# taz.de -- Hohe Schwarzfahrerquote: Kulanz - ein Fremdwort für die BVG? | |
> Die BVG hat ihre Kontrollen stark erhöht - und sie erwischt viel mehr | |
> Schwarzfahrer als die S-Bahn. Grüne vermuten Mangel an Flexibilität als | |
> Ursache. | |
Bild: Wer das Stempeln vergisst, ist auf kulante Kontrolleure angewiesen. | |
Die BVG hat die Zahl ihrer Fahrscheinkontrollen 2014 gegenüber dem Vorjahr | |
fast verdoppelt. Die Quote der erwischten Schwarzfahrer ist im selben | |
Zeitraum leicht gesunken, liegt aber immer noch deutlich höher als die | |
Schwarzfahrquote bei der S-Bahn. So die Antwort auf eine parlamentarische | |
Anfrage der Grünen. Die Oppositionsfraktion fordert vor diesem Hintergrund | |
mehr Kulanz von der BVG und plädiert dafür, Schwarzfahren zur | |
Ordnungswidrigkeit herunterzustufen. | |
Eine gute Nachricht gibt’s auch: Es wird immer mehr mit Bus und Bahn | |
gefahren, die Beförderungszahl steigt. So rechnet die BVG für 2014 mit 970 | |
Millionen Fahrten, 2013 waren es noch 947,3 Millionen. Die S-Bahn, die 2013 | |
rund 402,4 Millionen Fahrten registrierte, kann für 2014 nach eigenen | |
Angaben noch keine Daten vorlegen. Es dürfte aber von einer ähnlichen | |
Steigerung auszugehen sein. | |
Die Zahl der Fahrscheinkontrollen hat die BVG, die die private | |
Sicherheitsfirma Wisag in die Spur schickt, vergangenes Jahr enorm erhöht: | |
von 2,8 Millionen (2013) auf 5,3 Millionen. Das Risiko für Schwarzfahrer, | |
in die Falle zu tappen, ist damit deutlich größer geworden. Die S-Bahn | |
verstärkte ihre Kontrolldichte nur leicht. Aber mit 7,9 Millionen | |
Ticketüberprüfungen macht das Tochterunternehmen der Bahn AG, das weniger | |
als halb so viele Kunden befördert wie die BVG, ohnehin viel mehr Druck. | |
Was nun passiert, lässt auch Verkehrsexperten rätseln: Die BVG fischt – | |
prozentual betrachtet – viel mehr Schwarzfahrer aus ihren Zügen als die | |
S-Bahn. Zwar ist die Quote von 8,2 Prozent der kontrollierten Fahrgäste | |
(2013) auf 6,8 Prozent (2014) gesunken, aber auch das ist noch viel mehr | |
als bei der S-Bahn mit 4,5 Prozent (2013) bzw. 4,2 Prozent (2014). | |
## Die S-Bahn liegt im Schnitt | |
Woher die Diskrepanz? Immerhin sind beide Unternehmen in einem gemeinsamen | |
Netz tätig. Der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar, von dem die | |
parlamentarische Anfrage stammt, verweist darauf, dass die niedrigere Quote | |
bei der S-Bahn dem Schnitt europäischer Großstädte entspricht. „Die BVG | |
liegt dagegen immer signifikant darüber.“ Gelbhaar vermutet, dass die | |
BVG-Kontrolleure einfach weniger kulant sind. „Da reicht es dann | |
vielleicht, dass Sie von der U-Bahn in den Bus umsteigen und der ein Stück | |
in die Gegenrichtung fährt. Das kann man dann als unzulässige Rückfahrt | |
interpretieren, wenn man will.“ | |
Zum wiederholten Mal forderte der Grüne, dass Schwarzfahren nur noch als | |
Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. Die zahlreichen Strafanträge, die die | |
Verkehrsunternehmen gegen Wiederholungstäter stellten, beanspruchten die | |
Justiz über die Maßen und verursachten hohe Kosten: Immerhin sei jeder | |
Dritte, der in einer Berliner Justizvollzugsanstalt eine sogenannte | |
Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, ein Schwarzfahrer, der die Geldstrafe nicht | |
bezahlen könne. | |
Bald dürfte es im Knast noch enger werden. Denn die Zahl der von der BVG | |
erstatteten Strafanzeigen ist 2014 regelrecht explodiert. Das Unternehmen | |
erklärt den Anstieg von 1.944 Anzeigen (2013) auf 33.723 (2014) mit | |
„technischen Problemen“, durch die „noch nicht berücksichtigte Daten aus | |
2012 und 2013 erst 2014 eingelaufen sind“. | |
Eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit könnte übrigens nur auf | |
Bundesebene geschehen: Die „Beförderungserschleichung“ im öffentlichen | |
Nahverkehr ist ein Tatbestand des Strafgesetzbuchs. | |
8 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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