# taz.de -- Sozialisten in Frankreich: „Mit voller Kraft an die Wand“ | |
> Frankreichs Sozialisten sind nach der Departementswahl gespalten und | |
> debattieren die Zukunft. Für Kompromisse bleibt wenig Spielraum. | |
Bild: Ministerpräsident Manuel Valls braucht langsam Hilfe von oben. | |
PARIS taz | Die Französinnen und Franzosen haben die Gelegenheit beim | |
Schopf gepackt, ihren Unmut über die Staatsführung zu zeigen: Bei den | |
Departementswahlen an den beiden letzten Wochenenden ging es kaum um lokale | |
Fragen und Leistungsbilanzen – sogar die Persönlichkeit der KandidatInnen | |
(dieses Mal obligatorisch im geschlechtlich paritätischen Duo antretend) | |
war sekundär. Stattdessen ging es an der Wahlurne eindeutig um nationale | |
Politik. | |
Das hat im (immer noch) zentralistischen Frankreich Tradition – ebenso wie | |
die Ungeduld und Rachsucht der Wählerschaft: Zur Zeit der Präsidentschaft | |
von Nicolas Sarkozy genossen die Sozialisten dessen Wahlschlappen voller | |
Schadenfreude. | |
Jetzt ist es Sarkozy, der sich als konservativer Oppositionsführer | |
bestätigt glaubt und Anspruch auf ein Comeback an die Staatsspitze erhebt. | |
Kein Wunder, dass der sozialistische Premierminister Manuel Valls das | |
Ergebnis ganz anders deutet. Er sieht es als Ermutigung, das Tempo ohne | |
Richtungswechsel zu beschleunigen: „Mit ihrem Votum oder auch mit mit ihrer | |
Stimmenthaltung haben die Franzosen einmal mehr ihre Erwartungen, ihre | |
Forderungen, ihre Wut und ihre Enttäuschung über einen Alltag mit seinen | |
Problemen ausgesprochen: zu viel Arbeitslosigkeit und Steuern, zu hohe | |
Lebenskosten.“ | |
So weit würden ihm wohl die meisten Parteikollegen zustimmen. Doch welche | |
Lehren will Valls daraus ziehen? Er kündigte „neue Maßnahmen zugunsten der | |
privaten Investitionen“ an. Das ist der Kurs der „liberalen“ Marktreformen | |
seines Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Valls und auch Präsident | |
François Hollande sind überzeugt, dass diese mit öffentlichen Einsparungen | |
gekoppelte Politik schon bald die ersten Früchte tragen und sich auch | |
politisch auszahlen wird. | |
## Wie sich zusammenraufen? | |
Der linke Flügel der Sozialisten sieht das umgekehrt. Bei jeder dieser | |
Reformen würden ganze Wählerschichten abgeschreckt. „Die Wähler der Parti | |
Socialiste erkennen ihre Partei nicht wieder in dieser Regierungspolitik“, | |
analysiert in Lille die Bürgermeisterin und Exministerin Martine Aubry die | |
Gründe der erneuten Niederlage ihrer Partei. | |
Ein Sprecher des linkssozialistischen Flügels in der PS, Jérôme Guedj, | |
sieht das dramatischer: „Mit dieser Politik gehen wir mit voller Kraft an | |
die Wand.“ Wenn diese nicht geändert werde, könne die PS seine Hoffnungen | |
bei den nächsten Präsidentschaftswahlen vergessen: „Bye-bye, 2017“, mahnt | |
Guedj voller Zweckpessimismus. | |
In der kommenden Zeit werden die Sozialisten darüber debattieren, auf | |
welcher programmatischen Basis die gespaltene Partei sich zusammenraufen | |
kann. Und sie werden auch darüber reden müssen, ob und wie sie mit ihren | |
Partnern, den linken Radikalen und den Grünen, der Linksfront aus | |
Kommunisten und Linkspartei, einen gemeinsamen Nenner finden. | |
## Grüne auch gespalten | |
Für die Sozialisten wird der Parteitag Anfang Juni bereits zu einer | |
Zerreißprobe: Da dürfte es wenig Spielraum für Kompromisse geben – zwischen | |
einer Spaltung und einer Einigung hinter Hollande oder Valls. | |
Denselben Spannungen sind aber auch die Grünen ausgesetzt. In ihrer Partei | |
„Europe Ecologie Les Verts“ halten sich derzeit Gegner und Befürworter | |
einer Rückkehr in die Regierung und Anhänger einer Allianz mit den | |
Sozialisten oder einer separaten Allianz mit der Linksfront praktisch die | |
Waage. | |
Während die konservative Rechte (mit den Zentrumsdemokraten im Schlepptau) | |
zuversichtlich auf einen Regierungswechsel hinmarschiert und der | |
rechtsextreme FN weiter an Boden gewinnt, verliert die Linke bei den | |
eigenen Wählern den Rest ihrer Glaubwürdigkeit. Hollande kann ihnen nur | |
einen Hoffnungsschimmer anbieten: dass bis 2017 die Arbeitslosigkeit | |
wirklich sinkt und die Kaufkraft steigt, wie er dies ab 2012 alljährlich | |
versprach. | |
30 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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