# taz.de -- Parteien vs. Pressefreiheit: Dürfen wir das so drucken? | |
> Ein Gesetz in Portugal soll Berichte über den Wahlkampf | |
> genehmigungspflichtig machen. Kleine Parteien und die Medien | |
> protestieren. | |
Bild: Unter Beobachtung: Portugals Parteien wollen Druck auf die Medien machen. | |
MADRID taz | Egal ob Print, Radio oder Fernsehen – in Portugal soll eine | |
Kommission eingeführt werden, bei der geplante Wahlberichterstattung im | |
Voraus eingereicht und abgestimmt werden muss. So zumindest sieht es ein | |
Gesetz vor, das die Regierungskoalition aus den konservativen | |
Sozialdemokraten (PSD) und der rechten Volkspartei (CDS-PP) verabschieden | |
will – und das auch von der größten Oppositionspartei, der sozialistischen | |
PS, unterstützt wird. | |
Die Mitglieder dieser Kommission sollen den jetzigen Plänen zufolge von den | |
Parteien des Landes bestimmt werden. Auch Nachrichtenseiten im Internet | |
sollen überwacht werden. Dieses Prozedere soll für eine ausgewogene | |
Berichterstattung sorgen und bewirken, dass Medien mehr Reportagen als | |
Meinungsartikel veröffentlichen. | |
Hintergrund des Gesetzes ist der besorgte Blick der großen Parteien | |
Portugals ins benachbarte Spanien. Dort entstanden binnen weniger Monate | |
mit „Podemos“ und der liberal-konservativen „Ciudadanos“ zwei Formation… | |
die das bisherige Zweiparteiensystem umkrempeln könnten. Das geplante | |
Gesetz zur „Vorschau“ auf Berichterstattung soll einer ähnlichen | |
Entwicklung in Portugal offenbar zuvorkommen. | |
Die mediale Kontrolle soll nicht nur die zwei Wochen vor der Wahl | |
betreffen. Auch die Berichterstattung über den Vorwahlkampf soll | |
genehmigungspflichtig werden, sobald die Parteien ihre Kandidatenlisten | |
vorgestellt haben. Insgesamt würde das neue Gesetz eine Zeitraum von | |
mindestens einem Monat betreffen. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss mit | |
einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen. | |
## Massive Ablehnung | |
In Portugals Medien und bei den restlichen Parteien ist die Ablehnung gegen | |
das Vorhaben massiv: Etablierte linke Parteien sind ebenso dagegen wie | |
einige neue, die bei den Wahlen im Herbst erstmals in Parlament einziehen | |
könnten. Und das, obwohl Letztere dadurch Vorteile zu erwarten hätten, da | |
Medien – egal ob links oder rechts – über alle Parteien berichten müssten. | |
„Auch wenn uns klar ist, dass es in vielen Medien keine ausgewogene und | |
gerechte Berichterstattung gibt, verurteilt Livre jedweden Versuch der | |
Zensur oder Bürokratisierung der Arbeit der Journalisten“, heißt es in | |
einer Erklärung der kleinen öko-sozialistischen Partei Livre, die bei den | |
Europawahlen 2014 erstmals antrat und mit 5,4 Prozent der Stimmen in der | |
Hauptstadt Lissabon von sich reden machte. Ähnlich wie Podemos im | |
benachbarten Spanien kritisiert Livre die alten Eliten und die Korruption. | |
## Angst vor Beeinflussung | |
Die wichtigsten Medien des Landes verabschiedeten aus Protest gegen das | |
geplante Gesetz ein Manifest „Für die Informationsfreiheit“. Darin heißt | |
es: „Das Recht der Journalisten, zu informieren, und das Recht der Bürger, | |
informiert zu werden, darf nicht von der Macht beeinflusst und | |
eingeschränkt werden.“ | |
Noch gilt das etablierte Parteiensystem in Portugal als stabil. Doch neben | |
Livre entsteht eine zweite neue Partei: „Juntos Podemos“ („Gemeinsam kön… | |
wir“) versucht, vom Erfolg der populären Protestpartei in Spanien zu | |
profitieren. Der Unmut, der in Spanien zu einem abrupten Wandel in der | |
Parteienlandschaft geführt hat, ist auch in Portugal zu spüren. | |
Beide großen Parteien, die konservative PSD und die sozialistische PS, | |
haben die von Brüssel geforderte Sparpolitik mit ihrer jeweiligen Regierung | |
umgesetzt. Beide Parteien haben ihre Korruptionsskandale. Der letzte | |
sozialistische Ministerpräsident José Sócrates wurde vergangenen November | |
wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption | |
festgenommen. | |
29 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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