# taz.de -- Prozess gegen ukrainischen Oligarchen: Von den USA politisch verfol… | |
> Milliardär Dmytro Firtasch wird in den USA Beteiligung an einer | |
> kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ein Gericht in Wien entschied gegen | |
> die Auslieferung. | |
Bild: Dmytro Firtasch am Donnerstag im Verfahren um seine Auslieferung. | |
WIEN taz | Der große Schwurgerichtssaal am Wiener Straflandesgericht wurde | |
Donnerstag zur großen Bühne. Noch nie war hier über einen so reichen Mann | |
verhandelt worden. Wer das Kräftemessen zwischen den Anwälten des | |
ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch und der US-Justiz live erleben | |
wollte, musste eine doppelte Sicherheitskontrolle über sich ergehen lassen. | |
Aber Gerichtsreporter und Kiebitze bekamen auch etwas geboten. Die | |
Anwaltsarmada des Verdächtigen fuhr mit aufwendigen | |
Power-Point-Präsentationen auf, um die Unschuld ihres Mandanten anschaulich | |
zu machen. | |
Im März des vergangenen Jahres war Firtasch auf Grund eines Haftbefehls aus | |
den USA festgenommen und später gegen eine Kaution von 125 Millionen Euro | |
auf freien Fuß gesetzt worden. Diese Rekordsumme wurde ihm vom russischen | |
Tycoon Wasili Anissimow vorgestreckt – gegen Zinsen, wie Firtasch | |
versichert. Das Land durfte er aber nicht verlassen. Ein Bundesgericht in | |
Chicago wirft dem Geschäftsmann Bestechung und Beteiligung an einer | |
kriminellen Vereinigung vor. | |
Konkret geht es um undurchsichtige Deals in Indien. Dort soll der | |
49-jährige Gasmilliardär 18,5 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern in | |
diverse Taschen kanalisiert haben, um Genehmigungen für den Abbau von Titan | |
zu bekommen. Das Metall wird vor allem im Flugzeugbau gebraucht und war zu | |
einem großen Teil für den US-Konzern Boeing bestimmt. | |
## Krumme Geschäfte in Indien | |
Laut dem 32-seitigen Auslieferungsansuchen habe es sogar ein Übereinkommen | |
zwischen einer Wiener Firtasch-Firma und Boeing gegeben. Darin seien Boeing | |
jährlich 20.000 Tonnen Titan garantiert worden. Schmiergelder sollen auch | |
über die USA und aus den USA kanalisiert worden sein: an einen inzwischen | |
verstorbenen Regierungschef des Bundesstaates Andhra Pradesh, aber auch an | |
die indische Zentralregierung. Um die Zahlungen zu verschleiern, hatte man | |
Handelsfirmen zwischengeschaltet. An solchen besteht ja kein Mangel. | |
Firtasch werden weltweit 127 Firmen zugerechnet, darunter 14 in Österreich. | |
Das Gericht hatte zu prüfen, ob die dem Oligarchen vorgeworfenen Straftaten | |
auch in Österreich strafbar sind. Eine Beweiswürdigung fand nicht statt. | |
Entscheidend für die Richter war vielmehr die Frage, ob Firtasch von den | |
USA aus politischen Gründen verfolgt wird. Das konnten die Verteidiger, | |
darunter auch Österreichs Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) | |
glaubhaft machen. | |
Denn ein 2013 bereits ausgestellter internationaler Haftbefehl wurde | |
zurückgezogen, als sich die USA mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten | |
Wiktor Janukowitsch arrangierten. Als dann die Maidan-Bewegung Janukowitsch | |
hinwegfegte und Firtasch den Boxer Vitali Klitschko sponserte, während die | |
USA auf Julija Timoschenko setzten, wurde der Haftbefehl neuerlich | |
ausgestellt. | |
Die Verteidigung argumentierte, dass die USA wirtschaftliche und politische | |
Interessen in der Ukraine verfolgen und dazu Druck auf den mächtigen | |
Oligarchen Firtash ausüben wollten. Die Anklage sei konstruiert, zumal das | |
Titanprojekt gar nicht zustande gekommen ist. | |
## Imagepolitur ohne Glanz | |
Das vergangene Jahr in Österreich hat Firtasch zur Imagepolitur genutzt. Er | |
rief eine „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ ins Leben. Deren | |
Trägerverein und Aufsichtsrat bestückte Firtasch mit Prominenz aus Politik | |
und Kultur. Da tummelt sich der britische Oberhausabgeordnete Lord Risby | |
ebenso wie der französische Schriftsteller Bernard-Henri Lévy, der | |
Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann und Ex-Kandlerkandidat Peer | |
Steinbrück (SPD). Auch der vergangenes Jahr als österreichischer | |
Vizekanzler zurückgetretene Michael Spindelegger (ÖVP) ist an Bord. | |
Wirtschaftlich läuft es für Firtasch derzeit nicht so gut. Sein einst auf | |
bis zu drei Milliarden Euro geschätztes Vermögen ist seit nach Angaben von | |
Forbes nach den Turbulenzen in der Ukraine auf nur mehr etwa 250 Millionen | |
Euro geschrumpft. Die mehrheitlich von ihm kontrollierte Nadra-Bank wurde | |
im Februar unter Zwangsaufsicht gestellt, zuletzt konfiszierte ein Kiewer | |
Bezirksgericht fast 500 Millionen Kubikmeter Gas von Firtasch-Firmen. | |
Firtasch hat jetzt zwar seinen Reisepass wieder. Doch ganz aufatmen darf er | |
noch nicht. Die Staatsanwaltschaft will in Berufung gehen. | |
1 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
USA | |
Österreich | |
Oligarchen | |
Ukraine | |
Außenminister | |
Jahrestag | |
Ermittlungen | |
Milizen | |
Beratungsstelle | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dialog zum Krieg in der Ukraine: Kritik an Russland | |
Der Friedensprozesses in der Ukraine stockt, doch man bemüht sich um einen | |
Dialog. Poroschenko besucht Berlin. In Antalya treffen sich die | |
Nato-Außenminister. | |
Jahrestag Zusammenstöße in Odessa: Gespalten auch im Gedenken | |
Ein Jahr nach dem Brand des Gewerkschaftshauses mit 42 Toten in Odessa | |
erinnern beide Seiten an die Opfer. Einen Untersuchungsbericht gibt es | |
nicht. | |
Oligarchen in der Ukraine: Rinat Achmetow unter Druck | |
Gegen den reichsten Mann des Landes wird angeblich wegen Finanzierung von | |
Terrorismus und Separatismus ermittelt. Bergarbeiter demonstrieren für ihn. | |
Kommentar Machtkampf in der Ukraine: Guter Oligarch, böser Oligarch | |
Präsident Poroschenko hat einen gefährlichen Gegner zum Rücktritt | |
gezwungen. Doch der Oligarch Kolomoiskij könnte bleiben, obwohl er gegangen | |
wurde. | |
Beratungsmission für die Ukraine: Peer Steinbrück und sein reicher Chef | |
Der Ex-SPD-Kanzlerkandidat stößt mit dem Projekt zur Modernisierung der | |
Ukraine auf Skepsis. Er sei dabei nur das Feigenblatt eines dubiosen | |
Oligarchen, so die Kritik. |