# taz.de -- Micha Brumlik über Günter Grass: „Typisch für seine Generation… | |
> Der Publizist Micha Brumlik über Günter Grass’ Umgang mit der eigenen | |
> sowie der deutschen Schuld und antisemitische Stereotype. | |
Bild: „Grass kritisierte auch die Bundesrepublik, weil die ein U-Boot nach Is… | |
taz: Herr Brumlik, war Günter Grass ein Antisemit? | |
Micha Brumlik: Das glaube ich nicht. Aber Grass war ein Mensch, der auf | |
eine verklemmte Art und Weise mit dem Problem der deutschen Schuld nicht | |
fertig geworden ist. | |
Er hat seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS jahrzehntelang verschwiegen. | |
Das deutet auf ein unterdrücktes Schuldgefühl hin. Aber dann glaubte er vor | |
drei Jahren, mit seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ darauf aufmerksam | |
machen zu müssen, dass eine mögliche Auslöschung des iranischen Volkes | |
durch Israel drohe. Mit der damaligen Realität zwischen Israel und Iran | |
hatte das allerdings nichts zu tun. | |
War Grass’ Umgang mit seiner eigenen Geschichte zugleich auch typisch für | |
viele Deutsche? | |
Es war typisch für viele Angehörige seiner Generation. Grass hat die | |
deutsche Schuld sehr ernst genommen. Aber diese Schuld war zugleich schwer | |
zu ertragen. Psychologisch kann man das damit erklären, dass man darauf | |
verweist, dass auch andere ähnlich Schuld auf sich geladen haben. | |
Grass lehnte U-Boot-Lieferungen an Israel ab. | |
Grass kritisierte in dem Gedicht auch die Bundesrepublik, sein eigenes | |
Land, weil die ein weiteres U-Boot nach Israel liefern wollte. Er spricht | |
in seinem Gedicht davon, dass diese Lieferung Teil eines Verbrechens werden | |
könnte und dass solche Hinweise als antisemitisch kritisiert würden. Das | |
bedeutet, er fürchtete sich vor einer zweiten deutschen Schuld. | |
Sind das nicht antisemitische Stereotypen? | |
In gewisser Weise ja. Die Denkfigur, dass das, was die Israelis heute | |
vorhätten, vergleichbar oder identisch mit dem sei, was die Deutschen den | |
Juden angetan haben, ist ein antisemitisches Stereotyp. | |
14 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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