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# taz.de -- Anne-Frank-Dokudrama im Ersten: Opfer vor Täter
> Mit „Meine Tochter Anne Frank“ zeigt die ARD am Mittwoch die erste
> deutsche Verfilmung des Schicksals der Jüdin. Unterfinanziert und doch
> gelungen.
Bild: Die Darsteller (v.l.n.r.): Hannah Schröder, Mala Emde (Anne Frank), Lion…
Mehr als zwei Jahre hielt sich das jüdische Mädchen Anne Frank und ihre
Familie und einige Bekannte in einem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nazis
versteckt, bevor sie verraten und deportiert wurden. Das Tagebuch, das sie
während dieser Zeit schrieb, wurde in 70 Sprachen übersetzt und mehrmals
verfilmt – allerdings noch nie in Deutschland. Mit dem Dokudrama „Meine
Tochter Anne Frank“ liegt nun die erste deutsche Verfilmung vor.
„Es ist eigentlich absurd, dass das noch niemand vor uns gemacht hat“, sagt
Regisseur Raymond Ley, der gemeinsam mit seiner Frau Hannah Ley auch das
Drehbuch geschrieben hat. „Über die Gründe dafür lässt sich nur
spekulieren, aber es könnte auch daran liegen, dass Tätergeschichte
hierzulande von größerem Interesse ist als die Geschichte der Opfer. Auch
wenn es um das Relativieren deutscher Verbrechen im Nationalsozialismus und
gefühlige Landser-Befindlichkeiten geht, sind die Zuschauer immer gut zu
gewinnen.“
Im Zentrum seiner Produktion steht auf der Spielfilmebene die Zeit im
Amsterdamer Versteck. Die Enge, der ständige Streit, das Erwachsenwerden
des Mädchens, die Angst und die Bedrohung werden in diesem Kammerspiel dank
dem guten Schauspielerensemble und einigen klugen Regieeinfällen
überzeugend in Szene gesetzt.
Besonders hervor stechen Götz Schubert, der Otto Frank spielt, sowie die
18-jährige Mala Emde in ihrer Rolle als Anne. Die besondere Perspektive des
Vaters, die der Titel verspricht, spielt allerdings keine große Rolle. Die
Zeitzeugeninterviews, überwiegend mit Freunden Anne Franks, sind
aufschlussreich und bewegend. Ley reiste für sie um die halbe Welt.
## Produktion hatte keine Priorität
Vollends überzeugt das Dokudrama aber nicht. Die Stimmung in dem Versteck
zum Beispiel scheint immer gleich zu bleiben, eine Entwicklung gibt es
nicht. Außerdem bleiben viele Fragen offen, zahlreiche Aspekte unberührt:
Was für ein Leben führte die Familie in Frankfurt? Wie verlief die
einjährige Vorbereitung des Verstecks? Wer genau waren die Helfer, die sich
in Lebensgefahr begaben?
Natürlich ist eine TV-Produktion kein Geschichtsbuch, und eine
Notwendigkeit zur Vollständigkeit besteht schon gleich gar nicht – aber in
diesem Falle gibt es zu viele Lücken. Das ist vor allem deshalb schade,
weil das Schicksal von Anne Frank schon immer junge Menschen bewegt hat,
und die werden hier mit zu vielen Fragen zurückgelassen. Zu deren
Beantwortung wären wohl in erster Linie eine längere Spieldauer und mehr
Geld nötig gewesen, aber diese Produktion hatte bei der ARD anscheinend
keine Priorität.
„Die ARD weist massiv in ihrer Pressemitteilung darauf hin, dass es sich um
den ersten deutschen Film zu dem Thema handelt“, sagt Raymond Ley. „Dies
ist eine große Verpackung für unseren kleinen und letztlich
unterfinanzierten Film mit elf bis zwölf Drehtagen. Ich hatte
glücklicherweise ein kreatives Team, hoch motivierte Schauspieler und einen
gut gelaunten Produzenten, sonst wären wir dem Anspruch, den Anne mit ihrem
Tagebuch vorgibt, niemals gerecht geworden. Aber letztlich ist es
unangemessen und auch gefährlich, so atemlos ein solches Projekt
realisieren zu müssen.“
18 Feb 2015
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Judenverfolgung
ARD
Anne Frank
Film
8. Mai 1945
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