherheitsrat
angekündigt.
Wenn die USA hier ein Veto einsetzen, dann verlieren sie die
Glaubwürdigkeit in der gesamten arabischen und islamischen Welt.
Und wie steht es mit Deutschland? Die Bundesregierung spricht von
Zweistaatenlösung als dem internationalen Konsensus, bisher hat sie aber
kaum etwas in die Richtung unternommen.
Bis jetzt hatten wir großes Vertrauen in die deutsche Regierung. Wiederholt
wurde betont, dass sie sich für die zwei Staaten einsetzen und diese auch
unterstützen. Umso mehr bin ich über die einseitige Haltung der
Bundesregierung enttäuscht. Um glaubwürdig zu bleiben und den Einfluss in
dieser Region nicht zu verlieren, sollte die einseitige Politik zugunsten
der israelischen Regierung ein Ende finden und eine ausgewogene Haltung
eingenommen werden. Ich bin überzeugt: Das hilft den Israelis, den
Palästinensern und kann den Frieden in der gesamten Region bringen.
4 Jan 2015
## AUTOREN
Peter Philipp
## TAGS
Palästina
Israel
Gaza
PLO
Hamas
Fatah
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Social Media
Krieg
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