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# taz.de -- Die Wahrheit: Das Besingen der Inseln
> Trotz der Wahl eines Pseudonyms sind Insellieder nicht leicht unters
> Publikum zu bringen, das aus drei seltsamen Damen vom Festland besteht.
Unter einem Pseudonym wollte ich, der ich in der freien Natur für
gewöhnlich nicht vorkomme, die Inseln grob besingen, aber nur beim
Rasenmähen, damit mich niemand hörte. Die Findung des Pseudonyms stellte
kein großes Problem dar, mir kam dabei zugute, dass ich einst über
Wirtschaftsromantik promoviert hatte. Zwei Semester lang hatte unser
Professor, ohne es zu bemerken, nur alberne Namen an die Tafel geschrieben,
bis er in den Ruhestand geschickt wurde, was er ebenfalls nicht bemerkte.
Ich hatte stets alles notiert und verfügte nun über eine reiche Auswahl.
Nach reiflicher Überlegung wählte ich einen Künstlernamen, den ich hier
nicht nennen kann, da ich mein Pseudonym zu Lebzeiten begreiflicherweise
nicht lüften will. Außer dem Pseudonym trug ich damals nur eine seltsame
Halskette. Allein im Traum konnte ich erkennen, woraus sie bestand und wie
sie aussah, beim Aufwachen vergaß ich es wieder. Ich dankte meinem
Biografen im voraus für seine Mitarbeit, und er hielt sodann getreulich
fest, was geschah.
Eines Dienstagnachmittags fuhren drei ältere Damen auf synthetische Weise
vor und hielten bei meinen Schuhspitzen. Ich erwachte unsanft, eine
Erklärung verlangend. Die drei kamen dem Vernehmen nach von keiner der
Nachbarinseln, sondern vom Festland. Wie sie weiter zu verstehen gaben,
waren sie deutschen Glaubens und auf einer Mission. Ihre Mission bestand im
Dokumentieren der musikalischen Inselfolklore nach 1827 für nachfolgende
Generationen.
Durch irgendeinen Zufall, vielleicht infolge einer Schwachstelle in meiner
Geheimhaltung, wussten sie von meiner Absicht, die Inseln grob zu besingen,
kannten aber nicht mein Pseudonym. Sie hatten nichts Geringeres vor, als
dabei zu sein und die akustische Dokumentation zu besorgen. Zu diesem Zweck
führten die Damen ein Magnetophonbandgerät mit, welches in meiner Nähe
jedoch sofort aufhörte zu funktionieren.
Der Erfolg der ganzen Mission war jäh in Frage gestellt. Weil ich eine
gewisse Schuld empfand, baute ich den Rasenmäher so um, dass mit ihm
akustische Signale direkt sendefähig in Mono-Eternitwalzen geschnitten
werden konnten. Dieses Verfahren bot die beste von Menschen überhaupt zu
erzielende Tonqualität.
Die Damen dankten mir im voraus für meine Mitarbeit. Ohne Themen wie
Vertrag, Vergütung oder Aufwandsentschädigung gestreift zu haben, begannen
wir bei freundlicher Witterung mit den Aufnahmen.
Es war schockierend, wie ich mit weit aufgerissenem Mund und ganz falscher
Stimme sowohl die Tradition der westeuropäischen Vokalkunst beschmutzte als
auch mein ambitioniertes Vorhaben ad absurdum führte.
Das Geräusch des Rasenmähers übertönte mildtätig meinen groben Gesang, so
dass nachfolgende Generationen nur ein Motorgeräusch hören würden. Groß war
die Pracht dieser Aufnahmen. Wegen ihres Riesenerfolgs bei Eichhörnchen
wurde die gesetzliche Frist für Insellieder verlängert.
12 Dec 2014
## AUTOREN
Eugen Egner
## TAGS
Groteske
Traum
Groteske
Vergangenheit
Foto
Verwandtschaft
Ärzte
Bewegung
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