| # taz.de -- Wilderei bedroht Breitmaulnashorn: Da waren es nur noch fünf | |
| > Naturschutzorganisationen haben das Nördliche Breitmaulnashorn schon | |
| > abgeschrieben. Dabei könnte es im Reagenzglas noch gerettet werden. | |
| Bild: Sie ist noch da: das Nördliche Breitmaulnashornweibchen Nijan auf der ke… | |
| BERLIN taz | Was vom Nördlichen Breitmaulnashorn übrig bleibt, sind seine | |
| Gene. Dreizehn Zelllinien von Ceratotherium simum cottoni haben Thomas | |
| Hildebrandt und seine Kollegen in den Kühlbehältern des Instituts für Zoo- | |
| und Wildtierforschung (IZW) in Berlin eingefroren. Hildebrandt leitet dort | |
| die Abteilung Reproduktionsmedizin. Wenn er machen könnte, was er will, | |
| würde er den noch lebenden Kühen des Nördlichen Breitmaulnashorns Eier | |
| entnehmen und diese einfrieren. | |
| Wenn er und sein Team dann mit den Eiern der Südlichen Breitmaulnashörner | |
| erforscht hätten, wie Breitmaulnashörner im Reagenzglas gezeugt werden, | |
| würde er die Eier mit den Spermien aus den Kühlkammern in vitro | |
| verschmelzen und die Embryonen einer Leihmutter von den Südlichen | |
| Breitmaulnashörnern einpflanzen. Eventuell könnte die nördliche Art so der | |
| Nachwelt erhalten bleiben. | |
| Doch die Forschung an Nördlichen oder Südlichen Breitmaulnashörnern gehört | |
| in Deutschland nicht zur Grundlagenforschung. Deshalb hat Hildebrandt | |
| bisher keinen Geldgeber für die Rettung gefunden. | |
| Für die Eiabnahme in Frage kommen noch zwei Tiere auf der privaten | |
| Wildtierranch Ol Pejeta in Kenia. Ihre einzigen noch lebenden weiblichen | |
| Verwandten in den Zoos von San Diego in Kalifornien und Dvur Kralove in | |
| Tschechien sind zu alt. Die Nördlichen Breitmaulnashornweibchen Fatu und | |
| Nijan auf der kenianischen Wildtierranch produzieren Eizellen, können | |
| selbst jedoch keine Nachkommen mehr bekommen. Beide Nashornkühe haben | |
| Zysten in der Gebärmutter, fanden Thomas Hildebrandt und sein Kollege | |
| Robert Hermes bei einer Visite vor wenigen Wochen heraus. Ihre Hüftknochen | |
| sind zudem zu brüchig, um ein Kalb auszutragen. Und ihr Lebensgefährte | |
| Sudan kann schon Länger nicht mehr zur Kopulation auf den Hinterbeinen | |
| stehen. | |
| ## Reden statt retten | |
| Die drei Tiere gehören dem tschechischen Zoo Dvur Kralove und leben seit | |
| Dezember 2009 auf der Wildtierranch Ol Pejeta. Artenschützer aus dem | |
| international besetzten „Rettungsprojekt für das Nördliche | |
| Breitmaulnashorn“ hatten sie dorthin verfrachtet und gehofft, dass die | |
| Tiere sich in ihrem natürlichen Lebensraum auch wieder natürlich vermehren | |
| würden. In den Zoos der Welt hatten die Nördlichen Breitmaulnashörner 1998 | |
| aufgehört, sich fortzupflanzen. Zwischen 1980 und 2000 wurden fünf | |
| Nördliche Breitmaulnashörner in Gefangenschaft geboren. Dann war Schluss. | |
| „Selbst wenn die vier lebenden Kühe Nachkommen produzieren könnten, wäre | |
| die Gefahr der Inzucht groß“, sagt Rob Brett, Rhinozerosexperte der | |
| britischen Organisation Flora Fauna International (FFI). FFI gehört zu der | |
| Gruppe aus internationalen Naturschutzorganisationen, Zoos und | |
| wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, die seit Jahren über die | |
| Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns im „Rettungsprojekt“ reden. | |
| Brett hat nun ebenso wie die Artenschützer der einflussreichen Organisation | |
| IUCN das Nördliche Breitmaulnashorn aufgegeben. „Wir haben einen Punkt | |
| erreicht, an dem wir nicht wirklich eine Wahl haben, als zu versuchen, die | |
| Nördlichen und Südlichen Breitmaulnashörner zu kreuzen, um einige Gene des | |
| Nördlichen Breitmaulnashorns zu erhalten, um später evolutionäre | |
| Anpassungen an wilde Habitate zu erreichen“, schreiben IUCN-Experten. Die | |
| Organisation gibt im Artenschutz weltweit den Ton an und ist berühmt für | |
| die Roten Listen der bedrohten Tierarten. Auch IUCN ist am „Rettungsprojekt | |
| Nördliches Breitmaulnashorn“ beteiligt. | |
| ## Ein Ökotyp? | |
| Rob Brett spricht bei der Art nur noch von einem „ecotype“. Ein „Ökotyp�… | |
| bezeichnet in der Biologie nicht einmal eine Unterart. Demnach wäre das | |
| Nördliche Breitmaulnashorn nur eine geografische Variante des Südlichen | |
| Breitmaulnashorns. Und davon leben schließlich noch 16.000 bis 20.000 | |
| Tiere. | |
| Die Gleichsetzung der beiden Nashörner ist wissenschaftlich jedoch nicht zu | |
| halten. Das Nördliche und das Südliche Breitmaulnashorn unterscheiden sich | |
| zu mindestens vier Prozent in ihrem genetischen Material voneinander. Das | |
| ist in etwa der Unterschied zwischen Menschen und Schimpansen. Brett und | |
| die IUCN-Nashornretter wollen also, dass eines Tages die Gene der | |
| Nördlichen Breitmaulnashörner in die der Südlichen eingekreuzt werden. | |
| Die Hybride hätten dann ein paar Eigenschaften der nördlichen Art und wären | |
| eventuell besser an den Lebensraum der Nördlichen angepasst. Der Vorteil | |
| aber ist: Die Kreuzungen können auch nach dem Ableben des letzten | |
| Nördlichen Breitmaulnashorns geschehen, wenn Gras über das Verschwinden der | |
| Art gewachsen ist. | |
| „Mit der Erklärung zur Unterart suchen die Verantwortlichen den | |
| Notausgang“, sagt Robert Hermes. Er drängt zur Eile. Denn um die Art der | |
| Nördlichen Breitmaulnashörner zu erhalten, müssten Eizellen der noch | |
| lebenden Tiere entnommen werden. Die Herabstufung der letzten Nördlichen | |
| Breitmaulnashörner zu einem Ökotyp würde das Aussterben jedoch als einen | |
| nicht so bedeutenden Verlust für die Tierwelt darstellen. Denn der Exodus | |
| des Nördlichen Breitmaulnashorns dokumentiert das Versagen von europäischen | |
| und amerikanischen Naturschützern. „Sie diskutieren es tot“, sagt einer der | |
| deutschen Beteiligten am Rettungsprojekt. | |
| ## Naturschutz versagt | |
| „Der klassische Artenschutz hat versagt“, sagt auch Mediziner Thomas | |
| Hildebrandt. „Die verantwortlichen Organisationen haben nicht erkannt, dass | |
| nach zwei Jahren der Versuch in Ol Pejeta gescheitert war.“ Damals lebte | |
| sogar noch Bulle Suni, der im November 2014 plötzlich tot in seinem Stall | |
| lag. Doch Naturschutzorganisationen folgen ihren eigenen Machtinteressen. | |
| Vor allem die international tätigen Organisationen verdienen Geld mit der | |
| Bedrohung und mit der Rettung von Tieren und Lebensräumen. | |
| Spenden bekommen die Organisationen vor allem für die Rettung. Die | |
| britische FFI wirbt auf ihrer Internetseite noch heute um Spenden für das | |
| Nördliche Breitmaulnashorn mit der Aussage: „Hope remains“. Demnach gebe es | |
| noch Hoffnung, dass die Tiere sich „natürlich vermehren“. Das war bisher | |
| die Strategie von Rob Brett und FFI, die dafür gesorgt haben, dass die | |
| Breitmaulnashörner in das Camp von Ol Pejeta kommen. In derartigen | |
| Wildtierranches und Gebieten verdienen die internationalen | |
| Naturschutzorganisationen Geld, indem sie zahlungskräftige Gäste in den | |
| Wildtiercamps bewirten und Tiere zeigen. | |
| Die privaten Betreiber der Ol Pejeta Ranch werben auch gern damit, dass | |
| Besucher dort die „once in a lifetime opportunity“ haben, die letzten | |
| Nördlichen Breitmaulnashörner zu sehen. Die ebenfalls an der Rettung der | |
| nördlichen Art beteiligte Organisation IUCN wirbt selbst heute noch für | |
| einen Besuch des von ihr geförderten Garamba Parks im Kongo. Denn: „Der | |
| Park enthält wahrscheinlich die letzte lebensfähige Population der | |
| Nördlichen Breitmaulnashörner.“ Laut IUCN leben dort noch 23 Tiere. Das | |
| wäre eine Sensation. Denn bei der letzten Zählung der Frankfurter | |
| Zoologischen Gesellschaft 2008 gab es dort keine mehr. | |
| 4 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Fokken | |
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