| # taz.de -- Wowereit-Nachfolger erklärt sich: Auf Nummer Sicher | |
| > In seiner ersten Regierungserklärung als neuer Berlin-Chef entspricht | |
| > Michael Müller allen Erwartungen. | |
| Bild: Michael Müller sichtet nochmal Notizen | |
| Er redet ruhig und gleichmäßig. Selten hebt er die Stimme, fast nie weicht | |
| er vom zuvor verteilten Text ab. Spricht nicht von Visionen, sondern sieht | |
| „kleine Veränderungen mit großen Auswirkungen“. Es ist ein zurückhaltend… | |
| Auftritt für die erste Regierungserklärung eines neuen Regierenden | |
| Bürgermeisters – und doch die passende für SPD-Mann Michael Müller, der im | |
| Dezember Klaus Wowereit nach 13 Jahren im Amt ablöste. | |
| Denn es steht genau der Mann am Rednerpult des Abgeordnetenhauses, für den | |
| die SPD-Mitglieder im Herbst mit großer Mehrheit als künftigem | |
| Regierungschef stimmten: der Gegenentwurf zur Glamourfigur Wowereit, der | |
| Arbeitsame, aber oft als blass Verschriene. „Es gibt Dinge über Jahre | |
| sachlich abzuarbeiten, und dafür brauchen wir einen neuen Politikstil der | |
| Ernsthaftigkeit und Bürgernähe“, sagte Müller der taz während des | |
| SPD-internen Machtkampfs. | |
| Genau auf dieser Linie bewegt er sich jetzt. „Politik hat die Aufgabe, sich | |
| in den Alltag der Bürgerinnen und Bürger hineinzuversetzen“, sagt Müller, | |
| zählt die Doppelbelastung Alleinerziehender, Verkehrssicherheit und | |
| Wohnungssuche auf. Das würden manche als „Klein-Klein“ diffamieren. „Was | |
| für ein Blödsinn!“, sagt Müller dann doch energischer als sonst in seiner | |
| gut dreiviertelstündigen Rede, „auch in einer Millionen-Stadt sind mir | |
| kleine Schritte lieber als große Luftschlösser.“ | |
| Wo Wowereit bei seinem Start 2001 das große Wort „Mentalitätswechsel“ | |
| auspackte, will Müller schlicht „in die Stadt hineinhören“, will wissen �… | |
| der Schuh drückt“. Das soll sich ganz praktisch in regelmäßigen | |
| Bürgersprechstunden und Senatssitzungen in den Bezirken ausdrücken. | |
| Müller setzt in vielen Bereichen auf ein Weiter-so, will vor allem am Thema | |
| bezahlbarer Wohnraum dranbleiben, mag keine neuen Personalexperimente am | |
| BER, der nach der Rückzugsankündigung von Hartmut Mehdorn einen neuen Chef | |
| braucht. Schier präsidial-überparteilich gibt er sich: Als er den | |
| wirtschaftlichen Aufschwung Berlins seit 2001 lobt, dankt er allen | |
| Parteien, die seither mit der SPD koalierten, also Grünen, Linkeund CDU. | |
| Der Opposition ist das alles viel zu wenig. Sie will einen Kurswechsel, für | |
| sie gibt es keine bisher gute Regierungsarbeit, die fortzusetzen wäre. | |
| „Kontinuität ist etwas Gutes, wenn auch in der Vergangenheit alles gut | |
| lief“, sagt Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek, „in diesem Senat haben aber | |
| vor allem die schlechten Dinge Kontinuität.“ | |
| Kapek wirft Müller vor, die geplante Olympiabewerbung nur zu stützen, | |
| „damit Sie als Koalition überhaupt ein gemeinsames Projekt haben.“ | |
| Linksfraktionschef Udo Wolf nennt das „Brot und Spiele“ und | |
| unverantwortlich wegen Milliardenrisiken einer solchen Großveranstaltung. | |
| Das mit der angeblichen Kluft zwischen den Koalitionären bestätigt sich | |
| immerhin beim Thema Migration und Flüchtlinge. Als SPD-Fraktionschef Raed | |
| Saleh davon spricht, der Islam gehöre zu Deutschland, applaudiert nur seine | |
| eigene Fraktion. „Liebe Kollegen von der CDU, da können Sie ruhig | |
| mitklatschen“, reagiert Saleh, „der Satz kommt ja von Ihrer Kanzlerin.“ | |
| Auch als er ausführt, die Politik müsse den Mut haben zu sagen, dass von | |
| den Flüchtlingen viele in Berlin bleiben würden, rühren sich bei der CDU | |
| die Hände nicht. Und Überlegungen der Union zu einer bloßen | |
| Minderheitsbeteiligung an der Gasag brandmarkt Saleh als „schlimmer als die | |
| Teilprivatisierung der Wasserbetriebe 1999“. | |
| Absetzbewegungen vom Koalitionspartner lassen sich da jedoch nicht hinein | |
| interpretieren: Zu stark holt Saleh gegen die Grünen aus, die für die SPD | |
| rein rechnerisch eine Alternative zur CDU sein könnten: „Wir lassen uns die | |
| Erfolge nicht kaputt reden, erst recht nicht von denen, die tagtäglich in | |
| Kreuzberg ein neues Chaos anrichten.“ | |
| Müller verfolgt das alles ruhig und ohne Zwischenrufe, geht in der Debatte | |
| auch nicht erneut ans Mikro. Gesagt ist jetzt eben alles. | |
| Nur liefern, das muss er noch. | |
| 15 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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