# taz.de -- Afrika im Museum: Kolonialismus bald vorbei | |
> Museum für Völkerkunde ruft ein Afrika-Jahr aus und verabschiedet sich | |
> vom bisherigen Ausstellungskonzept. | |
Bild: Nah dran: Ex-Museumschef Jürgen Zwernemann 1955 beim Wahrsager in Ziou i… | |
„Ganz Afrika in einem Raum – so eine Präsentation ist nicht mehr zu | |
halten.“ Wulf Köpke, Direktor des Museums für Völkerkunde, findet klare | |
Worte für den bisherigen Umgang seines Hauses mit Exponaten aus den | |
einstigen Kolonien. Denn ein einziger Saal für einen Riesenkontinent, das | |
ist Hilf- und Gedankenlosigkeit zugleich und ignoriert außerdem, dass man | |
sich inzwischen übers Internet oder bei den 50.000 in Hamburg lebenden | |
Afrikanern detailliert informieren kann. | |
## Konglomerat verschwindet | |
In anderen Worten: Der Afrika-Saal wird bis zum Herbst abgebaut – zugunsten | |
themen- oder regionsspezifischer Ausstellungen. Die erste soll ab dem 11. | |
Oktober von durchaus konkurrierenden afrikanischen Schönheitsidealen | |
handeln. Später will Köpke die Europa- und die Asien-Abteilung | |
umstrukturieren. Auch hier soll das aktuelle Exponat-Konglomerat | |
differenzierteren Präsentationen weichen. | |
Starten wird das für 2015 ausgerufene Afrika-Jahr des Museums mit einer | |
Schau über Kolonialismusgeschichte: „Aus einer anderen Zeit“ heißt sie und | |
zeigt die Exponate zur neuen Monografie des Ex-Museumschefs Jürgen | |
Zwernemann über die Kassena und Nuna. Zwernemann zählte 1954 zu den ersten | |
deutschen Ethnologen, die nach dem Zweiten Weltkrieg im damaligen | |
Französisch-Westafrika forschen durften – bei den Kassena und Nuna im | |
heutigen Burkina Faso sowie in Ghana. | |
Zwernemann und seine Kollegen erkundeten dort dörfliche Strukturen und | |
spirituelle Bräuche, brachten 2.000 Gegenstände mit. Einige – etwa die | |
Masken – waren nachgebaut, weil die echten aus spirituellen Gründen nicht | |
verkäuflich waren. Andere Stücke sind echt, und der aktuelle Museumschef | |
Köpke betont, dass die Forscher sie damals „im Spätkolonialismus“ | |
partnerschaftlich erworben hätten. | |
Was nicht heißt, dass alle Bestände unbedenklich wären – weswegen Köpke | |
zusammen mit dem Kolonialismus-Professor Jürgen Zimmerer 2014 ein | |
Forschungsprojekt initiierte, bei dem Studenten exemplarisch die Viten von | |
20 Exponaten ergründen. Dazu wird es Texte geben, die den Besuchern über | |
eine Museums-App zugänglich gemacht werden sollen. Und falls die | |
Studierenden herausfinden, dass Dinge zu Unrecht im Museum sind, will Köpke | |
mit den betreffenden Staaten oder Communitys verhandeln. | |
## Digitale Verfügbarkeit | |
Mit den Palau-Inseln etwa laufen derzeit Verhandlungen über Gegenstände, | |
die Hamburger Forscher 1910 dort kauften. Dieses Jahr wird eine Palauer | |
Wissenschaftlerin herkommen und die digitale Erfassung der Exponate | |
vorbereiten. Ähnliches ist mit Neuseeland geplant, „denn wir müssen uns ja | |
fragen: Wie machen wir diese Dinge den betreffenden Völkern zugänglich?“ | |
sagt Köpke. Oft seien sie mit der digitalen Verfügbarkeit einverstanden, | |
sodass die Exponate in Hamburg bleiben könnten. | |
Manchmal erfahre man auch, dass ein Gegenstand spirituell wertvoll oder gar | |
gefährlich sei und daher sei die Kooperation mit den Communitys so wichtig. | |
„Die Geistertanzhemden der Schwarzfuß-Indianer sollen wir nicht | |
herausgeben, hat uns ein Medizinmann gesagt“, sagt Köpke. Tatuierte | |
Maori-Schädel wiederum habe das Museum 1992 von sich aus restituiert. | |
5 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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