# taz.de -- Zwei Biografien über Von der Leyen: Gefürchtete Umarmung | |
> Wird sie die nächste Kanzlerin? Gleich zwei neue Polit-Biografien über | |
> Ursula von der Leyen setzen sich mit dieser Frage auseinander. | |
Bild: In „Operation Röschen“ wird die Umarmungsstrategie Von der Leyens be… | |
Warum werden eigentlich Politikerbiografien geschrieben? Aus Verlagssicht | |
wohl vor allem, weil auf breites Interesse an einer halbwegs bekannten | |
Person spekuliert wird. Aus Autorensicht, weil die porträtierte Person das | |
Zeug zu noch mehr Macht haben könnte und man so günstigenfalls Biograf | |
einer Person der Zeitgeschichte würde. Ursula von der Leyen ist zweifellos | |
eine solche Person. Binnen einer Dekade wurde aus der biederen | |
niedersächsischen CDU-Gesundheitsministerin die toughe | |
Bundesverteidigungsministerin. Ein Aufstieg ins Kanzleramt scheint nicht | |
mehr ausgeschlossen. | |
Ebendiese Frage – kann sie Kanzlerin? – umkreisen zwei zeitgleich | |
erschienene Biografien. „Kanzlerin der Reserve“, lautet der | |
anspielungsreiche Titel der Focus-Journalisten Ulrike Demmer und Daniel | |
Goffart; „Operation Röschen“ der beiden Zeit-Autoren Peter Dausend und | |
Elisabeth Niejahr. | |
Zum Glück, muss man sagen, unterscheiden sich die beiden Bücher, und zwar | |
sowohl was ihre These als auch ihren Ton betrifft. Während Demmer und | |
Goffart Ursula von der Leyen einen unbedingten Machtwillen attestieren, | |
gestehen Dausend und Niejahr der 56-Jährigen echte Überzeugungen und Lust | |
auf die jeweilige Aufgabe zu. Von der Leyens mitunter gefürchtete | |
Umarmungsstrategie sei keineswegs immer planvoll, sondern qua Herkunft | |
ererbt. | |
Diese Herkunft ist großbürgerlich schillernd. Ursula von der Leyen, von | |
allen in der Familie Röschen genannt, ist die Tochter des früheren | |
niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Vierzig Jahre | |
lang führt sie ein Leben abseits der Politik, sie heiratet, wird Ärztin und | |
bekommt sagenhafte sieben Kinder. Erst 2001 findet sie in die Lokalpolitik. | |
Auch dank ihres Vaters steigt sie in Niedersachsen kometenhaft auf – vom | |
Fraktionsvorsitz einer 23.000-Einwohner-Gemeinde geht es schnurstracks nach | |
Hannover ins Landesgesundheitsministerium. 2005 holt die neue CDU-Kanzlerin | |
Merkel die Frau mit der praktischen Haarspangenfrisur ins | |
Familienministerium. | |
## Eine beispiellose Karriere | |
Es ist der Beginn einer bis dahin beispiellosen bundespolitischen Karriere. | |
Und aus Sicht vieler ihrer Parteifreunde eine krasse Fehlbesetzung. Wer | |
gehofft hatte, mit der Albrecht-Tochter den alten Konservatismus | |
westdeutschen Zuschnitts gebucht zu haben, wird bitter enttäuscht. Die Frau | |
ist von derart großem Selbstbewusstsein durchdrungen, dass sie ihre | |
Lebenssituation als Vorgabe für familienpolitische Projekte heranzieht. Sie | |
führt das Elterngeld ein, organisiert die Betreuung unter dreijähriger | |
Kinder und legt sich zu allem Übel mit der katholischen Kirche an. | |
Ab 2009, sie ist mittlerweile Arbeitsministerin, wendet sie sich verminten | |
Themen wie dem Mindestlohn und der Frauenquote zu, der stillen Zustimmung | |
der Kanzlerin gewiss. Ihre Zähigkeit und ihr Ehrgeiz qualifizieren sie 2013 | |
für das Amt der Bundesverteidigungsministerin. Die Haare sind da längst | |
kürzer, ihre Entscheidungswege ganz kurz, ihr Politikverständnis | |
zielgerichtet wie nie zuvor. Der Frau mit dem Albrecht’schen Lächeln, das | |
so anziehend wie abstoßend wirken kann, wird das Zeug zur Kanzlerin | |
attestiert. | |
Den Weg bis hierhin zeichnen beide Bücher absolut lesenswert nach. Es | |
werden Schnurren aus der Familie zum Besten gegeben, | |
Psychologisierungsfallen werden fast immer klug umschifft. Halten Demmer | |
und Goffart eine fast schon misstrauische persönliche Distanz zur | |
Porträtierten, indem sie ihr Kalkül in allen Lebenslagen nachzuweisen | |
versuchen, leisten sich Dausend und Niejahr immer mal wieder warme Ironie. | |
Gekonnt werden in „Operation Röschen“ Reportage und Analyse verknüpft. Und | |
im Kapitel „Macht“ unternehmen sie gar den – gelungenen – Versuch, die | |
Umarmungsstrategien der Mittfünfzigerin zu kategorisieren. | |
## Kann sie Kanzlerin? | |
Könnte Ursula von der Leyen Kanzlerin, ja oder nein? Abgesehen davon, dass | |
als ziemlich sicher gilt, dass Angela Merkel 2017 noch einmal antritt, hält | |
sich die „Kanzlerin der Reserve“ ausgerechnet hier vornehm zurück. Das | |
entsprechende Kapitel endet mit dem wenig überraschenden Satz „Wir wissen | |
es nicht“. | |
Die Zeit-Journalisten errichten für den Fall, dass … ein interessantes | |
Gedankenkonstrukt: die Überzeugungstäterin als Verheißung. Nach den | |
Merkel-Jahren des „Weiter so“ wäre die „Offensivpolitikerin“ von der L… | |
eine Tür in die diskursive Tagespolitik. „Statt Führung von hinten ein | |
bisschen mehr Orientierung nach vorn, statt Bodenständigkeit ein bisschen | |
mehr Charisma.“ Die Frau aus Niedersachsen als eine Art Turbomutti 2.0. | |
Im Wege stehen könnte von der Leyen ihre Selbstgewissheit, die das Eigene | |
für gesetzt hält und der eine gewisse Verachtung für Bedenkenträger | |
innewohnt. Wer 2014 erlebt hat, wie die frisch gekürte | |
Bundesverteidigungsministerin auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine | |
aktivere deutsche Außenpolitik angemahnt hat, dürfte beim Gedanken an eine | |
Merkel-Nachfolge angst und bange werden. Das Kanzleramt ist schon noch mal | |
eine ganz andere Hausnummer als der Bendlerblock. | |
21 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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