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# taz.de -- Buch über einen Cannabisproduzenten: Typenkabinett der Grasfreunde
> Rainer Schmidts Buch „Die Cannabis GmbH“ weist auf Probleme der
> Drogengesetze hin. Es ist didaktisch wertvoll, literarisch eher mau.
Bild: Cannabisprodukte stammen fast nur noch aus Indoorplantagen.
250.000 Berliner hätten im letzten Jahr zumindest einmal an einem Joint
gezogen, hieß es neulich in der taz. Das heißt, etwa zehn Prozent der
erwachsenen Bevölkerung sind direkt von dem Cannabisverbot berührt.
Außerdem hat der Tourismusboom zu einer immer größeren Nachfrage von
Cannabisprodukten geführt, die auch im und am Görlitzer Park in Berlin
verkauft werden. Eigentlich haben erst die Verhältnisse dort in Erinnerung
gerufen, dass der Handel mit Cannabis strafbar ist und nicht so locker
peacig sozusagen, wie man’s gern hätte.
Nach Erkenntnissen von Fahndern stammten die hier verkauften
Cannabisprodukte nicht mehr so sehr aus fernen Ländern, sondern fast nur
noch aus Indoorplantagen, hieß es kürzlich in der Berliner Zeitung. Vor
Kurzem wurde in Berlin wieder eine mit 1.300 Pflanzen entdeckt. Das
entspricht etwa der Menge, für die der Hamburger Cannabisproduzent „Lars
G.“ zu einer „mehrjährigen“ Haftstrafe verurteilt wurde.
„Lars G.“ ist das Vorbild des Dude, und der Dude ist der Held von Rainer
Schmidts Roman „Die Cannabis GmbH“. Ein Jahr lang hatte der Berliner Autor,
der auch für den BBC-Worldservice, für Spiegel, MAX und Vanity Fair tätig
und Chefredakteur des deutschen Rolling Stone, des Musikexpress, gewesen
war, mit dem inhaftierten Grasgroßhändler gesprochen und in der Hanfszene
(was immer man sich darunter vorstellen mag) recherchiert.
Sein Buch ist ein „Roman über eine große deutsche Parallelwelt und die
Schizophrenie der Prohibition – frei nach wahren Begebenheiten“ heißt es im
Klappentext. Die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation sind dabei
fließend.
## Die Fehler der hiesigen Drogengesetzgebung
Es ist jedenfalls komisch, im Roman von den Abenteuern des Dude zu lesen
und dann bei Spiegel Online ein Interview, das Rainer Schmidt mit dem
Vorbild des Dude geführt hat. In diesem Interview fasst Lars G. seine
Karriere und den Inhalt des Romans (Aufstieg und Fall eines
Biograshändlers) zusammen und erklärt mit ähnlichen Worten wie die
Romanfigur, er würde viel lieber legal arbeiten und Steuern zahlen.
Alles, was Lars G. sagt, ist vernünftig; er akzeptiert seine Strafe im
Sinne der Anklage, plädiert im moralischen Sinne auf unschuldig, seine
Kunden seien erwachsene Leute gewesen, und als eine Sorte zu stark gewesen
sei, habe er sie wieder vom Markt genommen. Der Text war sehr gut und man
konnte sich den Grasanbauer ganz gut vorstellen. In Rainer Schmidts
Cannabistitelgeschichte im Stern vom 27. November 2014 taucht Lars G.
wieder auf, doch diesmal mit (ausgedachtem) Nachnamen: Lars Gehrke.
Beide Artikel zeigen (wie das Buch) anschaulich die Fehlerhaftigkeit der
hiesigen Drogengesetzgebung auf. Wobei mir die Artikel besser gefielen als
der Roman, in dem die Geschichte natürlich viel ausführlicher und
vielfältiger dargestellt ist.
Die Romangestalt Dude ist zusammengesetzt aus den Interviews, die Schmidt
mit Lars G. geführt hat, und Geschichten, die Schmidt dazugegeben hat. Beim
Lesen meint man, das zu erkennen. So wirkt Dude oft authentisch, aber eben
auch manchmal ein bisschen ausgedacht.
## Ein Typenkabinett ständig kiffender Cannabisfreunde
Bei anderen Figuren ist das noch deutlicher. Wenn sie plötzlich sicher
richtige, aber doch auch lehrerhafte Vorträge über die Ungerechtigkeit des
Cannabisverbots aufsagen. Was sie sagen, entwickelt sich nicht aus der
Figur, sondern die Figur scheint nur dazu da zu sein, etwas Bestimmtes zu
sagen.
Es stört auch, dass artig alle möglichen Einwände gegen Cannabis eingebaut
werden. Gleichzeitig animiert die „Cannabis-GmbH“ natürlich wie jeder
Drogen- (aber auch jeder Trinker-)Roman zum Konsum.
Schmidt präsentiert ein Typenkabinett ständig kiffender Cannabisfreunde,
die Ressentiments gegen „Nasivisten“ genannte Kokser haben. Es gibt
Geschäftsleute, die teils bigotte, teils eher liberale Hamburger
Gesellschaft mit Anschluss zum Adel und zur Politik; Rocker und türkische
Gangs. Gewalt ist auch dabei – schließlich geht es um sehr viel Geld.
Beim Lesen denkt man manchmal an Jesse und seine Freunde aus „Breaking Bad“
oder an die 1996 erschienene Autobiografie des Cannabisgroßhändlers Howard
Marks, die unter dem Titel „Mr. Nice“ mehr als eine Million Mal verkauft
und im Jahr 2010 verfilmt wurde.
## An allen Ecken des Romans riecht es nach Gras
Man kann sich alles sehr gut vorstellen, das Buch fliegt wie eine halbwegs
gut gemachte Fernsehserie an einem vorbei, auch wenn man genervt ist über
einzelne magazinmäßige Sätze („Sie hätte ihrer alten Lady gerne reinen We…
eingeschenkt“).
An allen Ecken des Romans riecht es zwar nach Gras, aber irgendwann fällt
einem dann doch auf, dass es in der „Cannabis GmbH“ keine „normalen“
Cannabiskonsumenten gibt, also solche, die gern mal einen Joint rauchen,
ohne das gleich zu ihrem Lebensinhalt zu machen.
Unter der Stern-Titelgeschichte steht, Rainer Schmidt sei „bekennender
Nichtkiffer“; unter der NDR-Rezension seines Buchs heißt es: „Weder der
Autor Rainer Schmidt noch der Autor dieses Beitrags kiffen.“ Dass Rainer
Schmidt es nötig zu haben scheint, darauf hinzuweisen, ist das Problem
seines Romans.
6 Jan 2015
## AUTOREN
Detlef Kuhlbrodt
## TAGS
Cannabis
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