# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Vom Frieden weit entfernt | |
> In Berlin verkünden die Außenminister Russlands und der Ukraine ihre | |
> guten Vorsätze. Im Osten der Ukraine gehen die Kämpfe weiter. | |
Bild: Alltag in Donezk, Ostukraine. | |
KIEW taz | Dreizehn Menschen, die meisten von ihnen Frauen, wurden am | |
Donnerstag von einem Artilleriegeschoss in Donezk tödlich getroffen, als | |
sie an einer Bushaltestelle auf einen Oberleitungsbus warteten, Dutzende | |
weitere wurden verletzt. Vertreter der Volksrepublik Donezk machten sofort | |
Provokateure für den Angriff auf die Zivilisten verantwortlich. | |
Das ukrainische Verteidigungsministerium hingegen sieht die Verantwortung | |
bei den Aufständischen. Seit dem 17. Januar wird in der Ostukraine in einer | |
Heftigkeit Krieg geführt, die die Menschen auch vor dem gescheiterten | |
Waffenstillstand noch nicht erlebt hatten. | |
Wenige Stunden vor der Katastrophe an der Bushaltestelle hatte die | |
ukrainische Zeitung Komsomolskaja Prawda die militärische Eskalation in | |
Zahlen gefasst. Zwischen 18. und 21. Januar seien allein in Donezk 20 | |
Zivilisten, darunter drei Kleinkinder, und acht Soldaten getötet, 69 | |
Zivilisten verletzt worden. Im gleichen Zeitraum seien 32 Häuser und 28 | |
Wohnungen zu Schaden gekommen. | |
Die Bewohner des 23 Kilometer nördlich von Donezk gelegenen Avdejewka | |
berichten, man sei in diesem Krieg noch nie so heftig beschossen worden wie | |
in diesen Januartagen. Die Stadtverwaltung entschied, alle Kinder in das | |
sichere Dnjepropetrowsk zu evakuieren. Auch in anderen Orten, die von der | |
Kiewer Zentralregierung nicht kontrolliert werden, klagen die Bewohner über | |
heftige Kämpfe. | |
Eine Bewohnerin von Gorlowka berichtete der taz, am 18. Januar sei die | |
Ortschaft von einem Flugzeug bombardiert worden. Bewohner der Siedlung | |
Filtrowalni in der Nähe der Stadt Jenakiewo berichteten von | |
Artillerieangriffen auf zivile Objekte in den vergangenen Tagen. In der | |
Stadt Jenakiewo befürchtet man einen Beschuss des Begwerksschachtes Junkom. | |
Dort war 1979 eine unterirdische Atomexplosion gezündet worden. Sollte das | |
Abpumpsystem des hoch verstrahlten Schachtes zerstört werden, könnte es zu | |
einer radioaktiven Verseuchung des Grundwassers kommen, befürchten | |
Bergleute. | |
## Ermittlungen wegen Aufrufs zur Kriegsdienstverweigerung | |
Seit Mittwoch dürfen die Checkpoints an der Grenze zu den Volksrepubliken | |
nur noch Personen passieren, die eine eigene Erlaubnis hierfür beantragt | |
und erhalten haben. Zahlreiche Busse mit Rentnern, die sich in einem von | |
der Ukraine kontrollierten Ort ihre Rente auszahlen lassen wollten, mussten | |
an Kontrollpunkten der ukrainischen Armee wieder kehrtmachen. | |
Inzwischen hat die ukrainische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den | |
westukrainischen Journalisten Ruslan Kozab eingeleitet, weil dieser | |
öffentlich zur Verweigerung des Kriegsdienstes aufgerufen hatte. Kozab | |
lässt sich nicht beirren und ließ verlauten, dass er bereit sei, für seine | |
Überzeugung auch ins Gefängnis zu gehen. | |
Weit entfernt von den Kämpfen verständigten sich die Außenminister der | |
Ukraine und Russlands am Mittwochabend in Berlin auf den Abzug schwerer | |
Waffen aus der Krisenzone. Der Gastgeber, Bundesaußenminister Frank-Walter | |
Steinmeier, sprach vorsichtig von wahrnehmbaren Fortschritten, die | |
allerdings keinen Durchbruch bedeuteten. | |
Für den ukrainischen Außenminister Klimkin war das Berliner Treffen in | |
einigen Punkten enttäuschend. Die anderen Punkte von Minsk, so Klimkin, | |
habe Russland nicht besprechen wollen. „So funktioniert das nicht“, schrieb | |
Klimkin am Donnerstag bei Twitter. Das Berliner Treffen, so Klimkin, sei | |
eine diplomatische Schlacht gewesen, in der niemand gewonnen und niemand | |
verloren habe. | |
Im umkämpften Gebiet in der Ostukraine macht man sich kaum Hoffnungen auf | |
diplomatische Erfolge. „Ich habe die ganzen vergangenen Tage hier im Keller | |
gesessen, habe vor Angst fast einen Herzinfarkt erlitten“, berichtet die | |
65-jährige Alexandra aus der Ortschaft Schdanowka. „Was die in Berlin | |
besprechen, hat für uns doch nichts zu bedeuten.“ | |
22 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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