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# taz.de -- Fotos des Jahres ausgezeichnet: Eine Brücke für Gefühle
> Viele FotojournalistInnen arbeiten in Eigenregie. Bei den World Press
> Awards in Amsterdam wurden Bilder zu Schwulen und Aids ausgezeichnet.
Bild: Das Siegerfoto (Ausschnitt): Homosexuelle in Russland in einem intimen Mo…
In der professionellen Fotografie hat sich in den vergangenen Jahren ein
neuer Typ Fotojournalist herauskristallisiert. Der Däne Mads Nissen,
diesjähriger Gewinner des Fotos des Jahres im internationalen Wettstreit
von [1][World Press Photo], ist einer davon. „Ich gehöre einer neuen
Generation Fotografen an“, sagt Nissen. „Wir nutzen alles, was wir zur
Verfügung haben, um visuelle Geschichten zu erzählen. iPhones,
traditionelle Hasselblad-Kameras, Video, Audio. Wir recherchieren unsere
Themen selber, schreiben selbst und wir fotografieren, in Schwarz-Weiß oder
in Farbe.“ Auch arbeiten Fotojournalisten immer öfter ohne Auftrag, in
Eigenregie.
Mads Nissen wurde wie die anderen Gewinner am vergangenen Wochenende bei
den diesjährigen World Press Award Days in Amsterdam gefeiert. Der Fotograf
arbeitet für die dänische Zeitung Politiken und hat seine Bilder in
internationalen Magazinen veröffentlicht. Er erhielt die Auszeichnung für
[2][das Foto] eines homosexuellen Paares beim Liebesspiel in Sankt
Petersburg. Ein intimer Moment, der um die Welt ging.
Nissens Arbeit am Thema Homosexualität in Russland wurde inspiriert durch
ein Erlebnis im Sommer 2013: Als er die „Gay Pride“ in Sankt Petersburg
fotografierte, wurde er Zeuge eines Übergriffs. Ein Homophober schlug einem
jungen Schwulen unvermittelt mit der Faust brutal ins Gesicht. Auf der
Stelle beschloss Nissen, sich weiter in das Leben und die Situation von
Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen in Russland zu vertiefen,
in alle Facetten: Er wollte Diskriminierung, Hetze und Gewalt
fotografieren, aber auch und vor allem die Liebe.
Das Geheimnis seiner Fotografie ist Empathie. Nissen bemüht sich, eine
Person, eine Lebenslage von Innen heraus und intuitiv zu begreifen, erzählt
er. „Ich versuche aufzunehmen, wie sich ein Mensch fühlt, und diese Emotion
mittels Fotografie zu transportieren. Ich probiere, meine 'Leser' dichter
an das heranzuführen, was sich vor meiner Kamera abspielt, also eine
emotionale Brücke zu bauen zwischen den Menschen, die ich fotografiere und
denjenigen, die meine Bilder sehen.“
## Die Widersprüche in den Bildern spiegeln
Der 36jährige, der mit Partnerin und Sohn in Kopenhagen lebt, hat viel
Erfahrung mit längeren Projekten. Sieben Jahre lang hat er am Buch
„Amazonas“ gearbeitet. „Ich habe mir die Zeit gelassen, die ich brauchte
und das Buch genau so gemacht, wie ich es haben wollte“, berichtet er. „Der
Amazonas hat so viele Widersprüche.“ Diese sind nun deutlich sichtbar in
Nissens Arbeit.
„Durch das Internet erhalten wir eine Flut an Informationen“, sagt Nissen.
„Menschen bleiben irritiert zurück. Nicht mehr Informationen, sondern
bessere Informationen sind vonnöten: nicht intellektuell tiefgreifendere,
sondern emotional tiefgreifendere Geschichten. In vielen Arbeiten spüre ich
einen Mangel an Verbindung. Menschen sehen eine Fotografie, lesen einen
Artikel, aber sie fühlen nichts.“
World Press Photo hat auf die aktuellen Veränderungen im Fotojournalismus
und der Dokumentarfotografie reagiert und erstmals die Kategorie
„Langzeitprojekte“ aufgenommen. Hier werden Arbeiten prämiert, die
mindestens drei Jahre gedauert haben und veröffentlicht sind. Häufig
geschieht dies in Form eines Buches. Fotobücher sind rasend populär.
Den ersten Preis in dieser Kategorie hat die US-Amerikanerin Darcy Padilla
gewonnen. In [3][„Family Love“] dokumentierte Padilla den mühsamen
Lebensweg von Julie Baird – 18 Jahre lang, bis Baird starb. Die an Aids
erkrankte Frau und Mutter von sechs Kindern fristete ein chaotisches
Dasein, in großer Armut, zunächst in San Francisco, später in Alaska, am
untersten Rand der Gesellschaft.
## Ein Dokument für Julies Kinder
Bairds Geschichte ist unvollendet, denn Padilla fotografiert die Familie
weiter. Sie traf die Protagonistin 1992 in einem Hotel, in dem Aids-Kranke
wohnten. Dort erschien sie, mit ihrem ersten, gerade geborenem Baby und dem
damaligen Gefährten. Padilla fotografierte dort eine Langzeitstudie zu
Aids.
Padilla wollte wissen, wie ist es, arm zu sein. Sie wollte zeigen, wie
„ungeheuer komplex das Leben so einer Julie ist“. Es gehe ja nicht nur um
Geld, um Bildung. Es geht um Menschen, die Depressionen haben, um sexuellen
Missbrauch in Familien, um Gewalt, Drogen, Alkohol, Sucht.
„Ich wurde die Person, die Julie am längsten kannte. Julies Geschichte ist
öffentlich, vor allem aber ist 'Family Love' ein Dokument für Julies
Kinder. Sie sollten wissen, was geschehen ist“, erzählt Darcy Padilla. „Sie
sollten wissen, dass Julie ihre Kinder geliebt hat und sie aufgab, weil es
besser für die Kinder war und auch für Julie selbst.“ Nur das jüngste Kind
hat sie behalten. Julies Erstgeborene fand Padillas Geschichte online im
Internet und meldete sich daraufhin bei der Fotografin.
Darcy Padilla erhielt unter anderem ein Stipendium der Guggenheim
Foundation und den W. Eugene Smith Award für Humanistische Fotografie. Auf
ihre Arbeit reagierten Menschen rund um den Globus, berichtet sie. Und
genau das wünschen sich viele Fotojournalisten: Diskussionen anregen,
Veränderung beflügeln.
27 Apr 2015
## LINKS
[1] http://www.worldpressphoto.org/collection/photo/2015
[2] http://www.worldpressphoto.org/collection/photo/2015/contemporary-issues/ma…
[3] http://www.worldpressphoto.org/collection/photo/2015/long-term-projects/dar…
## AUTOREN
Gunda Schwantje
## TAGS
Schwerpunkt HIV und Aids
Homosexuelle
Fotojournalismus
Fotografie
Freizügigkeit
Asien
Kriegsfotografie
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