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# taz.de -- Kein Heim für Flüchtlinge: Sozialsenator allein zu Haus
> Die Kosten für die Flüchtlings-Unterbringung steigen. Mario Czajas
> angekündigter Paradigmenwechsel bleibt aus. Der schiebt die Schuld auf
> den Bund.
Bild: Kann kein Dauerzustand sein: Wohnen in der Turnhalle.
Mehr als 3 Millionen Euro hat Berlin in den ersten zwei Monaten 2015
bereits für die Unterbringung von Flüchtlingen in Hostelzimmern ausgegeben.
Im Jahr 2014 waren das insgesamt 6 Millionen Euro.
Das geht aus einer Kleinen Anfrage des Piraten-Abgeordneten Fabio Reinhardt
an die zuständige Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hervor,
deren Antwort am Donnerstag veröffentlicht wurde. Die Gesamtkosten für die
Flüchtlingsunterbringung schätzte die Senatsverwaltung für das Jahr 2014
auf etwa 100 Millionen Euro.
Hintergrund der steigenden Kosten für Hostels ist das Chaos bei der
Flüchtlingsunterbringung in Berlin. Etwa 14.000 Asylsuchende kamen im
vergangenen Jahr in die Hauptstadt. In diesem Jahr rechnet das Land mit
mindestens 20.000.
Die regulären Flüchtlingsheime sind aber nicht nur wegen der vielen
Neuzugänge überfüllt. Gut ein Viertel der etwa 8.000 Plätze in den
Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber sind mittlerweile von
Flüchtlingen belegt, die das Asylverfahren bereits erfolgreich durchlaufen
haben. Die dürften zwar auf Kosten der dann für sie zuständigen Jobcenter
in Mietwohnungen umziehen, doch viele Vermieter – auch landeseigene
Wohnungsgesellschaften – wollen nicht an die anerkannten Flüchtlinge
vermieten, die zunächst nur eine dreijährige Aufenthaltsgenehmigung haben
(siehe Seite 23).
Wegen des dadurch ausgelösten Belegungsstaus in den eigentlich für
Asylbewerber gedachten Heimen beschlagnahmte das für die
Flüchtlingsunterbringung zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales
(Lageso) in den vergangenen Monaten sieben Turnhallen, in denen rund 1.000
Flüchtlinge nun teilweise bereits seit Monaten leben. Entgegen früheren
Ankündigungen wurde bislang erst eine der Hallen als Unterkunft geschlossen
und kann seit Anfang April wieder als Sportstätte genutzt werden.
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Hostels könne aber nur eine Notlösung
sein, sagt der Pirat Reinhardt. Der „explosionsartige Anstieg bei der
Nutzung von Hostels“ sei „Ausdruck für das Versagen Berlins bei der
Unterbringung von Flüchtlingen“: „Die seit Jahren anhaltende Untätigkeit
und die Realitätsverweigerung unter Sozialsenator Czaja haben nun dazu
geführt, dass nicht mal ansatzweise genug reguläre Unterkünfte zur
Verfügung stehen“, so Reinhardt.
Der für die Flüchtlingsunterbringung und die Behörde für deren
Organisation, das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso),
zuständige Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hatte im vergangenen September
einen „Paradigmenwechsel“ bei der Heimwirtschaft angekündigt. Statt in
Immobilien oft gewerblicher Träger sollten Flüchtlinge vermehrt in
landeseigenen Immobilien, betreut von Wohlfahrtsverbänden, untergebracht
werden.
Über eine Liste mit Objekten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
(Bima), die Czaja im vergangenen Jahr ebenfalls um Unterstützung für den
Paradigmenwechsel gebeten hatte, äußerte sich der Senator selbst in einem
Bericht der RBB-„Abendschau“ am Mittwochabend enttäuscht. Die dort
enthaltenen Immobilien seien teils in so schlechtem Zustand, dass zwei- bis
dreijährige Sanierungen notwendig wären. Es sei nicht einmal sinnvoll,
„Mitarbeiter dorthin zu schicken, die diese Objekte prüfen“, so Czaja im
„Abendschau“-Interview, und mit Blick auf die Bima: „Es scheinen nicht al…
verstanden zu haben, welche angespannte Aufgabe wir haben.“ Das könne nur
„der Anfang eines Dialogprozesses“ mit der Bima sein, so der Senator.
Bei der in Bonn ansässigen Bima zeigt man sich über diese Äußerungen
allerdings überrascht: Man stehe „seit Langem in engem Kontakt mit dem Land
Berlin und der Senatsverwaltung“, heißt es auf taz-Anfrage. Bessere Objekte
als die in der fraglichen Liste, um die Berlin gebeten habe, seien bereits
zuvor angeboten worden. Das gehe aus dem Begleitschreiben zu der Liste an
den Senat deutlich hervor. Darin heißt es: „Wie bereits telefonisch
erläutert, haben wir in der Vergangenheit davon abgesehen, Ihnen diese
Objekte anzubieten, da sie aus unserer Sicht baulich für eine
menschenwürdige Unterbringung nicht geeignet sind.“
Von Senator Czaja war bis zum taz-Redaktionsschluss am Donnerstagabend zu
diesen Aussagen der Bima keine Stellungnahme zu bekommen.
9 Apr 2015
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Flüchtlinge
Senat
Syrer
Hoyerswerda
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