# taz.de -- Die Wahrheit: Das Auslandsstipendium | |
> Eine Verunsicherung ergreift die Menschen, wenn diverse Ereignisse | |
> zwischen Wuppertal-Barmen und anderswo auf dem Mundharmonikaspiel | |
> beruhen. | |
Vorigen Freitag ahnte noch kein Mensch, dass ich jetzt diesen Text | |
schreiben würde. Ebenso wenig hätte jemand erwartet, dass es zu einem | |
Aufschub des Ratsbeschlusses über das Pusteröhrchen „Bodo“ und zur | |
Schließung der Staatlichen Mundharmonikavirtuosenentschädigungsstelle in | |
Wuppertal-Barmen kommen würde. An Koinzidenz möchte ich nicht glauben, | |
vielmehr empfinde ich es als höchst vielsagend, ja, verdächtig, dass in | |
beiden Fällen Gegenstände eine Rolle spielen, in die hineingepustet wird. | |
Vor dem Hintergrund solcher Ereignisse ist es kaum ein Wunder, wenn | |
Verunsicherung die Menschen ergreift. Kann diese Welt noch unsere Welt | |
sein? Wollen wir weiterhin in ihr leben? Solche Fragen werden häufig | |
gestellt. Mit dem Anstieg der Lebenshaltungskosten wächst aber das | |
Vertrauen, und die Menschheit gewinnt daraus zuletzt die Kraft zur | |
Fortexistenz. | |
Unmittelbar vor ihrer eigentlich niemanden wirklich überraschenden | |
Schließung hatte die Staatliche Mundharmonikavirtuosenentschädigungsstelle | |
mir ein Stipendium verweigert, weil ich nachweislich nicht das Geringste | |
mit dem Mundharmonikaspiel zu tun hatte. Doch schon wenig später wurde mir | |
ein anderes Stipendium gewährt, man konnte sich kaum vor dergleichen | |
retten. | |
Um in den Genuss der Zuwendung zu kommen, musste ich einige Monate in einer | |
der Villa Massimo vage vergleichbaren ausländischen Einrichtung verbringen. | |
Die Kosten für die Seereise wurden übernommen, der Name des Schiffs war | |
„SOS Nudelsalat“. Bevor ich an Bord ging, las ich aufmerksam die Hinweise | |
für Seereisende: „Risiken und Komplikationen lassen sich bei der Seefahrt | |
nicht völlig ausschließen. Die Schrecken der Weltmeere bilden sich meist | |
innerhalb mehrerer Monate zurück, können in sehr seltenen Fällen aber auch | |
von Dauer sein.“ | |
## Es gab nie Gebratenes zu essen | |
Während der Überfahrt hielt ich mich an den Kapitän, das gebot die | |
Lebensklugheit. Oft lud er mich in seine Kajüte ein, die er mit einem Vogel | |
teilte. Dieser Vogel gab die Stimmen von Personen, deren Abbildungen ihm | |
vorgelegt werden, naturgetreu und richtig wieder. Von Gott hatte er, wie er | |
behauptete, außerdem einige Kartentricks gelernt. Einmal rief er auch aus: | |
„Die Eins ist doch eine verdammte Zahl!“ | |
Zuletzt bedauerte ich fast, an Land gehen zu müssen, aber es half nichts. | |
Ich ließ mich zu der Villa fahren, in der ich die nächsten Monate | |
verbringen sollte. Jeweils drei Stipendiaten teilten sich eine von drei | |
großen Eisenpfannen, die im Villeninnenhof aufrecht an der Wand lehnten. | |
Niemand wusste, wozu die Pfannen da waren, denn es gab nie Gebratenes zu | |
essen, trotzdem schienen zwei davon stets irgendwo in Gebrauch zu sein, so | |
dass im Innenhof immer nur eine war. An der Tür zum Schlafsaal hing ein | |
Schild mit der Aufschrift „Nicht die Knochen der Schlafenden verkaufen!“ | |
Manchmal standen alle mitten in der Nacht auf und wollten heiraten. Man | |
musste eine Art zu leben für sich finden. Mein Konzept lautete: Den | |
Großteil des Tages verschlafen, während der übrigen Zeit Schwierigkeiten | |
machen. | |
3 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Eugen Egner | |
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