# taz.de -- Sachsens Kultusministerin über „Pegida“: „Geblieben ist der … | |
> Die neue KMK-Präsidentin Brunhild Kurth war lange Lehrerin in Sachsen. | |
> Das DDR-Erbe nennt sie als einen Grund für den Zulauf von „Pegida“ in | |
> Dresden. | |
Bild: Pegida-Demonstration in Dresden | |
taz: Frau Kurth, alle sind Charlie, Sie auch? | |
Brunhild Kurth: Wir alle sind erschüttert, über das, was in Paris passiert | |
ist. | |
Auch die Pegida-Bewegung setzt auf die Betroffenheit und marschierte am | |
Montag mit Trauerflor. Wie finden Sie das? | |
Gelinde gesagt, irritiert mich das sehr. Aber es führt uns nicht weiter, | |
wenn wir mit Beschimpfungen und Ausgrenzung reagieren. Die Menschen, die in | |
Sachsen auf die Straße gehen, haben vielfältige Gründe. Deshalb ist der | |
Dialog so wichtig – sich also nicht abzuschotten, sondern genau zuzuhören, | |
womit die Menschen ein Problem haben. Es geht ja nicht nur gegen Ausländer, | |
die zu uns kommen, sondern auch gegen die da oben, gegen die Politik und | |
Medien. | |
Justizminister Heiko Maas hatte die Organisatoren aufgefordert, den | |
Spaziergang abzusagen. Auch Innenminister Thomas de Maizière fand diese | |
Instrumentalisierung schäbig. Sie nicht? | |
Wenn Verbote ausgesprochen werden, ändern wir nichts an dem Zustand. Wir | |
müssen aufeinander zugehen und in vernünftiger Atmosphäre miteinander | |
sprechen. | |
Weshalb ist Pegida ausgerechnet in Sachsen so erfolgreich? | |
Es wird viel von außen nach Sachsen geschaut, und es werden viele | |
Vergleiche angestellt, dass gerade in Dresden so viele Menschen auf die | |
Straße gehen. Von diesen Vergleichen halte ich nichts. Wir sollten nicht | |
darüber philosophieren, warum Pegida in Sachsen so viel Zulauf bekommt, | |
sondern warum die Menschen auf die Straße gehen. | |
Warum also? | |
Das Ursachengefüge ist komplex. Es sind viele verschiedene Probleme, die | |
zur Sprache kommen. Einige lassen Unverständnis über unser politisches und | |
gesellschaftliches System erkennen. Ich war in der DDR 13 Jahre Lehrerin | |
und war bis 2001 in der Schulstube aktiv. In dieser Zeit haben die Menschen | |
in Sachsen sehr starke Veränderungsprozesse durchlebt. Geblieben ist | |
eigentlich nur der grüne Pfeil an den Ampeln. Diese Umbruchsituation hat es | |
in den alten Bundesländern so nicht gegeben. | |
Es braucht viel Zeit, die demokratischen Verhältnisse zu verstehen und zu | |
verinnerlichen. Die Erfahrung mit der Demokratie ist noch ein junges | |
Pflänzchen. Da haben wir vielleicht noch Hausaufgaben zu machen, damit ein | |
starker Baum draus wird. | |
Was haben Sachsens Schulen im Bereich der politischen Bildung bisher | |
versäumt? | |
Hausaufgaben sind für mich Ergänzung. Ich spreche hier nicht von | |
Versäumnissen. Wichtig ist der jungen Generation, das junge Pflänzchen | |
Demokratie immer wieder nahe zu bringen, damit sie es verinnerlicht. Wenn | |
etwas oktroyiert wird, nimmt das vor allem eine junge Generation so nicht | |
ab. | |
War es ein Fehler, dass Sachsen 2007 als einziges Bundesland das Fach | |
Geschichte in der 10. Klasse der Mittelschule zu einem Wahlfach gemacht | |
hat? | |
Politische Bildung ist in keiner Weise nur an einem Unterrichtsfach | |
festzumachen. Jedes Unterrichtsfach ist geeignet, politische Bildung zu | |
vermitteln. Im Übrigen ist der Anteil der gesellschaftswissenschaftlichen | |
Unterrichtsfächer in Sachsen nicht geringer als anderswo. Und auch ist es | |
ein Trugschluss zu glauben, dass Schule allein gesellschaftliche Probleme | |
lösen kann. | |
Die 2008 auf dem Bildungsgipfel gesteckten Ziele werden offenbar nicht alle | |
erreicht. Etwa den Anteil der Schulabbrecher zu halbieren. Welche | |
Hausaufgaben hat die KMK ? | |
Das Ziel, die Zahl der Absolventen ohne Abschluss zu verringern, bleibt | |
richtig. Wir müssen hier in der KMK miteinander sprechen, welche Wege die | |
Bundesländer gehen. Da können wir voneinander lernen. | |
Ein Schwerpunkt Ihrer Amtszeit soll mehr Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit | |
sein. Wie wollen Sie das erreichen? | |
Wir müssen uns darüber verständigen, wie wir mit dem gemeinsamen | |
Aufgabenpool für die Abiturprüfung umgehen. Das wird ein wichtiges Thema | |
sein. Und im Sommer soll die Mustersammlung für die gemeinsamen | |
Abituraufgaben publiziert werden. Aus diesem Pool sollen sich einmal die | |
Länder bedienen. Auch das Thema Inklusion bleibt auf der Tagesordnung, wir | |
werden darüber sprechen, ob es einheitliche Kriterien geben kann, um | |
Förderbedarf bei Schülern zu diagnostizieren. | |
Und was tut die KMK, um mehr Gerechtigkeit herzustellen? | |
Wenn wir in punkto Vergleichbarkeit ein paar Millimeter vorankommen – Sie | |
sehen, ich denke in sehr kleinen Schritten – schaffen wir auch mehr | |
Gerechtigkeit. | |
14 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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