# taz.de -- Teure Sparmaßnahme: Bremen lässt die Lichter an | |
> Bremen beteiligt sich nicht mehr an der „Earth Hour“, die am Samstag ein | |
> Zeichen für Klimaschutz setzen soll. Das Umweltressort hält die Aktion | |
> für überholt. | |
Bild: Energiesparpotenzial hat auch das Musikfest Bremen | |
BREMEN taz | Um 20.30 Uhr am Samstag gehen rund um den Globus für eine | |
Stunde die Lichter aus: an der chinesischen Mauer, der Golden Gate Bridge, | |
an der Christus-Statue in Rio de Janeiro, am Eiffelturm, dem Brandenburger | |
Tor. Allein in Deutschland in 226 Kommunen, zu denen 2014 auch Bremen noch | |
zählte. Dieses Jahr jedoch bleiben Petri-Dom und Rathaus hell erleuchtet: | |
Bremen verabschiedet sich aus der „Earth Hour“ genannten symbolischen | |
Klimaschutz-Aktion. | |
Man sei unter den ersten Städten gewesen, die sich an der 2007 eingeführten | |
Aktion beteiligt hätten, sagt Umweltressort-Sprecher Jens Tittmann. Da sei | |
es konsequent, dass die Stadt auch als eine der ersten die Überholtheit der | |
Aktion erkenne. Tittmann verweist darauf, dass Licht nur zwei bis fünf | |
Prozent des privaten Stromverbrauchs verursache – was durch die | |
LED-Ausbreitung weiter sinke. „Mit ,Licht aus‘ kann man heute kein | |
angemessenes Klimaschutz-Signal mehr senden“, sagt Tittmann. Die Earth Hour | |
sei „eine gute Marketing-Aktion der Vergangenheit, nicht aber der Zukunft“. | |
Angela Dittmer von der SWB verweist auf einen fünfstelligen Betrag, den die | |
die Aktion koste. Dieses Geld wolle man lieber in alltägliche | |
Energiespar-Projekte investieren wie die Fortbildung von | |
Langzeitarbeitslosen zu Energieberatern. | |
Dittmer erklärt die erstaunlichen Kosten so: Damit der dunkle Dom richtig | |
zur Geltung kämen, müsse auch deren Umgebung einbezogen werden. Doch für | |
ein Bankhaus wie Neelmeyer am Markt ist Dunkelheit kein erstrebenswerter | |
Zustand, auch andere Firmen müssen ihre Wachdienste umdisponieren. | |
Normalerweise werden sie alarmiert, wenn Sensoren plötzlichen Lichtausfall | |
melden. Komplexe Systeme müssen plötzlich manuell gesteuert werden, das | |
erfordere „immense Manpower“, sagt Dittmer. Auch bei der SWB fielen | |
erhebliche Zuschläge für Samstagsarbeit an. | |
Viel Aufwand für ein nicht immer beeindruckendes Resultat: „Wir hatten | |
immer einen optischen Flickenteppich, da einige Privathäuser nicht | |
mitmachen“, bedauert Tittmann. Zudem erschwerten zahlreiche | |
Sicherheitsvorschriften die Aktion: Fluchtwege müssen beleuchtet bleiben, | |
Straßenlaternen weiter brennen. Tittmann resümiert: „Es ist Zeit für etwas | |
Neues.“ | |
Bremen ist nun die einzige der zehn größten deutschen Städte, die dem | |
Aufruf des UN-Generalsekretärs zur Teilnahme nicht folgt. Aber ist die | |
Earth Hour tatsächlich Symbolpolitik von gestern? Wäre es zielführender, | |
für einen Tag die Kohlekraftwerke herunterzufahren? Der WWF findet den | |
Earth Day in seiner bisherigen Form nach wie vor sinnvoll, sogar ein | |
Erfolgsmodell: „Dieses Jahr stellen wir neue Rekorde auf“, sagt | |
WWF-Sprecher Immo Fischer der taz. Den 226 deutschen Kommunen – weltweit | |
sind es rund 7.000 – stünden 160 in 2014 gegenüber. Angesichts dieses | |
gewaltigen Zuwachses sei der Bremer Ausstieg überraschend und bedauerlich. | |
Relevante Kostenprobleme durch die Earth Hour seien ihm andernorts nicht | |
bekannt. | |
Symbolische Aktionen sind wegen ihrer Punktualität immer umstritten, das | |
gilt für den Veggieday wie für den autofreien Sonntag. Die Earth Hour | |
erhebt nicht den Anspruch, für sich genommen energiesparend zu wirken: „Wir | |
konnten bisher keine Auswirkungen während der Earth Hour messen“, bestätigt | |
Dittmer. Falsch sei allerdings die verbreitete Annahme, das Aus- und | |
Anschalten der Lichter innerhalb einer Stunde verbrauche durch den | |
Zündvorgang mehr Energie, als der kurzfristige Ruhezustand spare. Bereits | |
ab einer Lichtpause von einer Minute lohne sich das Ausschalten | |
theoretisch. In Städten wie Toronto erreicht die Reduktion des | |
Stromverbrauchs während der Earth Hour regelmäßig Werte von rund 15 | |
Prozent. | |
Ernüchternd bleibt die Erkenntnis, dass sämtliche Energiespar-Anstrengungen | |
und technischen Fortschritte den Stromverbrauch bislang nicht senken | |
konnten. Er ist nach Angaben der SWB in Bremen mit 14 Milliarden | |
Kilowattstunden seit zehn Jahren nahezu konstant – ein Viertel entfällt | |
stets auf Privathaushalte. Statt des einstündigen Ausschaltens der | |
Beleuchtung könnte also das systematische, möglicherweise ritualisierte | |
Reduzieren der Vielzahl elektronischer Geräte im Haushalt eine sinnvolle | |
Weiterentwicklung der Earth Hour darstellen. | |
27 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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