# taz.de -- Berliner Szenen: Hände hoch | |
> Die Autorin soll sich die Bronchien „rönchen“ lassen. Sie stört den | |
> Ablauf, zählt Handys und denkt an alte Schildkröten. | |
Bild: Die Röntgenbilder der Autorin (Symbolbild). | |
Okay, Keuchhusten [1][ist es nicht], ich soll also zum Röntgen. Zum | |
„Rönchen“, wie immer alle sagen, und ich checke nicht, warum sie das sagen. | |
Ich soll mir jedenfalls die Bronchien rönchen lassen und sitze dafür an | |
einem Montag im Wartezimmer der Röntgenpraxis, und das ist schon mal ein | |
Erfolg, denn am Freitag war ich auch schon da und wurde wieder | |
weggeschickt, weil es zu voll war. | |
Auf einem Schild an der Wand steht: „Wir bitten Sie, Ihr Handy | |
abzuschalten. Sie stören unsere Abläufe.“ Ohne „sonst“ im zweiten Satz.… | |
Wartezimmer sitzen siebzehn Leute. Von meinem Platz sehe ich auf den ersten | |
Blick acht Handys. Vielleicht sind die aber auch im Flugmodus und die Leute | |
lesen alle „Faust II“ in der Kindle-App. Weiß man nicht. Die Frau neben mir | |
liest eine Illustrierte. Der Artikel heißt „Scheidung für | |
Fortgeschrittene“, auf dem Bild liegt eine Frau ganz in Rosa-Weiß auf einem | |
Flokati, vor ihr ein sehr großer Hund. | |
„Frau Stokowski“, ruft die Sprechstundenhilfe, „einmal Raum zwei und | |
obenrum frei.“ Die Frau, die mich röntgen soll, sagt: „Schwanger sindwa ja | |
nich, ne?“ Sindwa nicht. Also ziemlich sicher beide nicht. Sie geht raus, | |
macht eine Aufnahme von vorne, kommt wieder rein und sagt: „Und jetz ma: | |
Hände hoch! Wie im Krimi. Aber heute bin ick gnädig und schieße nich.“ Ich | |
finde das angesichts der Weltumstände nur halb witzig, nehme aber die Hände | |
hoch und darf mich dann wieder anziehen. | |
„Und, sehen Sie was?“, frage ich. „Nää“, sagt sie, „das geht jetzt … | |
Arztpraxis. Donnerstag können Sie da nachfragen, dann haben die das.“ Drei | |
Tage. Für eine Entfernung von einem knappen Kilometer. Ich stelle mir auf | |
dem Nachhauseweg vor, wie meine Bilder einer alten, gutmütigen Schildkröte | |
auf den Panzer geschnallt werden, die dann gemütlich losläuft. Hoffentlich | |
ist die nächsten Tage schönes Wetter und es wächst genug Salat am Wegrand. | |
21 Jan 2015 | |
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[1] /Berliner-Szenen/!153013/ | |
## AUTOREN | |
Margarete Stokowski | |
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