# taz.de -- Handball-WM in Katar: Der ganz normale Wüstenwahnsinn | |
> Gastgeber Katar überzeugt dank seiner importierten Spieler. Die | |
> Multikultitruppe zählt zu den Geheimfavoriten. Trotzdem werden Fans | |
> bezahlt. | |
Bild: Im 16-Mann-Kader von Katar (hier im weißen Trikot) befindet sich kein in… | |
DOHA taz | Die Hundertschaft katarischer Fans in den dunkelroten Trikots | |
des Emirats und unverkennbar von europäischer Herkunft nahm ihren Auftrag | |
wieder sehr ernst. Wie schon nach dem 28:23-Sieg gegen Brasilien im | |
Eröffnungsspiel der Handball-Weltmeisterschaft in Doha feierten die von den | |
WM-Gastgebern mit devisenharten Argumenten überzeugten Anhänger auch den | |
27:20-Erfolg über Chile mit abendländischer Blasmusik. | |
Nachdem Weltmeister Spanien am Samstagnachmittag praktisch vor leeren | |
Rängen noch so eben mit 29:27 gegen Brasilien gewonnen hatte, triumphierte | |
Katar am Abend erneut mit Pauken und Trompeten und der Unterstützung von | |
rund 60 Aficionados, die der WM-Gastgeber eigens aus Spanien hatte | |
einfliegen lassen. Auch Teil zwei der millionenschweren Mission | |
Weltklasse-Handball aus der Wüste war erfüllt. | |
In der Mixed Zone im Bauch der topmodernen Lusail Multipurpose Hall, wo die | |
Spieler auf Medienschaffende treffen, herrschte auch nach dem zweiten Sieg | |
Katars ein geradezu babylonisches Sprachgewirr. Vereinzelt auf Arabisch und | |
Deutsch, oft auf Englisch, gerne auf Spanisch, Französisch und insbesondere | |
auf Serbisch antworteten die Nationalspieler des Gastgebers, in deren | |
16-Mann-Kader kein gebürtiger Katarer steht. | |
Stattdessen enden allein vier Namen mit -ic. Wie Saric, Danijel, geboren in | |
Bosnien, und Stojanovic, Goran, geboren in Montenegro, beide 37 Jahre alt, | |
und ein Torhüter-Duo, das als das stärkste dieser Weltmeisterschaft gilt. | |
Oder wie Zarko Markovic, ebenfalls aus Montenegro und einst Profi beim | |
Hamburger SV. Wie Barcelonas früherer Superstar Saric nach dem ersten Spiel | |
wurde Markovic nach dem zweiten dank seiner elf Tore zum Man of the Match | |
gewählt. | |
## Ausgestattet für eine große Überraschung | |
Zum Einsatz kam auch Stojanovic, der zum Auftakt noch auf der Ersatzbank | |
gesessen hatte, gegen Chile aber erstklassig parierte. „Diese WM ist eine | |
tolle Erfahrung für mich“, sagte auf Deutsch der Torwart, der neun Jahre | |
beim VfL Pfullingen, dem VfL Gummersbach und bis vergangenen Juni bei den | |
Rhein-Neckar Löwen sein Geld verdient hatte. Dann unterschrieb Stojanovic, | |
seit 2013 Besitzer eines katarischen Passes, für drei Jahre beim Club | |
Al-Jaish. Gespielt hat Stojanovic noch nie für den Verein, bei dem seit dem | |
Sommer auch Markovic unter Vertrag steht. „Der Ligabetrieb ruht. Wir sind | |
seit August mit der Nationalmannschaft zusammen und bereiten uns auf das | |
Turnier vor“, sagte Stojanovic. | |
Der Trainer ist der größte Star: Valero Rivera. Der Katalane, der den FC | |
Barcelona zu 70 Titeln führte und vor zwei Jahren mit Spanien Weltmeister | |
wurde, hat die Schlüsselrolle inne im ehrgeizigen Handball-Projekt des | |
Wüstenstaats. Der 62-Jährige ließ sich nicht zweimal bitten, als das | |
lukrative Angebot aus Katar kam. Rivera rekrutierte neben arabischen | |
Talenten gestandene Profis aus Europa. | |
Der Franzose Bertrand Roiné und der Spanier Borja Vidal waren seine ersten | |
Einkäufe, die ebenso wie der Kubaner Rafael Capote drei Jahre lang nicht | |
für ihr Heimatland gespielt hatten und sich deshalb für Katar ins Zeug | |
werfen können. Noch ehe auch Saric und Markovic dem Lockruf der Petrodollar | |
folgten, gewann Katar vor einem Jahr die Asienmeisterschaft. Im September | |
folgte der Titel bei den Asienspielen. | |
Bei der Weltmeisterschaft nun zählt die Multikultitruppe, in der auch | |
Tunesier und Ägypter spielen, zu den Geheimfavoriten. „Definitiv kann Katar | |
im eigenen Land für einige große Überraschungen sorgen“, sagt etwa der | |
französische Nationaltrainer Claude Onesta voller Respekt. Am Dienstag | |
trifft Katar im Spitzenspiel der Gruppe A auf die ebenfalls noch | |
verlustpunktfreien Slowenen, am Mittwoch geht es dann gegen Spanien mit dem | |
ganz normalen Wüstenwahnsinn weiter. Die Handballfans von der Iberischen | |
Halbinsel werden ihre Geldgeber und nicht ihre Landsleute unterstützen. | |
18 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Sogl | |
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