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# taz.de -- Siegerfilm des goEast-Festivals: Von Menschen und Topfpflanzen
> Die Tragikomödie „Blind Dates“ von Levan Koguashvili beleuchtet in
> bizarren Szenen die Absurditäten des Alltags in Georgien.
Bild: Sandro (Andro Sakvarelidze) und Iva (Archil Kikodze) verbringen ein Woche…
„Ich mag Internet-Dates nicht“, flüstert Sandro und tritt von einem Fuß a…
den anderen. „Hast du eine andere Option?“, blafft Iva ihn an. Dann ist
Stille zwischen den Freunden. Wie so oft. In der Anfangsszene stehen die
beiden Protagonisten von „Blind Dates“, einem Spielfilm des georgischen
Regisseurs Levan Koguashvili, auf dem Flughafen von Tbilissi und warten auf
eine Unbekannte aus der Provinz. Der Film gewann im vergangenen Jahr das
goEast-Festival und wird zum Beginn des diesjährigen Festivals am 22. April
heute erstmals im Fernsehen gezeigt.
Mit solchen Blind Dates jedenfalls will Iva (Archil Kikodze) seinem Freund
Sandro (Andro Sakvarelidze) zu einer Ehefrau verhelfen. Der nämlich wohnt
mit 40 noch bei seinen Eltern. Ein Privatleben hat er nicht – entsprechend
absurd ist die Beziehung zu den Eltern.
Einmal sitzen die im Schlafanzug in der beengten Küche bei ihrem Sohn. Sein
Kauen ist lange das einzige Geräusch. „Ist er betrunken?“, fragt der Vater
die Mutter. „Ich denke nicht“, antwortet die Mutter dem Vater. Den
erwachsenen Sohn fragt niemand. Doch als er sagt, er habe eine Frau
getroffen, werden die Eltern hellhörig. „Wirst du sie wiedersehen? Wir
werden alt“, beschwert sich der Vater. „Er auch“, sagt die Mutter. Dann
schläft der Vater am Küchentisch ein. Ende der Szene.
Überhaupt ist der Film trotz der vielen Verwirrungen ganz leise,
zurückhaltend. Melancholisch. Die Kameraeinstellungen sind genauso sperrig
wie die Gespräche zwischen den ProtagonistInnen oder die Architektur, der
sozialistische Brutalismus Tbilissis, dessen betonverkleidete Leere so
gigantisch ist, dass sie nicht in einen Bildausschnitt passt. Einsame
Topfpflanzen neben einsamen Menschen vor pastellfarbenen Tapeten.
## Raumgreifende Hilflosigkeit
Das alles korrespondiert mit der raumgreifenden Hilflosigkeit des
Protagonisten. Je unsichtbarer er zu werden versucht, umso größer werden
die Abhängigkeiten, umso dramatischer die Missverständnisse. Der
schmächtige Mann mit dem immer gleichen Gesicht, den immer gleichen
Adidas-Sneakern ist einfach rührend.
Mit Frauen hat Sandro also wenig Glück. Bis er sich am Schwarzen Meer in
Manana verliebt. Als deren chronisch eifersüchtiger Ehemann aus dem
Gefängnis entlassen wird und sich ausgerechnet Sandro als Vertrauten
aussucht, wird dessen Situation immer absurder.
Über die Handlung genauso wie das Filmdekor verhandelt der Regisseur Levan
Koguashvili den georgischen Alltag, die postsozialistische Leere, die durch
die beengten Familienverhältnisse noch raumgreifender wird. Aber eben auch
auf eine liebenswürdige Art abwegig. Denn die Welt, die Koguashvili für
seine ProtagonistInnen entworfen hat, ist winzig – und dennoch
unüberschaubar. Dass der Regisseur wie schon in seinem ersten Spielfilm,
„Street Days“ von 2010, auch mit Non-SchauspielerInnen arbeitet, verstärkt
diese Kargheit noch. „Blind Dates“ konzentriert sich auf das Wesentliche,
das Obskure.
21 Apr 2015
## AUTOREN
Sonja Vogel
## TAGS
Spielfilm
Georgien
Kinos
Filmfestival
Krise
Tanz
Guiness Buch der Rekorde
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