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# taz.de -- Bestechungsskandal in Italien: Eine organisierte Geldwäsche
> Jetzt hat auch Regierungschef Matteo Renzi einen Bestechungsskandal am
> Hals. Der könnte sogar seine Koalition bedrohen.
Bild: Italiens Regierungschef Matteo Renzi muss viel erklären
ROM taz | Die Regierung unter Matteo Renzi hat ihren ersten großen Skandal
seit Amtsantritt vor gut einem Jahr. Die Affäre zieht womöglich den
Rücktritt des Verkehrsministers Maurizio Lupi nach sich. Am Montag ließ die
Staatsanwaltschaft Florenz einen führenden Beamten des Verkehrsministeriums
sowie drei Manager verhaften, Ermittlungen laufen gegen 47 weitere
Personen. Der Vorwurf: Die Beschuldigten sollen milliardenschwere
Staatsaufträge verschoben und kräftig abkassiert haben.
Im Zentrum der Affäre steht Ettore Incalza, der bis zum Dezember letzten
Jahres die Abteilung des Verkehrsministeriums leitete, die für die
Abwicklung praktisch aller großen Infrastrukturprojekte zuständig war. Egal
ob Autobahnen, U-Bahnen, Häfen, Eisenbahnstrecken: Incalza trug dafür
Sorge, dass „befreundete“ Unternehmen den Zuschlag erhielten. Die Firmen
wiederum revanchierten sich, indem sie jedes Mal den von Incalza
protegierten Manager Stefano Perotti zum Generaldirektor für die Projekte
beriefen.
Damit war allen Seiten gedient, wenn man den Florentiner Staatsanwälten
glauben darf. Perotti, der den Unternehmen auf die Finger schauen sollte,
soll Schmiergelder von bis zu 3 Prozent des Auftragswerts erhalten haben.
Da das Gesamtvolumen der von der Seilschaft gemanagten staatlichen
Investitionen seit 2001 bei 23 Milliarden Euro liegt, ergibt sich eine
Bestechungssumme von mindestens 230 Millionen Euro.
## Eine Rolex im Wert von 10.000 Euro
Im Gegenzug, so der Vorwurf der Ermittler, konnten die Bauunternehmen nach
Gutdünken schalten und walten. Aufseher Perotti winkte von den Firmen
geltend gemachte Kostensteigerungen regelmäßig durch; bis zu 40 Prozent
lagen die Ausgaben des Ministeriums über dem in den Ausschreibungen
angesetzten Auftragswert.
Verkehrsminister Maurizio Lupi selbst ist zwar gegenwärtig nicht von den
Ermittlungen betroffen. Die von den Fahndern vorgelegten Abhörprotokolle
zeichnen jedoch das Bild eines Politikers, der höchst enge Beziehungen zu
dem Spitzenbeamten seines Hauses und dessen Seilschaft unterhielt. Als vor
einigen Monaten die Regierung die Auflösung der Abteilung von Incalza
erwog, drohte Lupi gar mit einer Regierungskrise, um den Beamten in seiner
Schlüsselfunktion zu verteidigen. Und als Incalza Ende Dezember 2014
schließlich in Rente ging, beschäftigte Lupi ihn einfach weiter, nunmehr
mit einem Beratervertrag.
Zumindest der Sohn Lupis, ein 25-jähriger Ingenieur, profitierte. Von
Perotti erhielt der junge Mann zu seinem Uni-Abschluss eine kleine
Aufmerksamkeit: eine Rolex-Uhr im Wert von gut 10.000 Euro. Zudem wurde er
umgehend von einem mit Perotti verbandelten Unternehmen angestellt. Den
Kontakt hatte Lupi senior mit einem Telefonat selbst hergestellt.
Deshalb fordern jetzt diverse Oppositionsparteien, vorneweg Beppe Grillos
5-Sterne-Bewegung, den Rücktritt des Ministers, und wollen in den nächsten
Tagen ein Misstrauensvotum einbringen. Auch Ministerpräsident Matteo Renzi
hat, wie italienische Medien berichten, Lupi zum Amtsverzicht aufgefordert.
Doch der stellt sich einstweilen stur. Renzis Problem: Lupi, der seine
politische Karriere im Berlusconi-Lager begann und heute zu der kleinen
Partei Nuovo Centro-Destra (NCD – Neues Mitte-rechts-Lager) gehört, hat
einstweilen die Rückendeckung seiner Partei; NCD wiederum ist für den
Regierungschef numerisch unverzichtbar.
In Renzis eigener Partito Democratico (PD) dagegen mehren sich die Stimmen
derer, die Lupis Kopf fordern; vor allem die linken Minderheitsflügel der
PD könnten versucht sein, bei einem Misstrauensvotum zusammen mit der
Opposition zu stimmen. In diesem Fall stünde Renzi eine Koalitionskrise ins
Haus.
18 Mar 2015
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
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