| # taz.de -- Bahn und GDL uneinig: Verhandeln in Paralleluniversen | |
| > Warum nochmal stehen in Deutschland die Züge still? Bahn und GDL geben | |
| > jeweils völlig unterschiedliche Versionen ein und derselben Geschichte | |
| > wieder. | |
| Bild: Das ganze Gleis steht still, wenn Claus Weselsky es so will. | |
| BERLIN taz | Vielerorts gab es in Deutschland am Mittwoch das gleiche Bild: | |
| menschenleere Bahnhöfe wegen des siebten Streiks der Lokführergewerkschaft | |
| GDL innerhalb von zehn Monaten. Dabei sah es am vergangenen Freitag noch so | |
| aus, als würde es eine Einigung geben: Man sei sich in vielen Punkten | |
| nähergekommen, erklärte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber, nachdem die | |
| Tarifverhandlungen mit der GDL abgeschlossen waren. | |
| Die Gewerkschaft allerdings prüfte das von der Bahn vorgelegte Angebot, | |
| erklärte die Gespräche für gescheitert und wie es dazu kommen konnte, davon | |
| gibt es zwei konträre Versionen. Bahn-Personalvorstand Weber sagt: „Wir | |
| waren uns in nahezu allen Punkten einig.“ Der GDL-Vorsitzende Claus | |
| Weselsky sagt: „Das, was der Bahnvorstand am Ende geboten hat, war die | |
| blanke Provokation.“ Die Konfliktpunkte im Einzelnen: | |
| Lohn und Arbeit: Die GDL will kürzere Arbeitszeiten und die tarifliche | |
| Gleichstellung von Lokführern und Lokrangierführern durchsetzen. Laut GDL | |
| werden die Lokrangierführer für die gleiche Arbeit bislang schlechter | |
| bezahlt. „Die DB versucht uns zu zwingen, die Lokrangierführer als billigen | |
| Jakob im Tarifvertrag zu verankern“, sagte Weselsky. | |
| Bahn-Vorstand Weber hat eine andere Version parat: „Es gibt für | |
| Lokrangierführer einen Tarifvertrag mit der Eisenbahn- und | |
| Verkehrsgewerkschaft EVG, dort kann man nachlesen, dass sie unter dem | |
| Strich Vergleichbares in der Lohntüte haben.“ Das führt zum nächsten | |
| Problem: | |
| Zuständigkeit: Wer vertritt eigentlich die Lokführer? Parallel zur GDL | |
| verhandelt auch die konkurrierende EVG mit der Bahn über einen eigenen | |
| Tarifabschluss. Konkurrierende Verträge beider Gewerkschaften sind durch | |
| die Einigung im November grundsätzlich möglich – die Bahn will das aber | |
| verhindern. | |
| „Es geht darum, die Spaltung unserer Belegschaft durch kollidierende | |
| Regelungen zu vermeiden“, sagte Personalvorstand Weber. In den | |
| Verhandlungen muss die Bahn also versuchen, beide Gewerkschaften auf das | |
| gleiche Ergebnis festzulegen. Damit kann die EVG in parallelen | |
| Verhandlungen mit der Bahn die nicht erwünschten GDL-Abschlüsse | |
| torpedieren. | |
| Tarifeinheit: Hinzu kommt, dass voraussichtlich noch vor der | |
| parlamentarischen Sommerpause das sogenannte Tarifeinheitsgesetz (TEG) in | |
| Kraft tritt. Das TEG soll die „Tarifkollision“ regeln: Gibt es künftig für | |
| die gleiche Berufsgruppe innerhalb eines Unternehmens zwei Tarifverträge, | |
| gilt nur noch der Vertrag der größeren Gewerkschaft. | |
| Das macht ein Zugeständnis der Bahn an die GDL praktisch wertlos: Die Bahn | |
| hat zwar anerkannt, dass die GDL außer für Lokführer auch für andere | |
| Berufsgruppen wie das Bordpersonal verhandeln darf. Mit dem neuen Gesetz | |
| könnte die GDL allerdings überhaupt keine eigenen Tarifverträge mehr | |
| abschließen, weil die EVG schlicht mehr Mitglieder hat. | |
| „Die Verzögerungsstrategie der Bahn ist offensichtlich“, sagte GDL-Chef | |
| Weselsky. Seiner Meinung nach will der Konzern den Konflikt aussitzen, bis | |
| das TEG verabschiedet ist – und sich so des Problems GDL entledigen. Weber | |
| bestreitet das: „Wir wollen mit beiden Gewerkschaften fertig werden.“ | |
| Verflixter Freitag: Bahn und GDL sind sich noch nicht einmal grün, worüber | |
| sie verhandelt haben und was dabei verschriftlicht wurde. Die GDL | |
| behauptet, die Bahn wollte die Zwischenergebnisse nicht festhalten. „Wir | |
| haben das Erreichte schriftlich festgehalten und der GDL übergeben“, sagt | |
| dagegen Weber. | |
| Die GDL wirft der Bahn zudem vor, in Sachen Lohn nichts außer einer | |
| Einmalzahlung angeboten zu haben. Bahn-Mann Weber wiederum sagt Lohn und | |
| Arbeiszeiten hätten nicht auf der Tagesordnung gestanden. Einen Meter vor | |
| Ziellinie sei man gewesen, so Weber – im Maßstab der GDL waren es eher | |
| Lichtjahre. | |
| 22 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ruben Rehage | |
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