# taz.de -- Miliz „Islamischer Staat“: Der Terror-Ideologe | |
> Turki Al-Binali fährt durch das Territorium der IS-Miliz und rechtfertigt | |
> in Predigten die Gewalt der Gruppe. So lassen sich junge Islamisten | |
> begeistern. | |
Bild: Der den Terror verteidigt: Turki al-Binali bei einer Predigt. | |
BEIRUT ap | Turki al-Binali ist kreuz und quer durch das von der | |
Terrormiliz Islamischer Staat ausgerufene Kalifat in Syrien und dem Irak | |
gereist. Überall hat der 30 Jahre alte Geistliche aus Bahrain in seinen | |
glühenden Predigten den blutigen Kampf im Namen der Religion | |
gerechtfertigt, die Pistole stets griffbereit im Halfter. | |
Al-Binali, mit seinem langen Haar und dem dunklen Bart, ist nicht der | |
höchste Geistliche der IS – dieser Titel wird dem verschlossenen Iraker | |
Abdullah Abdul-Samad zugeschrieben. Doch Al-Binali ist derjenige, der | |
wahrscheinlich am häufigsten zu sehen ist, wie Hischam al-Haschimi sagt, | |
ein irakischer Wissenschaftler, der die Aktivitäten der Dschihadisten | |
verfolgt. „Er ist ein sehr wichtiger Teil des religiösen Rats der Daesch“, | |
sagt Al-Haschimi, der für den IS das arabische Wort verwendet. „Er ist wie | |
der Zaun, der die Ideologie der Daesch vor Penetration schützt.“ | |
Al-Binali ist Autor der offiziellen Biografie des IS-Führers Abu Bakr | |
al-Baghdadi. Der junge Prediger hält Vorlesungen und setzt sich online mit | |
Kritikern und Sympathisanten auseinander. Seine Erlasse und Statements | |
werden in den Gebieten verbreitet, die unter IS-Kontrolle stehen, heißt es. | |
Al-Binali stammt aus einer prominenten bahrainischen Familie. Früh stieg er | |
zu einer bekannten Figur in der ultrakonservativen Salafistenbewegung des | |
kleinen Golfstaats auf. Er studierte in Dubai Islamische und Arabische | |
Wissenschaften, wurde dort jedoch ausgewiesen, wie sein österreichischer | |
Biograf Mohammed Mahmud schreibt. Al-Binali setzte sein Studium in Bahrain | |
und Beirut fort, bevor er im vergangenen Jahr nach Syrien reiste und sich | |
der IS-Terrormiliz anschloss. | |
## Verweis auf das 13. Jahrhundert | |
In ihrem Kampf, den sie mit der Religion rechtfertigen, haben die | |
Extremisten Hunderte von Gefangenen niedergemetzelt. Meist waren es | |
syrische und arabische Soldaten, oft wurden ihre abgeschlagenen Köpfe an | |
öffentlichen Plätzen zur Schau gestellt – alles mit Verweis auf den Koran. | |
Al-Binali hat zudem die religiöse Rechtfertigung für die Versklavung | |
Hunderter Frauen der Minderheit der Jesiden im Irak geliefert. In einem | |
Online-Forum erklärte er: „Es gibt keinen Zweifel, dass die Versklavung der | |
Frauen von untreuen Kämpfern gerechtfertigt ist.“ Dabei berief er sich auf | |
einen Kleriker aus dem 13. Jahrhundert. | |
Führende islamische Autoritäten haben die Grausamkeiten der IS-Gruppe | |
verdammt und das Ausrufen eines Kalifats als illegitim bezeichnet, weil | |
dies einseitig und ohne die Zustimmung der angesehenen Kleriker geschehen | |
sei. Doch solche Kritik lässt die Terrormiliz kalt. Die traditionellen | |
religiösen Anführer sind für sie ohnehin nur Werkzeuge der autokratischen | |
Staaten in der Region. | |
Problematischer ist für den IS die Zurückweisung durch Veteranen des | |
Dschihad, darunter einige mit engen Verbindungen zum Terrornetzwerk | |
Al-Kaida. Die IS-Terrormiliz brach im Jahr 2013 mit dem Bündnis, das von | |
Osama bin Laden gegründet worden war. Grund war ein erbitterter | |
ideologischer Streit. Die Verbündeten der Al-Kaida in Syrien werden | |
mittlerweile als Feinde bekämpft. | |
## Neue Kleriker rekrutieren | |
Der jordanische Geistliche Abu Muhammad al-Makdisi gilt als Mentor des vor | |
Jahren getöteten Al-Kaida-Führers im Irak, Abu Musab al-Zarkawi. Die | |
Brutalität des IS verurteilt er. Abu Katada, ein anderer radikaler Prediger | |
aus Jordanien, der aus Großbritannien ausgewiesen wurde, nennt die | |
IS-Mitglieder gar Verbrecher. Und der mächtige Arm von Al-Kaida im Jemen | |
hat explizit die Enthauptung von Geiseln verurteilt. | |
Doch wenn es um die Rekrutierung einer neuen Generation von Radikalen geht, | |
erhält der IS Auftrieb von seiner professionellen Online-Taktik und von | |
seinen Erfolgen auf dem Schlachtfeld. „Das ist sicher auch ein Thema der | |
Trennung zwischen den Generationen“, sagt Aymenn al-Tamimi, Experte für | |
syrische und irakische Extremisten. Der IS zieht seiner Einschätzung nach | |
die jüngeren Intellektuellen und die Kämpfer an. | |
Al-Binali weist die Kritik der traditionellen Kleriker zurück. Doch im | |
November warnte er dann offenbar die Führung seiner Bewegung, dass ein | |
langsamer Zusammenbruch drohe, wenn man nicht andere bekannte | |
extremistische Kleriker gewinnen könne. Diese Information stammt aus | |
[1][dem anonymen Twitter-Account wikibaghdady], über den bereits mehrfach | |
interne Informationen aus dem IS verbreitet wurden. Offiziell werden die | |
Informationen von wikibaghdady nicht bestätigt, doch Experten halten die | |
Inhalte für weitgehend zutreffend. | |
Nach seinem Aufruf habe Al-Binali von der Führung grünes Licht erhalten, | |
Geistliche in Jordanien, Saudi-Arabien, Marokko, im Jemen und anderswo zu | |
kontaktieren und zu versuchen, sie für die Sache des IS zu gewinnen, heißt | |
es in dem Twitter-Account. Sie sollen dazu gebracht werden, sich in den von | |
der Terrormiliz kontrollierten Gebieten niederzulassen. Doch die | |
Geistlichen, deren Namen nicht genannt wurden, hätten alle abgelehnt, heißt | |
es bei wikibaghdady. | |
30 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://twitter.com/wikibaghdady | |
## AUTOREN | |
Bassem Mroue | |
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