# taz.de -- Wahlen der italienischen Institutionen: Italo-Nazis in Berlin siege… | |
> Am 17. April sind die Wahlen der Komitees der Italiener im Ausland. Die | |
> neofaschistische Bewegung „Riva Destra“ hat vermutlich schon gewonnen. | |
Bild: Demonstration italienischer Stärke im Faschismus: das Sportareal Forum I… | |
Kameraden, ich habe dieses Land satt, in dem Einwanderer mehr Rechte haben | |
als die reinen Italiener. Wo raten Sie mir hinzugehen? | |
Berlin, Veteranenstraße. Unweit der Gethsemanekirche sitzt Simone Orlandini | |
in dem Büro seiner Filmfirma Rebis. | |
In der Filmszene trat der Regisseur erstmals auf der Berlinale 2010 in | |
Erscheinung. Auf einer improvisierten Pressekonferenz stellte er ein großes | |
Filmprojekt zum Komponisten Georg Friedrich Händel vor. Der Film wurde | |
jedoch nie realisiert, genauso wenig wie Orlandinis stark beworbene | |
Filmprojekte über den faschistischen Luftschiffpionier Umberto Nobile oder | |
„Inferno“. | |
Trotz der PR ist Orlandini in Berlin nicht besonders bekannt – auch nicht | |
unter den Italienern. Und wer ihn kennt, behauptet, er habe Orlandini | |
niemals sprechen hören. Deswegen war es eine große Überraschung für die | |
italienische Gemeinschaft in Berlin, als sein Name an der Spitze der Liste | |
der „Italiener in Berlin“ für die nächste Wahl der Comites auftauchte. | |
„PRIMA GLI ITALIANI“ - „Italiener zuerst“ ist einer der Slogans, der ei… | |
entgegen springt, wenn man auf der Website von Riva destra einen Artikel | |
liest, in dem behauptet wird: „Während man in Italien vor allem an die | |
Immigranten und an die Roma denkt, werden unsere Landleute ihrem Schicksal | |
überlassen.“ | |
„Riva Destra ist nicht faschistisch“, sagt Orlandini. „Bei Themen wie | |
Einwanderung kann ich nur mit RD übereinstimmen. Wir sind aber ungefähr | |
vergleichbar mit der CDU in Deutschland.“ | |
Ungefähr vergleichbar … | |
1994 gründete sich Riva Destra als Reaktion auf den politischen | |
Zusammenbruch der sogenannten Ersten Italienischen Republik und nach | |
Eintritt der rechten Partei Alleanza Nazionale in die erste Regierung | |
Berlusconi. Die Bewegung ist der extremistische Rand der italienischen | |
Rechten. Riva Destra war zum Beispiel gegen die Auflösung der | |
neofaschistischen Partei Movimento Sociale Italiano (MSI), die sich noch | |
nach dem Zweiten Weltkrieg in Italien für die Rehabilitierung des | |
Faschismus eingesetzt hat. | |
Viele Mitglieder beider Parteien waren in der Fronte della Gioventù, der | |
Jugendorganisation der MSI, und sind freundschaftlich mit den Kameraden der | |
Casa Pound und der neofaschistischen Europäischen Sozialbewegung verbunden. | |
Darüber hinaus wird Riva Destra Verbindungen zu den Rechtsterroristen | |
nachgesagt, die derzeit in Rom in den Skandal rund um die Hauptstadtmafia | |
(“Mafia Capitale“) verwickelt sind. | |
Fabio Sabbatani Schiuma ist der nationale Sekretär von Riva Destra und war | |
Vorsitzender des Römischen Rathauses. 2006 wurde wegen Wahlbetrugs gegen | |
ihn ermittelt, und im Oktober 2012 wurde ein Telefongespräch abgehört, das | |
Schiuma mit dem Terroristen Angelo Spreafico führte. Spreafico war einer | |
der gewalttätigsten Mitglieder der neofaschistischen italienischen | |
Organisation NAR, die zwischen 1977 und 1981 118 Personen ermordete. | |
Schiuma und Santori, seines Zeichens Ehrenpräsident der Riva Destra und | |
Vorsitzender des italienischen Regionalparlaments in Latium, sind einer | |
Meinung, wenn es gegen Roma-Unterkünfte in Italien und Einwanderung geht. | |
Oft sind sie gemeinsam an der Spitze von Demonstrationen gegen Roma und | |
Aufnahmezentren für Migranten zu sehen – sie zeigen den römischen Gruß, | |
rufen fremdenfeindliche Slogans. | |
Die rechtsextreme Bewegung in Italien ist gut vernetzt. Aber welches | |
Interesse hat diese italienische rechtsextremistische Bewegung ausgerechnet | |
in Berlin? | |
Die Geschichte der Comites ist ein halbes Jahrhundert alt. Sie beginnt in | |
den späten 60er Jahren mit der Gründung der ersten Konsularischen | |
Hilfsausschüsse durch das Auswärtige Amt, wurde 1985 in Comites umbenannt | |
und 2003 politisch institutionalisiert. Dafür sorgte vor allem der | |
ehemalige Minister für Italiener im Ausland, Mirko Tremaglia. Als | |
Freiwilliger hatte er unter Mussolini gekämpft, war zu einer Leitfigur der | |
Italienischen Sozialbewegung und der rechten Partei Alleanza Nazionale, aus | |
der später Berlusconis Il Popolo della Libertá hervorging. | |
In Deutschland engagierte sich vor allem der Gastarbeiter Bruno Zoratto für | |
die Comites. Zoratto war vor 30 Jahren als Chef der Zeitung Oltreconfine | |
und Koordinator der Organisation „Komitees Tricolori in der Welt“ die | |
Stimme der MSI in Deutschland. | |
Seit 2003 sind die Vertreter der Comites in kleinen örtlichen Parlamenten | |
organisiert. Ihr Vorsitzer wird von denen gewählt, die im AIRE, dem | |
amtlichen Verzeichnis der im Ausland ansässigen italienischen Staatsbürger, | |
eingetragen sind. | |
„Laut Gesetz“, sagt Massimo Darchini von der italienischen Botschaft in | |
Berlin, „tragen die Comites dazu bei, herauszufinden, welche sozialen, | |
kulturellen und staatsbürgerlichen Bedürfnisse die Gemeinschaft hat.“ Die | |
Aufgaben der Comites liegen irgendwo zwischen Unterstützung der neu | |
Zugezogenen und der Organisation von Kulturveranstaltungen. | |
Das weiß auch die Partei „Movimento Associativo Italiani all’Estero“ (Ma… | |
– zu Deutsch: die Vereinte Bewegung der Italiener im Ausland –, die in | |
Berlin durch Andrea Fusaro vertreten wird. Fusaro ist – im Gegensatz zu | |
Orlandini – bekannt in Berlin. 2006 wurde er vom Berliner Senat für sein | |
Engagement für gute Beziehungen zwischen Italien und Deutschland | |
ausgezeichnet. | |
Genauso bekannt wie er selbst ist seine Nähe zum Rechtsextremismus. Am 11. | |
Oktober 2014 zum Beispiel organisierte Fusaro gemeinsam mit dem für Europa | |
zuständigen Koordinator der Bewegung der Italiener im Ausland, Gian Luigi | |
Ferretti, eine Konferenz im Radsport-Club Charlottenburg. | |
„Berlin ist ein sehr beliebtes Ziel für junge Italiener. Ihr müsst euch | |
organisieren, um diese Jugend zu gewinnen“, sagte Ferretti dort auf der | |
Bühne. Ferretti ist der Exsekretär des Ministers Tremaglia und Gründer der | |
neofaschistischen Zeitung L’Italiano, die er gemeinsam mit dem ehemaligen | |
Neonazi Stefano Andrini herausgibt. Bis zu dieser Veranstaltung war | |
Orlandini ziemlich unbekannt. | |
„Wenige Tage zuvor hatte mich Orlandinis Frau kontaktiert“, sagt eine | |
Informantin, die anonym bleiben möchte. „Sie sagte, dass sie eine Partei | |
für die Wahl des Comites organisieren wollen. Es war eine große | |
Überraschung, als ich in ihrer Liste diesen Faschisten gesehen habe.“ | |
Am 19. November 2014, dem Stichtag zur Anmeldung der Comites-Listen, | |
entschied sich Fusaro, der eigentlich eine gemeinsame Liste mit dem | |
Gastwirt und Vertreter von Berlusconis Forza Italia in Berlin, Mario | |
Ferrera, angemeldet hatte, doch lieber mit Orlandini zusammenzugehen. | |
Dieser Entschluss überraschte nicht nur die Wähler, sondern auch die sechs | |
Kandidaten auf Orlandinis Liste, die ihre Kandidatur wegen „schwerer | |
inhaltlicher Differenzen“ zurückzogen. Riva Destra will sie dafür zur | |
Rechenschaft ziehen. | |
Das italienische Auswärtige Amt hat wegen der geringen Wahlbeteiligung im | |
Ausland die Wahlen auf den 17. April 2015 vertagt. Aber ob dies etwas | |
nützen wird? Wahrscheinlich nicht. „Leider hat Orlandini schon gewonnen“, | |
bedauert die Präsidentin des Berliner Comites, Simonetta Donà. „Da sechs | |
Kandidaten seiner Liste sich zurückgezogen haben, wird jede Stimme, die sie | |
erhalten, an den Hauptkandidat gehen. Also an Orlandini selbst.“ | |
Höchstwahrscheinlich wird also die neofaschistische Bewegung Riva Destra | |
mit ihren „neuen Menschen“ in die italienischen Institutionen in Berlin | |
einziehen. | |
21 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Riccardo Valsecci | |
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