| # taz.de -- Kommentar neue Regierung Tunesiens: Gemeinsam neoliberal | |
| > Die neue große Koalition in Tunesien versucht die Aussöhnung zwischen | |
| > Islamisten und Säkularen. Für Gewerkschaftler ist das ein herber Schlag. | |
| Bild: Der neue tunesische Premier Habib Essid stellt die Regierung vor. | |
| Tunesien hat die erste Regierung auf Grundlage der neuen Verfassung. Die | |
| säkulare Nidaa Tounes, die die Wahlen im vergangenen Herbst gewann, | |
| schliesst sich mit der zweitstärksten Partei, der islamistische Ennahda | |
| zusammen. Drei kleinere, liberale Formation runden das Bild ab. Es ist eine | |
| große Koalition, die unter dem Vorzeichen Stabilität und Sicherheit stehen | |
| soll. | |
| Doch für viele ist die Einigung zwischen Nidaa Tounes und Ennahda in erster | |
| Linie ein Pakt wider Natur. Entstand doch Nidaa Tounes eigens, um den | |
| Islamisten den Weg an die Macht zu verbauen. Jetzt nimmt das Sammelsurium | |
| aus linken, liberalen, Gewerkschafter aber auch Mitgliedern der alten | |
| Staatspartei RCD – unter ihnen der Regierungschef Habib Essid und Präsident | |
| Béji Caïd Essebsi – Ennahda an der Hand. Aussöhnung wäre ein schöner Tit… | |
| für das was da geschieht. Doch es ist mehr. Es wächst zusammen was zusammen | |
| gehört. | |
| Diejenigen, die bei Nidaa Tounes das Sagen haben, sind ebenso wie die | |
| Führer von Ennahda liberal gesinnt, nicht was die Politik angeht, aber sehr | |
| wohl in hinsichtlich wirtschaftlicher Fragen. Die kleineren | |
| Koalitionspartei kommen meist aus Unternehmerkreisen. | |
| Die Koalition scheint nur übermächtig. Doch sicher wird sie nicht so stabil | |
| sein, wie es die Parlamentsmehrheit auf den ersten Blick glauben macht. | |
| Ennahda wird versuchen erneut an Popularität zu gewinnen. Und beide großen | |
| Partner werden mit inneren Debatten zu kämpfen haben. Zu lange wurde der | |
| jeweilige Andere der Basis als Erzfeind verkauft. | |
| Mittelfristig könnte diese Koalition eine neue Ordnung in Tunesiens | |
| Parteiensystem schaffen. Denn viele Linke und Gewerkschafter, die Nidaa | |
| Tounes als Garant für ein weltlich, modernes Tunesien beigetreten sind, | |
| oder die Partei an den Urnen unterstützt haben, dürften sich schon bald | |
| umorientieren. | |
| Bleibt zu hoffen, dass die linke Opposition und die Zivilgesellschaft die | |
| Chance zu nutzten, und in den kommenden Jahren einen starken Gegenpol | |
| schafft. | |
| 4 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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