Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Israel vor der Parlamentswahl: Der „blasse Aktenfresser“ liegt …
> Es sieht nicht gut aus für Israels Ministerpräsidenten Benjamin
> Netanjahu. Herausforderer Jizchak Herzog hat in Umfragen einen knappen
> Vorsprung.
Bild: Überlebensgroß: Jizchak Herzog (l.) und Benjamin Netanjahu.
JERUSALEM afp | Letzte Umfragen vor der Parlamentswahl am kommenden
Dienstag in Israel haben der Likud-Partei des amtierenden
Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vier Sitze weniger vorhergesagt als
der Opposition. In einer am Freitag veröffentlichten Erhebung unter 1.032
Befragten erreichte das von Oppositionsführer Jizchak Herzog angeführte
Mitte-links-Bündnis Zionistische Union (ZU) 26 der insgesamt 120
Knessetsitze.
Der Likud kam demnach auf 22 Mandate. Dies berichtete die Zeitung Jediot
Ahronot als Auftraggeber. Die mögliche Fehlermarge wurde mit 2,5 Prozent
angegeben. In einer Umfrage unter 1.300 Stimmberechtigten, die gemeinsam
von den Zeitungen Jerusalem Post und Maariv in Auftrag gegeben wurde, kamen
die Meinungsforscher auf 25 Mandate für die ZU und 21 für den Likud.
Die mögliche Abweichung betrug hier drei Prozent. In beiden Umfragen kamen
weder das rechte Lager noch die linken, liberalen und arabischen Parteien
auf eine Mehrheit von mindestens 61 Sitzen. Es handelte sich um die letzten
vor dem Urnengang erlaubten Befragungen.
Als Zünglein an der Waage gilt deshalb weiterhin die zentristische Partei
Kulanu des früheren Likud-Politikers Mosche Kachlon. Diese neugegründete
Gruppierung kam in den am Freitag veröffentlichten Umfragen auf acht
beziehungsweise zehn Mandate. Die vorgezogenen Neuwahlen der Knesset waren
notwendig geworden, nachdem Netanjahus Mitte-rechts-Koalition Anfang
Dezember auseinanderbrach und das Parlament die Selbstauflösung beschloss.
## Netanjahu-Herausforderer Herzog
Falls die israelischen Wähler ihren konservativen Ministerpräsidenten
Netanjahu am Dienstag durch sein exaktes Gegenbild ersetzen wollen, haben
sie leichtes Spiel: Der einzige aussichtsreiche Konkurrent Herzog scheint
dann genau zu passen. Zurückhaltend und diplomatisch auftretend sowie
Abkömmling einer der illustresten politischen Dynastien des Landes ist der
Chef der gemäßigt linken Arbeitspartei das charakterliche Gegenteil
Netanjahus mit seinem bombastischen Stil.
Herzog sieht seine Stunde gekommen, die Ära Netanjahus, der mit einer
Unterbrechung neun Jahre an der Regierungsspitze stand, zu beenden. Dann
müsste der 54-jährige Rechtsanwalt und Vater dreier Kinder das Haus seiner
eigenen Kindheit in Tel Aviv verlassen, in dem er mit seiner Frau bis heute
lebt. Dabei hatten die Leitartikler der israelischen Medien geätzt, der
„blasse Aktenfresser“ werde niemals in die Premierministerresidenz in
Jerusalem einziehen, als er im Herbst 2013 zum Oppositionschef aufrückte.
„Als ich für den Vorsitz der Arbeitspartei kandidierte, schrieben sie, ich
hätte kein Charisma und sei chancenlos“, erinnerte Herzog kürzlich im
Gespräch mit der linksliberalen Tageszeitung Haaretz und fuhr fort: „Und
als ich vor einem Jahr sagte, ich sei die Regierungsalternative zu
Netanjahu, wurde ich ausgelacht.“
Alle Wahlumfragen räumen ihm diesmal realistische Chancen ein, als
Spitzenkandidat der stärksten Fraktion mit dem Versuch einer
Koalitionsbildung beauftragt zu werden. „So wie ich in der Vergangenheit
alle überrascht habe, wird mir das auch diesmal gelingen. Meine Zeit ist
gekommen“, versicherte Herzog.
## Kontrolliertes Ego
Als erfolgreicher Schachzug erwies sich die Bildung des Listenbündnisses
„Zionistische Union“ mit der liberalen Hatnua-Partei von Zipi Livni. An sie
will Herzog im Erfolgsfall den Chefposten im Kabinett nach zwei Jahren
abgeben. Auch dies mag als Beleg für sein kontrolliertes Ego gelten.
Doch es bleibt ein ehrgeiziges Ziel, erstmals seit Ehud Barak 1999 die
Arbeitspartei wieder dorthin zu führen, wo sie jahrzehntelang ihren
Stammplatz hatte: an die Spitze der Regierung. Denn ein relativer
Wahlerfolg könnte sich als Pyrrhussieg erweisen, wenn es Herzog als Führer
der stärksten Fraktion nicht gelingt, eine Koalition zu bilden und danach
Netanjahu doch zum Zuge kommt.
Vor 16 Monaten wurde Herzog in einer Urwahl überraschend deutlich an die
Spitze seiner Partei gewählt. Seit 2003 ist er Parlamentsabgeordneter und
war zuvor Kabinettssekretär seines politischen Ziehvaters Barak. In der
Knesset profilierte sich der Jurist als Sozialpolitiker. Er initiierte
erfolgreiche Gesetzesvorlagen zur Besserstellung von Behinderten, von
Opfern sexueller Gewalt und von Holocaustüberlebenden.
## Freund der Zweistaatenlösung
In der großen Koalition ab 2005 wurde Herzog Minister für Wohnungsbau;
später leitete er die Ressorts Tourismus, dann Soziales und bis 2011 das
Ministerium für Auslandsjudentum und Antisemitismusbekämpfung.
Außenpolitisch hat er sich immer für territoriale Zugeständnisse an die
Palästinenser ausgesprochen und ist für die Zweistaatenlösung als Grundlage
eines Friedensabkommens bekannt.
Gelingt es Herzog tatsächlich, das Amt des Ministerpräsidenten zu
übernehmen, würde das in die Familienchronik passen. Die Herzogs werden oft
als die israelischen Kennedys beschrieben, auch weil beide Clans
ursprünglich aus Irland stammen.
Großvater Jizchak, war nach der Staatsgründung 1948 der erste Großrabbiner
der aus Europa stammenden aschkenasischen Juden. Vater Chaim Herzog wurde
israelischer General, UN-Botschafter und dann Staatschef von 1983 bis 1993.
Und Onkel Abba Eban war Außenminister zu Zeiten des Sechstagekriegs 1967.
Auch politischer Adel verpflichtet.
13 Mar 2015
## TAGS
Zionistische Union
Benjamin Netanjahu
Likud
Jizchak Herzog
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Benjamin Netanjahu
Zionistische Union
Israelkritik
Jerusalem
Beziehung
Israel
Palästinenser
## ARTIKEL ZUM THEMA
Menschenrechtler über Israel: „Wir werden diffamiert“
Auch ohne Netanjahu wird sich für die Palästinenser nichts ändern, sagt
Hagai El-Ad. Warum die Besatzung andauern wird und Gespräche kein
Selbstzweck sind.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Israel: Erst mal alles abschalten
Israels Rundfunk steht eine Radikalkur bevor. 1.800 Kündigungen und mehr
Autonomie sind vorgesehen. Doch die Regierung bestimmt den Aufsichtsrat.
Netanjahu wittert Verschwörung: „Nur nicht Bibi“
Fremde Mächte wollen ihn stürzen, mutmaßt Israels Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu. Dass er selbst Teil des Problems sein könnte, kommt ihm
nicht in den Sinn.
Debatte Antisemitismus: Die Empörung ist verzerrt
Die größte Gefahr für Juden in Deutschland geht nach wie vor von Neonazis
aus. Und nicht etwa von arabischen Jugendlichen.
Amos Oz über Jerusalem 1960: Mit Judas wirst du nie fertig
Amos Oz erzählt von Verrätern und Helden im Jerusalem des Jahres 1960. Mit
einem Hinweis auf Molly Antopols Erzählungen, „Die Unamerikanischen“.
Deutsch-israelische Perspektiven: Getanzt wird trotzdem
Das deutsch-israelische Verhältnis steht im Zentrum der Leipziger
Buchmesse. Autoren aus beiden Ländern diskutieren und lesen aus ihren
Büchern.
Kommentar Buchmesse und Israel: Einfach wunderbar
Wer den anderen verstehen möchte, der lernt dies mithilfe von Büchern.
Insofern ist der Schwerpunkt „Israel“ der Buchmesse wichtig und richtig.
Debatte Israel vor der Wahl: Netanjahus langer Schatten
Im derzeitigen Wahlkampf dominieren der Konflikt mit den Palästinensern und
Irans Atomprogramm. Innenpolitische Probleme werden ignoriert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.