# taz.de -- Jugendliche und ihre Eltern: Mützen sind einfach nice | |
> Sie sind respektlos, tragen Mützen, rauchen, lieben Ballerspiele. Wie | |
> soll man Teenager nur verstehen? Vier Lektionen eines 14-Jährigen. | |
Bild: Unser Autor Fritz Wegemann läuft nicht gerne unbedenkten Hauptes herum. | |
Fritz heißt er. Ein junger Mann, vierzehn Jahre alt und auf welpenhafte | |
Weise ungeduldig. Als Schülerpraktikant kam er in die Redaktion. Erkläre | |
uns, was wir nicht verstehen, fragten wir ihn. Hier sind seine Lektionen: | |
## | |
Ich trage Mützen. Ich trag sie im Winter und im Sommer. Ich trage sie | |
draußen. Ich trage sie drinnen. Meine Mutter sagt: „Nimm die Mütze ab am | |
Tisch.“ Ich: „Wieso?“ Sie: „Weil es sich so gehört.“ | |
Ich behalte die Mütze auf. Sie ist für mich so wichtig wie die Hose. Wenn | |
ich die Mütze abnehme, fühle ich mich wie ohne Hose. Unter der Mütze bin | |
ich sicher. Kann besser arbeiten, kann besser nachdenken, kann mich besser | |
konzentrieren. Ich hab Mützen in allen Farben, Rot, Blau, Grün, Gelb, | |
Schwarz – am liebsten Schwarz. Mützen sind nice. | |
Ich weiß gar nicht, was die gegen Mützen haben? In der Kirche, in der | |
Schule, beim Essen – immer soll ich sie runternehmen. Tue ich es nicht, hat | |
meine Mutter schlechte Laune, der Lehrer konfisziert sie sogar. „Hey Papa, | |
bleib cool.“ | |
Warum wollen Erwachsene, dass ich mich schlecht fühle? Ich provoziere | |
nicht, ich habe einfach nur ’ne Mütze auf. Mein Klassenlehrer vergisst | |
manchmal im Unterricht, seine Kappe abzusetzen. Und? Keiner von uns sagt: | |
„Nimm sie ab.“ Also was jetzt: Mütze erst ab 30? Bald das neue Gesetz: | |
Verkauf von Mützen an Jugendliche unter 18 Jahren verboten? Und dann? Werde | |
ich dann von Polizisten auf der Straße angehalten, wie sie es manchmal bei | |
rauchenden Jugendlichen tun? | |
Einmal im Ski-Urlaub, da ist ein Junge in einer Kurve hingefallen und hat | |
sich wehgetan am Kopf. Der hatte keinen Helm auf und konnte nicht mehr | |
weiterfahren. Er fror. Da habe ich meine Mütze runtergenommen und sie ihm | |
geschenkt. | |
## 2. Das Rauchen sein lassen | |
Ich rauche nicht. Ich hab’s nur einmal ausprobiert. „Hey, ausprobiert, nur | |
ausprobiert!“ Zwischen Rauchen und Ausprobieren liegen Galaxien. | |
Alle sagen, sie hätten es nur ausprobiert, wenn sie beim Rauchen erwischt | |
werden. Aber ich, ich rauche wirklich nicht.Trotzdem gehe ich zu meinen | |
Freunden in der Raucherecke. Die Leute dort halten irgendwie zusammen, auch | |
wenn sie sich nicht kennen. Außerdem sind die Gespräche ausgelassener und | |
die Leute viel entspannter. | |
Neulich haben wir über die letzte Klassenfahrt geredet, haha, nach | |
Brandenburg wie jedes Jahr, was man halt so labert zu Brandenburg, | |
„blablabla“. „Mensch, du laberst wie Katrin Oertel“, sagt einer plötzl… | |
zu mir. „Wer ist denn das?“, fragt ein anderer. „Die Tussi von der Pegida, | |
die bei Günther Jauch war. Was die für einen Mist redet.“ Sage ich: „Hei�… | |
das, ich hab jetzt Mist geredet?“ Sagt ein Dritter: „Du doch nicht.“ Sagt | |
ein Vierter: „Dein Mist ist qualifiziert.“ Sagt ein Fünfter: „Dortmund h… | |
schon wieder verloren?“ Sag ich: „Scheiße.“ | |
Ich mag die Leute in der Raucherecke. Sie sind cool, eben weil sie rauchen. | |
Ich werd’ oft gefragt, ob ich mitmachen möchte, aber ich sag immer „Nee.“ | |
Meine Schwester raucht. Sie hat mal gesagt: „Zigaretten schmecken ekelhaft, | |
aber deswegen raucht ja keiner.“ Warum dann? Weil’s cool ist. Ich stehe | |
fast immer lässig neben meinen Kumpels und wenn ein Erwachsener vorbeikommt | |
und sagt, dass das jetzt aber wirklich nicht gut ist, wenn geraucht wird, | |
fühle ich mich gleich noch gelassener. | |
## 3. Ballerspiele spielen | |
Ich liebe Ballerspiele. Bei „Call of Duty“, da spüre ich jedes Mal das | |
Adrenalin in den Adern. Die Geräusche von Treffern klingen so gut, dass ich | |
nicht aufhören möchte. Und die knalligen Zahlen, die immer aufleuchten, | |
wenn man einen Gegner tötet! Ich liebe es, wenn man am Ende einer Runde das | |
Geld für die gemachten „Kills“ bekommt. Diese grünen Zahlen auf der | |
Spielbank, die sich nach jedem Spiel vermehren. | |
Das Argument, dass Jugendliche immer gleichgültiger werden im Umgang mit | |
Gewalt in Medien, kann ich sogar nachvollziehen. Mich lassen die | |
Nachrichten von Anschlägen und Morden fast immer kalt. Aber zu sagen, wir | |
Zocker würden zu potenziellen Amokläufern und Auftragskillern werden, kann | |
ich nicht verstehen. Obwohl ich Killerspiele spiele, heißt das nicht, dass | |
ich weiß, wie man eine Waffe richtig hält, geschweige denn die Hemmung | |
verliere, Menschen zu töten. | |
Und als ich das Video auf YouTube gesehen habe, wo die Terroristen in Paris | |
den Polizisten, der am Boden lag, einfach abknallten, ist mir schlecht | |
geworden. Das war Realität. Ich kann unterscheiden. | |
## 4. Keinen Respekt haben | |
Neulich Nacht bin ich auf dem Heimweg von ’nem Freund durch die Hasenheide | |
gefahren. Keine Passanten, keine Laternen, nur Drogendealer sind im Park im | |
Berlin. Mir war unheimlich, deshalb bin ich immer schneller gefahren. | |
Irgendwann kam ich an einem Jogger vorbei, der mich am Ärmel vom Rad | |
runterriss. Dann schrie er mich an, was das denn sei, so schnell an einem | |
Passanten vorbeizufahren? Und dass ich mich gefälligst entschuldigen solle. | |
Hab ich aber nicht gemacht. Da sagte er, ich sei respektlos. Ich: „Sie | |
haben mich doch vom Fahrrad gestoßen, ist das vielleicht respektvoll?“ | |
Auf Verständnis bin ich nicht gestoßen. Immer wird uns vorgeworfen, wir | |
Jugendlichen seien respektlos, wir drängeln uns angeblich immer vor, im | |
Bus, im Supermarkt, an der Kinokasse. Aber Erwachsene sind doch auch | |
Kindern gegenüber respektlos. Sie produzieren Atommüll und Abgase in Massen | |
und machen sonst was kaputt. | |
Viele Erwachsene denken: Wir sind ja nur Kinder, wir müssen machen, was | |
gesagt wird. Die glauben, wir ließen uns das gefallen. Ist dann aber nicht | |
so. | |
1 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Fritz Wegemann | |
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