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# taz.de -- Film „Unbroken“ von Angelina Jolie: Der Holzbalken im Bild
> Helden haben Konjunkturen und Angelina Jolie gelingt es nicht, diese
> überzeugend zu inszenieren. „Unbroken“ ist ein katastrophaler Film.
Bild: Jack O'Connel als Louis Zamperini in „Unbroken“.
Heldengeschichten sind problematisch. Ihre Bewertung unterliegt einer
historischen Perspektive, und Geschichte wird bekanntlich von den Siegern
geschrieben. Das macht Heldenbilder anfällig für Konjunkturschwankungen.
In der nächsten Woche kommt mit dem Biopic „The Imitation Game“ über den
Mathematiker Alan Turing eine britische Variante der Kriegsheldenerzählung
in die deutschen Kinos. Der homosexuelle Turing war im Zweiten Weltkrieg
maßgeblich an der Entschlüsselung des Enigma-Codes beteiligt, nach dem
Krieg musste er sich einer gerichtlich verordneten Hormonbehandlung
unterziehen.
Am Ende des Films bringt Turing (Benedict Cumberbatch) die Ambivalenz des
Heldenbegriffs genau auf den Punkt: „Bin ich ein Krimineller? Bin ich ein
Kriegsheld?“
Die Antwort hängt von der jeweiligen historischen Perspektive ab. Turings
Rolle bei der Entschlüsselung des Enigma-Codes und dem Sieg über
Nazi-Deutschland wurde erst in den 1970er Jahren bekannt. Bis dahin galt er
in England vor allem als „Perverser“.
## Aus der Zeit gefallen
Angelina Jolies Heldenepos „Unbroken“ ist aus anderen Gründen aus der Zeit
gefallen. Ihre zweite Regiearbeit nach „In the Land of Blood and Honey“
(2011) könnte auch in den 1950er Jahren entstanden sein, damals vielleicht
mit dem rustikalen Gary Cooper in der Hauptrolle. Ungebrochen ist nicht nur
der Held des Films, sondern auch das Heldenbild, das hinter der
Inszenierung zum Vorschein kommt.
„Die unfassbare Lebensgeschichte des Louis Zamperini“ – so der deutsche
Untertitel des biografischen Romans, auf dem „Unbroken“ basiert – ist in
Jolies Interpretation sogar noch ein wenig unfassbarer. Als 19-Jähriger
nahm Zamperini als bislang jüngster US-Olympionike am 5.000-Meter-Finale
1936 in Berlin teil. Im Zweiten Weltkrieg wurde er über dem Pazifik
abgeschossen und überlebte 47 Tage auf hoher See. Er saß daraufhin zwei
Jahre in verschiedenen japanischen Kriegsgefangenenlagern, wurde gefoltert
und war dem seines Sadismus wegen berüchtigten Aufseher Mutsuhiro „Bird“
Watanabe ausgesetzt.
Nach dem Krieg kehrte Zamperini nach Japan zurück, um seine inhaftierten
Peiniger zu treffen. 1998 trug er die olympische Flamme in Nagano, eine
Ehre, die ihm 1940 durch die Absage der Tokio-Spiele verwehrt geblieben
war. Das Leben von Louis Zamperini birgt zweifellos Heldenstoff.
## Gefährlich naiv
Fraglich ist bloß, ob das US-amerikanische Kino diese Heldengeschichte im
Jahr 2015, nach detaillierten Enthüllungen über Folter in Abu Ghraib und
Guantánamo, noch so erzählen kann, wie Jolie es tut. US-Soldaten, die sich
heroisch der Folter ihrer Aufseher widersetzen, erzeugen zwangsläufig ein
schiefes Bild, dem angesichts von CIA-Folterberichten mindestens
Unverhältnismäßigkeit vorzuwerfen ist. Man könnte im Titel des Films fast
einen Revanchismus vermuten, ähnlich Michael Bays durchschaubarem Versuch,
seinen Pearl-Harbour-Film von 2001 nachträglich als patriotische
9/11-Reaktion zu instrumentalisieren.
Angelina Jolie ist einer solchen Agenda sicher unverdächtig, schon ihr
Regiedebüt erzählte von Kriegsgräueln anhand eines Einzelschicksals. Jolie
ist eine Botschafterin der Menschenrechte, nicht staatstragender Politik.
Aber die eklatante Abwesenheit politischer Fragen – zugunsten einer
unausgegorenen christlichen Allegorie von Gottvertrauen und Vergebung –
macht „Unbroken“ zu einem gefährlich naiven Film.
Jack O’Connell, der im vergangenen Jahr im Berlinale-Wettbewerbsbeitrag
„’71“ schon einmal als gestrandeter Soldat (im bürgerkriegsversehrten
Belfast) zu sehen war, besitzt eine beeindruckende physische Präsenz, die
der Kameramann Roger Deakins auszunutzen weiß. Besonders frappierend wirkt
das in der Schlüsselszene des Films: Da muss Zamperini über Stunden einen
Holzbalken über seinen Schultern stemmen.
## Homophober Subtext
Völlig entkräftet steht er in Christus-Pose vor seinem sadistischen
Peiniger (gespielt vom japanischen Popstar Miyavi, dessen weiche
Physiognomie der Figurenzeichnung einen unschönen homophoben Subtext gibt;
der reale Watanabe war ein kantiger Typ, wie die Archivbilder am Ende des
Films zeigen). Unter Triumphgeheul reißt er die Arme in die Höhe, bevor
sein Kontrahent im gleißenden Gegenlicht zu einer letzten Prügelorgie
ansetzt.
In den USA kam der Film Weihnachten mit großem Erfolg in die Kinos, da lag
die Veröffentlichung des CIA-Untersuchungsberichts gerade ein paar Wochen
zurück. Dass kein namhafter Kritiker die offensichtliche Problematik von
„Unbroken“ thematisierte, ist eine Bankrotterklärung der US-amerikanischen
Filmkritik.
Stattdessen wurden die biedere Inszenierung und das schwache Drehbuch der
Coen-Brüder kritisiert. Die längere Passage auf dem Meer ist ein gutes
Beispiel für die Behäbigkeit von Jolies Regie. Im Gegensatz zu Robert
Redfords maritimer One-Man-Show „All is Lost“ gelingt es „Unbroken“ –…
Haien, Sturm und Fliegerangriff – nicht einmal über eine halbe Stunde,
Spannung aufzubauen.
Die dramaturgischen Mängel machen „Unbroken“ zu einem doppelten Ärgernis.
Am Ende zeigt Jolie Archivaufnahmen des echten, damals über 80-jährigen
Zamperini bei seinem Fackellauf von Nagano. Dass man bei diesen Bildern
unweigerlich an Dieter Hallervorden und „Sein letztes Rennen“ denken muss,
hat nichts mit Häme zu tun. Es sagt nur sehr viel über das Niveau dieses
katastrophalen Films.
15 Jan 2015
## AUTOREN
Andreas Busche
## TAGS
Folter
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Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Angelina Jolie
Hollywood
Comic-Held
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Humor
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