# taz.de -- Angelina Jolie zeigt ihren Film in Sarajevo: Verdrängte Erinnerung… | |
> Sarajevo feiert Angelina Jolies Berlinale-Film "In the Land of Blood and | |
> Honey" über den Jugoslawienkrieg - nachdem Opfer von Vergewaltigungen | |
> zunächst skeptisch waren. | |
Bild: Angelina Jolie lässt sich in Bosnien und auf der Berlinale feiern. | |
SARAJEVO taz | Zwar ist sie jetzt schon wieder weg. Doch für Sarajevo | |
bleibt der Besuch von Angelina Jolie nachhaltig. Denn mit ihrem Film "In | |
the Land of Blood and Honey" berührte sie am Dienstagabend nicht nur die | |
rund 8.000 Zuschauer, die in der größten Sporthalle von Bosnien-Herzegowina | |
in Sarajevo zusammengekommen waren. Der Film rückt in den Augen der | |
Bevölkerung der Stadt vor allem die im Ausland oftmals falsch verstandene | |
jüngste Geschichte des Landes zurecht. Dafür ist man der Diva dankbar. | |
"Der Film hat bei mir viele Erinnerungen wachgerufen, die ich eigentlich | |
schon verdrängt hatte", sagt ein Arzt im Kosevo-Krankenhaus nach der | |
Premiere. Sein Krankenhaus wurde damals, während der Belagerung Sarajevos | |
1992-95, von serbischen Truppen beschossen. Die von Artilleriegranaten | |
Verwundeten lagen dicht gedrängt in nasskalten Kellerräumen. | |
"Aber vor allem ihre Haltung hat mir imponiert", fügt der Arzt über den | |
Filmstar hinzu. Angelina Jolie habe sich nach den Ovationen des Publikums | |
persönlich gerührt gezeigt. "Sie hat keine Zweifel daran gelassen, dass sie | |
ihren Film als einen politischen versteht." | |
In Sarajevo erklärte Angelina Jolie: "Die Welt soll sich der | |
Kriegsverbrechen bewusst sein und nicht wegsehen." Bei ihrem Film geht es | |
ja in der Tat nicht nur um eine Liebesgeschichte zwischen einem Serben und | |
einer Bosniakin. Er geht um die Vergewaltigungs- und Konzentrationslager, | |
die 1992 errichtet worden waren, es geht um die von serbischer Seite bis | |
heute bestrittenen Verbrechen der "ethnischen Säuberungen", die anhand der | |
Liebesgeschichte erzählt werden. | |
## Schnee von gestern | |
Dass Angelina Jolie einen solch klaren Standpunkt zeigt, wird ihr gerade | |
von Bosniens Vergewaltigungsopfern hoch angerechnet. Als der Film gedreht | |
wurde, war dies noch ganz anders. Da herrschte Misstrauen. Die "Erfahrungen | |
und das Leiden der Vergewaltigten" würden "instrumentalisiert", sagte | |
damals Bakira Hasecic, die während des Krieges zwei Jahre lang in einem | |
Vergewaltigungslager interniert war. Sie ist heute Vorsitzende der | |
Organisation Frauenopfer des Krieges und hat Frauen motiviert, die | |
Vergewaltiger von damals ausfindig zu machen und der Justiz zu übergeben. | |
Die Geschichte des Films klang ihr nach Trivialisierung. Hasecic erwirkte | |
bei den Dreharbeiten sogar gegen den Widerstand der ethnisch gemischten | |
Kulturszene der Stadt, dass die Crew aus Sarajevo abziehen und in Ungarn | |
weiterdrehen musste. | |
Doch das ist Schnee von gestern. Jetzt zog Hasecic ihre Kritik zurück und | |
fand sehr lobende Worte. Die Kulturszene Sarajevos hatte ohnehin ihre | |
Kritik zurückgewiesen. Der Film entwerfe ein realistisches Bild des Kriegs | |
und seiner Ursachen: Die serbische Militäroffensive damals nach dem Zerfall | |
Jugoslawiens hatte zum Ziel, die nichtserbische Bevölkerung aus großen | |
Teilen Bosniens zu vertreiben. | |
Diese "ethnischen Säuberungen" waren von der serbischen Führung politisch | |
gewollt, erklärte kürzlich General Jovan Divjak, selbst Serbe, aber damals | |
Verteidiger Sarajevos und Verteidiger eines multinationalen und | |
multireligiösen Bosniens. Dass dieser Zusammenhang aufgezeigt wird, | |
fürchten die serbischen Nationalisten in Banja Luka, Hauptstadt der | |
bosnischen Teilrepublik Republika Srpska. Sie sehen in dem Film | |
"antiserbische Propaganda" und wollen seine Ausstrahlung verbieten. | |
Die serbischen Nationalisten möchten wohl nicht über Lager und | |
Kriegsverbrechen sprechen, sagte der Hohe Repräsentant der internationalen | |
Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, Valentin Inzko, zur taz. Das Verbot | |
des Films in der serbischen Teilrepublik hat dort aber auch kritische | |
Stimmen geweckt. Über Facebook beklagte sich eine Studentin über | |
"kulturelle und intellektuelle Provinzialität". | |
17 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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