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# taz.de -- Italiener in England: Mal nichts mit Mafia
> Lucy Levene hat Großbritanniens Dolce Vita fotografiert: italienische
> Einwanderer und ihre Feste. Sie lichtet sie absichtlich im „falschen
> Moment“ ab.
Bild: Man möchte sie lieber nicht als Schwiegermutter haben.
Sind weiße und rote Ballons auf einer Hochzeitsfeier besonders italienisch?
Sieht die Kirche St. Francesca Cabrini nicht aus wie ein pakistanisches
Gemeindezentrum? Könnten die Taufpaten nicht auch aus einem weißrussischen
Dorf sein? Tragen nicht vor allem Spanierinnen flache schwarze Schuhe zu
schwarzen Trägerkleidern? Wüsste man nicht, dass Lucy Levenes Bilder die
italienischen Communitys von Bedford und Peterborough zeigen, man könnte
auch Osteuropäer in Duisburg oder die katholische Minderheit in
Transnistrien vermuten.
Italiener sind temperamentvoll, hochkatholisch, achten auf ihr Äußeres,
feiern gerne große Feste und lieben die Familie, an deren Spitze la mamma
steht, und immer ist irgendwas mit Mafia. Für einen Moment zeigen sich in
Levenes Fotos genau jene Klischees – und man fragt sich, ob hier
Voyeuristisches wirkt. Die Porträtierten kommen einem ungelenk vor,
unvorteilhaft getroffen, irgendwie schief.
„Das, was ich von italienischem Leben wusste, wusste ich nur aus Filmen.
Also gar nichts“, sagt Lucy Levene. Sie hat während ihrer Arbeit deswegen
nicht selbst inszeniert, sondern es den Menschen überlassen, wo und wie sie
sich fotografieren lassen wollten.
Giorgio Garofalo, der als Kind eines italienischen Gastarbeiters nach
Bedford kam, vermittelte ihr die Kontakte. Links, im Bild „Stuhl“, sieht
man ihn auf der Schwarz-Weiß-Aufnahme, die gerahmt auf einem Stickdeckchen
steht – in einer Wohnung, die wie die Stube einer Westberliner Dichterin
anmutet. Es ist aber nicht ihr Alltag, den die Italiener Levene
offenbarten. Sie nahmen sie auf Hochzeiten, Beerdigungen oder Taufen mit.
## Der Spaghetti-Baum
Lucy Levene versucht, im „falschen Moment“ den Auslöser zu drücken, wie s…
sagt. Man muss länger hinsehen, um zu verstehen, was sie damit meint: Die
Augenblicke etwa, in denen sich die Community besonders theatralisch gibt.
Wenn sich drei Schwestern für ein Porträt direkt unter ein Kreuz stellen.
Oder wenn ein Unfall, ein Ausrutscher passiert, so wie dem Mädchen, das
beim Tanzen den Kopf nach hinten wirft, den Mund dabei zu weit aufreißt,
und an ihrem linken Fuß schon Schwellungen rausschauen. Ein Schnappschuss,
den sich das Mädchen wohl nicht unbedingt in die Vitrine stellen würde.
Anders die Dame auf „Portrait 2“: Aus dem „Club Prima Generazione“ ist …
dem Verein der ersten Einwanderergeneration, und so selbstbewusst guckt sie
in die Kamera, dass man meinen könnte, es gäbe da ein intimes Verhältnis
zwischen ihr und der Fotografin. Als hätte sie ihr die Geschichte ihrer
Lebenslinien erzählt, lange bevor sie – mit gemachtem Haar und Schmuck –
richtig hingerückt wurde. In Wahrheit entstand das Foto in drei Minuten.
„Wir haben kein Wort miteinander gewechselt. Sie sprach kein Englisch, ich
kein Italienisch. Ich weiß nicht mal, wie sie heißt, und im Hintergrund
drängelten schon die nächsten Club-Mitglieder, die auch alle unbedingt
fotografiert werden wollten.“ Die meisten posierten ähnlich. Sie hatten
sich ihre Posen wohl abgeschaut, aus Filmen oder Gemälden. „Portrait 2“
betitelt also nicht nur das Bild einer Frau, sondern vor allem die Idee
einer Frau von einer italienischen Frau.
„Es gibt keine objektive Dokumentation über das Leben einer Community.
Community ist immer Inszenierung“, sagt [1][Levene, die ihre Arbeit „The
Spaghetti Tree“ nennt]. So nämlich hieß ein Aprilscherz der BBC, die 1957
eine Dokumentation über eine Schweizer Familie ausstrahlte, welche
„Spaghetti-Bäume“ im Garten stehen hatte, von denen sie Spaghetti pflückt…
Der Sender erhielt damals Hunderte Anfragen: Ob das stimme – und wo man
diese Bäume kaufen könne.
1 Feb 2015
## LINKS
[1] http://www.lucylevene.co.uk/the_spaghetti_tree.shtml
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Fotografie
Mafia
Italien
England
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Berlin
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