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# taz.de -- Diskussion um Tierschutz in Dänemark: Ferkel totklatschen für meh…
> Ein dänisches Schweinezucht-Magazin empfiehlt, mehr neugeborene Ferkel
> sofort zu erschlagen. Experten bezweifeln, dass das rechtens ist.
Bild: Schwimm, Schweinchen, schwimm! Bevor sie dich kriegen
STOCKHOLM taz | Erst sieht man neugeborene oder nur wenige Tage alte
Ferkel. Arbeiter greifen sie an den Hinterbeinen, klatschen sie mit dem
Kopf auf den Betonboden oder gegen Gatter und werfen sie in Müllcontainer.
Manchmal braucht es zwei, drei Schläge, bis die Tiere tot sind, manche
zappeln noch, wenn sie schon entsorgt sind. Im vergangenen Jahr liefen
solche Bilder – von Tierschützern heimlich gefilmt – über deutsche
Mattscheiben, jetzt werden ähnliche im dänischen Fernsehen gezeigt.
Der Anlass: In seiner aktuellen Ausgabe rechnet das Branchenblatt
issuu.com/schovsbo/docs/svinepro_web_9e568c879579d5:Svineproducenten den
einheimischen Schweinezüchtern vor, dass sie bislang viel zu zurückhaltend
mit dem vorbeugenden Töten von Ferkeln seien. Die Frage, ob es eine
Win-win-Situation sein könne, neugeborene Ferkel gleich zu erschlagen, wird
mit einem klaren Ja beantwortet.
Fast 70.000 Euro könne ein Mastbetrieb mit 1.000 Schweinen jährlich
zusätzlich verdienen, wenn die Angestellten alle Ferkel mit weniger als
einem Kilogramm Geburtsgewicht gleich töten. Die meisten würden nämlich
sowieso vor Schlachtreife sterben. Konkret würde das bedeuten, etwa 4
Millionen der jährlich 35 Millionen in Dänemark geborenen Ferkel sofort zu
erschlagen.
Derartige Ratschläge könne man zwar provozierend finden, sagt der Veterinär
John Haugegaard. Tatsächlich seien sie aber „rational“ und hätten vor all…
das Schweinewohl im Sinn. Und Erik Larsen, Vorsitzender des
Schweinezuchtverbandes, bestätigt, dass die Tötungsmethode in den
Filmaufnahmen auch in dänischen Mastställen übliche Praxis ist: „Es muss
nur korrekt ausgeführt werden.“
## „fester und präziser Schlag auf den Kopf“
KritikerInnen sehen allerdings einen Verstoß gegen EU-Tierschutzrecht. Laut
der [1][L:2009:303:0001:0030:DE:PDF:EG-Verordnung Nr. 1099/2009] gilt ein
„fester und präziser Schlag auf den Kopf“ zwar als geeignetes
Betäubungsverfahren bei Ferkeln bis zu 5 Kilogramm Lebendgewicht – dem muss
dann aber die Tötung beispielsweise durch Ausbluten folgen.
In Dänemark hält dagegen sogar die Tierschutzbehörde Dyreværnsrådet den
Schlag auf den Boden und den dadurch ausgelösten Schädelbruch für die
„effektivste“ Tötungsmethode. Die Voraussetzung aber ist, dass damit ein
umgehender Eintritt des Todes verbunden ist. Bo Algers, Professor an der
schwedischen Landwirtschaftsuniversität, stellt diese auch in Schweden und
Deutschland gebräuchliche Praxis infrage: Schonender sei eine Betäubung
oder Narkose vor der Tötung. Was aber teurer werde.
Dänemarks Schweinezuchtbranche rechtfertig das Erschlagen untergewichtiger,
aber lebensfähiger Ferkel grundsätzlich mit tierschutzrechtlichen
Vorschriften, die die Tötung kranker und verletzter Tiere zulassen: Auch
Untergewicht sei eine Krankheit.
Falsch, sagt dagegen Johan Beck-Friis vom schwedischen Veterinärverband:
Man gebe ja selbst zu, dass mindestens die Hälfte der fraglichen Ferkel bei
entsprechender Fürsorge überlebensfähig sei und sie aufzupäppeln der
Branche lediglich zu aufwendig erscheine. Das sei zynisch und werde
keineswegs vom Tierschutzgesetz gedeckt. Friis kritisiert: „Man sieht die
Schweine mehr als Rohware denn als lebende Individuen.“
## Überzüchtete Sauen
Die Zuchtbranche habe das Problem im Übrigen sogar selbst zu verantworten,
sagt die dänische Veterinärin Birgitte Damm. Die Sauen seien so
überzüchtet, dass sie die Föten im Leib nicht alle ausreichend ernähren
könnten. Wenn die Sau dann bis zu 25 Ferkel werfe, aber eben nur 14 Zitzen
habe, sei von vornherein klar, dass nicht alle genügend Nahrung bekämen.
Denn zusätzliche säugende Sauen oder eine Auffütterung per Hand sei den
meisten Betrieben zu teuer. Aber mit dem Aussondern zu schwacher Tiere
behandle man nur Symptome, nicht das Grundproblem.
Die Regierung in Kopenhagen hat sich noch nicht geäußert, was sie gegen die
systematische Tötung lebensfähiger Tiere aus Profitgründen unternehmen
will. Im deutschen Niedersachsen dagegen werden seit einigen Monaten
verendete Ferkel stichprobenartig von Veterinären daraufhin untersucht, ob
sie lebensunfähig getötet worden sind oder am Leben hätten erhalten werden
können. Man wolle damit „Übeltätern auf die Spur kommen“, erklärte
Landwirtschaftsminister Christian Meyer.
9 Mar 2015
## LINKS
[1] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Tierschutz
Ferkel
Schweinemast
Dänemark
Landwirtschaft
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