Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Leberwurstbrot Caramba
> Es droht eine Begegnung der gefährlichen Art. Der Mann des scharfen
> Brotes kehrt zurück und mit ihm die Erinnerung an eine dramatisch
> verflossene Liebschaft.
Er war es, kein Zweifel. Wir gingen hinter dem Buswartehäuschen in Deckung,
und Theo wurde kalkweiß. Pepe hatte sich kaum verändert, trug noch immer
die lange Matte und den mächtigen Walrossschnurrbart.
„Ich habe dir immer gesagt, das holt dich noch mal ein“, hauchte Raimund,
„man weiß doch, wie temperamentvoll Mexikaner sind.“ – „Pepe ist kein
Mexikaner“, sagte ich. Tatsächlich hieß er Hans-Peter und kam aus Bad
Oldesloe. „Aber er sieht aus wie einer“, erwiderte Raimund: „Ich finde es
nur enttäuschend, dass er zwei Gorillas engagiert hat, um Theo zu
erledigen, statt hier alleine aufzutauchen: einen dicken Patronengurt um
die Hüften und zwei schwere Colts rechts und links.“
Pepe und die Gorillas überquerten langsam den Goetheplatz. Pepe zeigte
hierhin und dorthin, und einer der Gorillas machte Notizen, während der
andere fotografierte.
Vor zehn, zwölf Jahren war er Nacht für Nacht mit zwei voluminösen
Weidenkörben durch die Kneipen gezogen. Begleitet von Tina, seiner
Geliebten, versorgte er die Trinker mit Laugenbrezen und Käsebrötchen. Sein
Hit aber waren dick mit Schweinsleberwurst bestrichene Bauernbrotkniften,
die überall nur „Leberwurstbrote Caramba“ hießen, da sich in ihnen eine
extrascharfe Jalapeñochili verbarg, die dafür sorgte, dass den Trinkern
eine Stichflamme durch den Schädel schoss, die alle alkoholische Tumbheit
verzehrte und eine heilige Nüchternheit zurückließ.
Die Leute liebten ihn, und wahrscheinlich würde er noch heute durch die
Kneipen ziehen, wenn sich nicht Theo und Tina eines Tages auf einer Party
äußerst nahe gekommen wären und sich auch danach noch ein paar mal
getroffen hätten. Als Pepe entdeckte, was sie hinter seinem Rücken trieben,
verbrannte er die Körbe mitten auf dem Goetheplatz und verschwand auf
Nimmerwiedersehen. Raimund sagte schon damals: „Der kommt wieder. Und dann
wird abgerechnet, Theo.“
„Ich glaube, er hat uns noch nicht gesehen“, sagte Raimund jetzt, „lasst
uns verschwinden.“ – „Aber wie?“ – „Runter zum Fluss, dann zur
Kennedybrücke, und schon sind wir weg!“
Die Idee war gut, der Weg am Fluss aber leider gesperrt und von Baggern
aufgerissen. Als wir uns umdrehten, kamen Pepe und die Gorillas uns
entgegen.
„Mist, er hat uns doch gesehen – jetzt bleibt dir nur noch ein Fluchtweg“,
sagte Raimund. Er gab Theo einen Schubs, und dieser klatschte mit einem
überraschten Aufschrei in den Fluss.
Dann aber begriff er, dass er um sein Leben schwimmen sollte, und so
kraulte er davon, weshalb er nicht mehr erfuhr, dass es sich bei den
Gorillas um Reporter eines australischen Lifestylemagazins handelte, die
Pepes erstaunliche Lebensgeschichte aufschrieben, der damals bis nach
Sydney floh, dort mit dem Rezept von „Leberwurstbrot Caramba“ eine kleine
Firma gründete, mittlerweile sechzigtausend Kniften pro Woche vom Band
rollen ließ und Theo immer noch jeden Tag dafür dankte, ihn damals aus
diesem verschnarchten Provinznest vertrieben zu haben.
16 Feb 2015
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Kiosk
Nordsee
Ängste
Krankheit
Schädel
Geister
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Der goldene Drachen
Manchmal kann der Diebstahl eines simplen Feuerzeugs die Welt retten und
ein paar Knirpse um einen Berg Lakritzschnecken reicher machen.
Die Wahrheit: Das Leben eines heiligen Punks
Der Oberpunk, der einst Hollandfahrrad-Schluffi war und später Chirurg
wurde: An der Nordseeküste gibt es durchaus interessante Biografien.
Die Wahrheit: Wie ich den Morbus S. entdeckte
Es gibt so viele Ängste. Aber warum muss ich ausgerechnet an einer
unerklärlichen Phobie gegen Sitzmöbel leiden und deshalb überall stehen?
Die Wahrheit: Liebeskranke Hypochonder
Eingebildete Kranke, ein Arzt und eine Sprechstundenhilfe mit Augen so grün
wie ein Ozean im Bermudadreieck des Gesundheitswesens.
Die Wahrheit: Zur Dialektik des kahlen Schädels
Die Geschichte des Mannes ist eine Geschichte des Kampfs gegen den
Haarausfall. Und zwar schon seit der Zeit des Neandertalers.
Die Wahrheit: Einmal Zentralfriedhof und zurück
In Sommernächten bieten nur die Friedhöfe Ruhe vor den Menschenmassen in
der Stadt. Doch Besuche bei den Toten können merkwürdige Folgen haben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.